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„Ich schoss nicht Salut“

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Am Montag jährte sich Andreas Hofers Tod zum 208. Mal. Doch wer war der Sandwirt wirklich? Der Historiker Hans Heiss über einen Tiroler Helden und seinen liebgewonnenen Hausheiligen.

Tageszeitung: Herr Heiss, am vergangenen Sonntag wurde landesweit zum 208. Mal des Todes von Andreas Hofer gedacht. Feierten Sie mit?

Hans Heiss: Nein, eigentlich nicht. Als Historiker habe ich die öffentlichen Gedenkfeiern zwar wie auch schon in den vergangenen Jahren mit Interesse verfolgt. Ich nahm aber nicht aktiv an einer Veranstaltung oder legte zu Ehren Hofers einen Kranz nieder. Die Gedenkfeiern zum Todestag Hofers sind landesübliche Veranstaltungen und als solche Teil der Südtiroler Traditionskultur. Deshalb werde ich aber nicht auf dem Brixner Domplatz aufmarschieren und Hofer zu Ehren mit den Schützen Salut schießen.

Ist der Todestag Hofers überhaupt der richtige Anlass für landesweite Gedenkfeiern?

Andreas Hofers Todestag ist mit Sicherheit ein Schlüsseldatum in der Geschichte Tirols und Südtirols. Seit 150 Jahren ist Hofer eine historische Referenzfigur, die das Tiroler Opfergedächtnis wie keine andere verkörpert. Mit seinem Tod wird dem erlittenen Leid des Landes gedacht, wenngleich die Figur Hofer vielfach instrumentalisiert wurde. Von den Konservativen über die Nationalsozialisten bis hin zu den antifaschistischen Widerstandsbewegungen wurde die Figur Hofer gebraucht und auch missbraucht. Ihm wurde umfassend erinnert, wenngleich bei jedem eine andere Absicht dahintersteht. Hofer symbolisiert heute den Kampf der Tiroler um Eigenständigkeit, Selbstbefreiung und auch um Selbstbestimmung.

Wie würden Sie als Historiker die Figur Andreas Hofer beschreiben?

Das ist relativ einfach: Hofer ist eine Figur, die sich in der örtlichen Landesverteidigung des Passeiertals hervorgetan hat. Beim Tiroler Volksaufstand von 1809, also bei der innerösterreichischen Erhebung gegen die Bayern und Franzosen, ist ihm eine enorme Verantwortung aufgeladen worden. Hofer war von der Last überfordert. Durch die Einfachheit seiner Lebensführung und seinen Tod hat Hofer aber Ausstrahlung und Symbolkraft gewonnen. Mit seinem frühen Tod, er starb mit 43 Jahren, ist er gewissermaßen in den Märtyrerstatus aufgestiegen. Wenn er nicht 1810, sondern erst 1838 in hohem Alter gestorben wäre, würde man sich heute sicher anders an ihn erinnern. Er hätte weniger Wirkungskraft, wenn er nicht den Tod durch Erschießung erfahren hätte.

In welchem historischen Kontext lebte Hofer? Und welche Weltvorstellungen prallten beim Volksaufstand von 1809 aufeinander?

Hofer verkörpert die konservative Ideenwelt seiner Zeit. Seine Figur fühlt sich stark der frühen Neuzeit verpflichtet, also den für Tirol landesüblichen Werten der Krone und des Altars. Diesen Werten steht das System der Aufklärung und der rationalen staatlichen Verwaltung gegenüber, das die Bayern verkörpern. Bayern symbolisiert den aufklärerischen Staat und die moderne, antiklerikale Obrigkeit. Diese beiden gegensätzlichen Systeme prallen 1809 aufeinander.

Welche Rolle spielte die Kirche in diesem Konflikt?

Die Kirche spielte eine grundlegende Rolle. Ihre Lebensvorstellungen reichten damals weit über die Seelsorge in den Gemeinden und Dörfern hinaus. Die Kirche stand für ein klares Weltbild und für Normen, die das tägliche Leben der Bevölkerung bestimmten. Tirol fühlte sich von den bayrischen Reformen radikal herausgefordert und stemmte sich gegen die Entmachtung des Bischofs, das Verbot der christlichen Bräuche wie Prozession und Christmette sowie gegen die Gängelung der Priester und Pfarrer. Diese Reformen brachten die Kirche und die Tiroler auf die Palme. Der bayrische Staat wurde als gottlos abgestempelt.

Das Tirol des beginnenden 19. Jahrhunderts kämpfte für Positionen, die heute kaum vertretbar mehr wären. Wird die Figur Hofers zu sehr heroisiert?

Bei den Gedenkfeiern von 2009 wurde über die Geschichte Hofers viel diskutiert. Es ist also sehr wohl eine Aufarbeitung vorgenommen worden. Der Aufstand von 1809 ist zweifelsohne von großer historischer Bedeutung und Teil der Tiroler Identitätsbildung, zeitgleich wird aber auch die Rolle Hofers in dem Aufstand kritisch beleuchtet. Die Figur wurde ironisiert, etwa in den Karikaturen von Jochen Gasser, die mittlerweile tausendfach verkauft wurden. Heute gibt es einen entspannten und distanzierten Umgang mit der Person Hofers. Er ist gewiss nicht mehr unser Abgott. Bei der italienischen Sprachgruppe in Südtirol ist Hofer hingegen nie Teil der Erinnerungsbildung geworden.

Wird Hofer für politische Zwecke instrumentalisiert?

Seit 1909, also der ersten Gedenkfeier, wurde Hofer immer politisch instrumentalisiert, insbesondere 1959 beim Kampf für die Selbstbestimmung und 1994. Hofer war immer ein ständiger Wegbegleiter der Tiroler Geschichte und des öffentlichen Gedenkens, und als solcher wird er uns auch weiter erhalten bleiben. Für mich ist Andreas Hofer heute ein liebgewordener Hausheiliger.

Interview: Matthias Kofler

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