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Das Zukunftspapier

Selbstbestimmung, Region, Schule, Regierungskommissar und ethnischer Proporz: Die TAGESZEITUNG zeigt auf, was im Abschlussdokument des Autonomie-Konvents wirklich drinsteht.

Von Matthias Kofler

Der Autonomie-Konvent hat  seine Arbeiten abgeschlossen und das Enddokument mit Vorschlägen zur Überarbeitung des Autonomiestatuts verabschiedet. Auf Wunsch von Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder sollen am Text noch einige Präzisierungen hinsichtlich der Finanzautonomie vorgenommen werden, bevor dann das fertige Dokument im Herbst dem Landtag zur Begutachtung vorgelegt wird.

Konventspräsident Christian Tschurtschenthaler sprach im Anschluss an die Sitzung von einer „intensiven Zeit“ und zeigte sich mit der Arbeit, die über ein Jahr gedauert hatte, äußerst zufrieden. „Viele der aufgeworfenen Themen werden die autonomiepolitische Diskussion in den nächsten Jahren kennzeichnen und Grundlage sein für die Weiterentwicklung unserer Autonomie“, so Präsident Tschurtschenthaler.

Das Enddokument des Autonomiekonvents enthält Vorschläge zu den Bereichen Präambel, institutioneller Organisation, internationale Beziehungen und Europäische Union, Beziehungen zum Staat, Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie, Minderheitenschutz, Finanz- und Steuerautonomie und zu Durchführungsbestimmungen. Seit der Sitzung vom 16. Juni wurden noch einige Ergänzungen vorgenommen und auch angemerkt, dass nicht alle Mitglieder mit allen Punkten einverstanden waren.

Die TAGESZEITUNG hat einen Blick ins 31 Seiten starke Abschlussdokument geworfen und stellt die wichtigsten Inhalte vor:

Präambel:

Dem neuen Statut soll einleitend eine Präambel vorangestellt werden. Der entsprechende Text soll kurz, bündig, präzise und verständlich formuliert sein. Darin wird Bezug genommen auf den Pariser Vertrag von 1946, der die Grundlage der Autonomie darstellt.

Hitzige Diskussionen lieferten sich die Konventsmitglieder zum Thema Selbstbestimmung. Mit der Präambel wird versucht, alle Seiten zufriedenzustellen. So wird schon zu Beginn der Präambel darauf verwiesen, dass die Autonomie Südtirols einen eigenen Schutz im Völkerrecht sowie im Rahmen der republikanischen Verfassung genieße. Es wird auf den Willen hingewiesen, das Land „gemeinsam und unter wechselseitigem Respekt selbst zu regieren und die gemeinsame Weiterentwicklung der Autonomie und des Minderheitenschutzes zu verfolgen“.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird, ganz nach dem Durnwalderschen Prinzip, als Selbstverwaltung im Rahmen des italienischen Staates, nicht aber als Sezession interpretiert. Eine Loslösung Südtirols von Italien könne erst dann eingefordert werden, wenn sich der Staat nicht mehr an die internationalen Abkommen halten und die Autonomierechte Südtirols verletzen würde, erläuterte der Ex-LH im Rahmen der SVP-Leitungssitzung.

Im entsprechenden Absatz des Abschlussdokuments wird auf das von 1957 stammende und auch von Italien ratifizierte Statut der Vereinten Nationen verwiesen, wo das Selbstbestimmungsrecht verankert ist. Die meisten der italienischsprachigen Mitglieder des Konvents haben dieser Bezugnahme nicht zugestimmt und dies in ihren Minderheitenberichten – insgesamt sind es vier an der Zahl – auch festgehalten.

Die Präambel erhält weiters einen Bezug zur Euregio – dem Wunschprojekt des amtierenden Landeshauptmanns Arno Kompatscher –, wenngleich diese nicht namentlich erwähnt wird. Vielmehr heißt es: Die „gemeinsame Geschichte mit dem Trentino, dem Bundesland Tirol und der gesamten Dolomitenladinischen Gemeinschaft“ soll hervorgehoben werden.

Auch die christlichen Wurzeln des Landes werden im Text unterstrichen, allerdings mit dem Zusatz, dass diese Wurzeln „auch vom Geiste des laizistischen Humanismus und der Aufklärung“ geprägt worden seien.

 

Die Rolle der Region:

Die Mitglieder des Konvents, so heißt es im Abschlussdokument, seien sich darüber einig, dass die Region „in der heutigen Form überholt“ sei. Allerdings gab es im Konvent keinen Konsens darüber, wie die Region in Zukunft aussehen soll. Während die Schützen und Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder die Region lieber heute als morgen abschaffen wollen, bevorzugen die amtierenden SVP-Abgeordneten um Christian Tschurtschenthaler eine Umwandlung der Region in einen „Ort der freiwilligen Kooperation zwischen den beiden Ländern“, wobei ihr keine eigenen Gesetzgebungsbefugnisse zukommen sollen.

Dies ist auch die Position von LH Arno Kompatscher. Im Gespräch mit der TAGESZEITUNG erklärte dieser vor einigen Wochen, dass die Region eine „Koordinierungsplattform“ für die Zusammenarbeit zwischen den beiden autonomen Ländern sein solle. Es gelte, insbesondere in der Ausbildung der Jugend diese Zusammenarbeit zu intensivieren, „um unserer Region damit einen weiteren Qualitätssprung zu er möglichen“. ?Dafür, dass die Region auch weiter gesetzgeberisch tätig bleibt, sah Kompatscher hingegen „keine Notwendigkeit“.

Eine dritte Strömung im Konvent, vertreten größtenteils von den Italienern, ist der Meinung, dass der Region weiterhin Gesetzgebungsbefugnisse zukommen sollen.

Je nachdem, welche Position der Landtag einnehmen wird, schlägt der Konvent vor, das Statut entweder als „Sonderstatut für das Land Südtirol“ oder als „Sonderstatut der Länder Südtirol und Trentino und der Autonomen Region Trentino-Südtirol“ zu bezeichnen. Konsens besteht aber darin, dass die beiden Länder Südtirol und Trentino „mit Rechtspersönlichkeit versehen sind und dass die beiden Städte Bozen und Trient die jeweiligen Landeshauptstädte sind“.

 

Europäische Union:

Der Konvent schlägt dem Landtag vor, das Sonderstatut durch ein Kapitel über die internationalen Beziehungen und die Beziehungen zur EU zu ergänzen. Im aktuellen Statut, das von 1972 stammt, fehlt dieses Kapitel gänzlich. Die Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass mit der Verfassungsreform von 2001 „die internationale und europäische Dimension (…) ausdrücklich anerkannt“ worden seien.

Zudem fordert der Konvent, Anpassungen des Statuts an die EU-Bestimmungen vorzunehmen, insbesondere in den Punkten Arbeitsvermittlung, Bankschalter und Warenaustausch mit dem Ausland. Darüber hinaus wird der Begriff „Bürger“ im Statut mit der Formulierung „und ihnen vom Unionsrecht gleichgestellten Personen“ ergänzt.

 

Regierungskommissar:

Auch die Beziehungen zum Staat entwickelten sich im Laufe der Konventsarbeiten zu einem Zankapfel. Dennoch gab es eine – so heißt es im Dokument – „weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Abschaffung des Regierungskommissars“. Dessen Kompetenzen sollen künftig dem Landeshauptmann zugeordnet werden. Der Konvent verweist in dem Zusammenhang auf die Erfahrungen der Autonomen Region Aostatal, wo der Regierungskommissar bereits abgeschafft wurde. Einzelne italienischsprachige Mitglieder haben sich dennoch für die Beibehaltung des Präfekten ausgesprochen.

 

Gerichte:

Konsens gab es im Konvent hinsichtlich der Abschaffung der Autonomen Sektionen der bereits im Land wirkenden Gerichte wie zum Beispiel des Regionalen Verwaltungsgerichts. Jede Gerichtsbehörde soll künftig „unabhängig von Trient“ sein.

 

Neue Kompetenzen:

Der Konvent spricht sich für die statutarische Verankerung einer Vielzahl von ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Landes aus. Diese reichen von der Raumordnung über die Postdienste bis hin zum Handel. Insgesamt sind 57 Kompetenzen aufgelistet, für die eine eigene Durchführungsbestimmung nur fakultativ wäre. In dem Zusammenhang stechen vor allem die Forderungen nach einer Landespolizei und einer eigenen Sozialfürsorge hervor. Einige Mitglieder forderten während der Debatte zum Thema Integration, dass auch die Kompetenzen für Einwanderung und Asyl ans Land übergehen sollen.

Eine verpflichtende Durchführungsbestimmung sieht der Konvent hingegen in den Bereichen Toponomastik, Landespolizei, Arbeitssicherheit, Kollektivvertragsverhandlungen, Justizverwaltung und Olympisches Landeskomitee.

In einem eigenen Kapitel wird auf die Finanz- und Steuerhoheit eingegangen. Das Land soll beispielsweise die Kompetenz im Bereich der Einführung eigener Steuern und von Steuern auch auf lokaler Ebene erhalten. Wie der Trentiner Konvent will auch das Südtiroler Pendant die Möglichkeit vorsehen, dass das Land staatliche Steuersätze abändern und Befreiungen vorsehen kann. Zudem soll das Land Schuldverschreibungen ausstellen können. Einige Mitglieder haben sich auch für die Steuereinhebung durch das Land ausgesprochen.

 

Minderheitenschutz:

Ausgerechnet beim heiklen Thema Minderheitenschutz zeichnete sich im Konvent eine ethnische Spaltung zwischen Deutschen und Italienern ab.

Der Konvent sprach sich am Ende mehrheitlich für die Beibehaltung des ethnischen Proporzes aus, wenngleich der Großteil der Italiener eine Lockerung dessen forderte.

Selbiges Bild beim Muttersprachenunterricht und bei der eventuellen Überarbeitung des Artikels. Nur eine Minderheit der Mitglieder – vorwiegend italienischsprachig – plädierten für eine mehrsprachige Schule.

Einigkeit gab es ausschließlich darin, die ladinische Sprachgruppe statutarisch aufzuwerten.

 

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