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Umstrittene Therapie

In Deutschland ist ein Glaubenskrieg über die Wirkung von Methadon in der Krebstherapie ausgebrochen. Die Tageszeitung hat bei Primar Günther Sitzmann nachgefragt, ob das Drogensubstitut wirklich eine Wende in der Krebstherapie einläuten kann. 

von Lisi Lang

Methadon wird seit vielen Jahren im Heroinentzug eingesetzt und ist daher den meisten als Drogensubstitut bekannt. Methadon findet aber auch im palliativen Bereich seit Jahren als Schmerzmittel Verwendung. Ein Einsatz des Opiods mit schmerzstillender Wirkung in der Krebstherapie ist allerdings neu und wird derzeit in Deutschland heftig diskutiert. Ein Arzt machte nämlich die Entdeckung, dass Krebspatienten, denen zusätzlich zur Chemotherapie Methadon verschrieben wird, deutlich länger leben. Methadon praktisch eine potenzierende Wirkung auf die Chemotherapie hat.

Nun ist ein Glaubenskrieg über die Wirkung von Methadon in der Krebstherapie und dessen Erforschung bzw. die Erforschung der Wirksamkeit ausgebrochen. Kernpunkt der Diskussionen: Es fehlen weitere Forschungen über die Wirksamkeit des Mittels – und genau das wird von den Entdeckern kritisiert. In verschiedenen TV-Berichten und Talkshows warben Chemikerin Claudia Friesen von der Uniklinik Ulm und Dr. Hans-Jörg Hilscher für ihre Entdeckung und suchten Spendengelder, um weitere Forschungen zu finanzieren, da bisher kein Pharmaunternehmen Interesse an diesen Forschungen gezeigt hat. Warum? Das Patent auf Methadon ist seit vielen Jahren ausgelaufen und bringe Pharmakonzernen keinen Profit, so die These der Forscher. „Wenn Methadon für vier bis sechs Wochen zwölf Euro kostet und vielleicht in Konkurrenz zu einem Medikament mit 20.000 bis 25.000 Euro steht, kann ich mir schon vorstellen, dass Methadon keine Chance hat“, erklärte Chemikerin Claudia Friesen in einem ARD-Beitrag.

Die Tageszeitung hat beim Brunecker Chirurgie-Primar Günther Sitzmann nachgefragt, was hinter dieser Diskussion steckt und ob Methadon wirklich eine überraschende Wende in der Krebstherapie einläuten könnte. Der Primar erklärt, dass es im onkologischen Bereich unendlich viel Forschung gibt, um neue Mittel und Methoden zu entwickeln. Er betont aber, dass man trotz erster Erfolge immer seriös bleiben müsse und nicht plötzlich von einem Wundermittel sprechen dürfe. „Die Forscher haben Indizien und erste Beweise geliefert, dass Methadon in der Krebstherapie Wirkung zeigt. Diese Ergebnisse machen eine weitere Untersuchung der Wirkung von Methadon auf Tumore auf jeden Fall notwendig“, erklärt der Primar.

Der Wirkstoff Methadon in der Krebstherapie sei bisher nur an Zellkulturen, Tieren und an einigen Patienten getestet worden. Die Ergebnisse waren zwar durchaus positiv, aber weitere Untersuchungen mit breiteren Studien seien dringend notwendig, um eine fundierte Diskussion über die Wirkung des Medikaments führen zu können.

Die These der Chemikerin, dass die Pharmaindustrie aus wirtschaftlichen Gründen von weiteren Forschungen absieht, kann der Mediziner durchaus nachvollziehen, da man derartige Beispiele auch von anderen Impfstoffen oder Medikamenten beispielsweise bei Malaria kennt. „Methadon ist nicht mehr patentrechtlich geschützt, daher kann es extrem günstig hergestellt werden“, erklärt Günther Sitzmann. Als Mediziner habe man aber, im Gegensatz zu manchen Pharmakonzernen nicht den wirtschaftlichen Aspekt eines Medikaments im Auge, sondern den Nutzen für den Menschen und dessen Wohlergehen. „Es muss eine neutrale Forschung zu Medikamenten geben, wenn es valide Ansätze dafür gibt, dass sie wirken. Diese fundierte Forschung muss von großen Universitäten auch ohne die Unterstützung von Pharmakonzernen möglich sein“, sagt der Mediziner. Auch kostengünstige Mittel müsse man testen, fordert Sitzmann, denn durch ausreichende und fundierte Forschung könne man verhindern, dass zu bestimmten Themen Glaubenskriege ausbrechen, die auf unzureichenden Informationen beruhen. Aus diesem Grund, so Sitzmann, habe auch die Deutsche Krebsgesellschaft, eine staatlich anerkannte Institution, bereits 300.000 Euro für weitere Forschungen zugesichert. „Die These der Forscherin zur mangelnden Unterstützung mag vielleicht stimmen, beweist aber nicht automatisch, dass das Medikament das kann, was es derzeit verspricht“, so Günther Sitzmann. Und genau das müsse man genauer erforschen.

Der Brunecker Primar warnt allerdings vor falschen Hoffnungen: „Man tut niemandem etwas Gutes, wenn man ein Medikament, das nicht ausreichend erforscht ist, als Wundermittel präsentiert.“

Der Primar kann sich allerdings gut vorstellen, dass die Forschung zu diesem Thema in Zukunft auf ein wissenschaftliches Niveau gestellt wird und sich eine Uni oder weitere Gelder finden werden, um die Wirksamkeit genauer zu erforschen: „Die bisherigen Daten und Studienergebnisse sind vielversprechend und sollten auf jeden Fall weiter erforscht werden.“

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