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Verkaufte Daten

01-online-arztAusgerechnet jene Firma, die Südtirols Sanitäts-Informatik auf Vordermann bringen sollte, wird an eine Trientner Gesellschaft verkauft. Zahlt das Land nun für ein System, das es gratis hätte haben können?

Von Anton Rainer

Es begann mit einem Versprechen. „Nur noch der Name wird gleich bleiben“, hatte Thomas Schael bei der Vorstellung der neuen „SAIM 2.0“ im Frühjahr verheißen – alles andere, so der Generaldirektor im Sanitätsbetrieb, werde sich von Grund auf ändern. Für die Image-Pflege gab es damals wie heute gute Gründe.

Die Vorgeschichte

2004 gegründet, sorgte die „Südtirol Alto Adige Informatik und Medizin“, kurz SAIM, in den letzten zwölf Jahren für kleinere und größere Skandale im Sanitätsbetrieb. Verpulverte Millionen, inkompatible Systeme und ein großer Haufen digitaler Wachstumsschmerzen bescherten dem Unternehmen den Ruf einer fröhlich vor sich hin wurschtelnden IT-Firma. Umso größer war die Verwunderung, als Landesrätin Martha Stocker im Jänner dieses Jahres eine Investition in die SAIM ankündigte. 7,5 Millionen Euro erhielt das Unternehmen u.A. für die Ausarbeitung der „elektronischen Patientenakte“ – bis heute eines der Sorgenkinder im Betrieb. Erklären wollte Thomas Schael die laut Eigenaussage „Verwunderung hervorrufende“ Entscheidung mit oben erwähntem Versprechen: Vom Verwaltungsrat abwärts solle alles neu werden in der SAIM – und sogar der Name erhielt ein schickes „2.0“ am Ende. Einem neuen Unternehmen dürfe man die Fehler der Vergangenheit nicht ewig vorhalten, so die Botschaft des Generaldirektors. Das Problem: Hin und wieder werden auf neu getrimmte Unternehmen von alten Sorgen eingeholt.

Der Verkauf

Offiziell gehört die SAIM drei Eigentümern. Neben einem Kleinaktionär („Datef“ mit einer Beteiligung von 2,5 Prozent) bestimmen vor allem zwei Player die Zukunft des Unternehmens: Mit 51 Prozent stellt der Sanitätsbetrieb die Gesellschafter-Mehrheit, 46,5 Prozent gehören hingegen der privaten EDV-Firma „Insiel Mercato AG.“ Ein „Public Private Partnership“, an dem das Unternehmen in den vergangenen Jahren kräftig mitverdiente. Gereicht hat es trotzdem nicht: Seit vergangenem Frühjahr kämpft „Insiel Mercato“ mit massiven betrieblichen Schwierigkeiten. 22 von 240 Mitarbeitern wurden Ende Februar gefeuert, ein Drittel schickte man in die Lohnausgleichskasse. Offensichtlich wurde die kranke Firma nun von ihrem Leiden erlöst: Nach Informationen der TAGESZEITUNG wurden Verkaufsgespräche um die SAIM-Gesellschafterin in den letzten Wochen konkret. „Geredet wird schon lange“, bestätigt auch Landesrätin Martha Stocker, „aber soweit ich weiß, ist es noch kein fixer Tatbestand.“ Bleibt die Frage: Wer sind die Käufer?

Die Käufer

köllensperger

Paul Köllensperger

Was in Südtirol bis heute nicht richtig funktioniert, löste der Trientner Sanitätsbetrieb schon vor Jahren. Das sogenannte „TreC“-System erlaubt Ärzten, Mitarbeitern und einfachen Bürgern über einen PC den Zugang zu elektronischer Gesundheitsakte, Online-Vormerkungen und vielem mehr. Gebastelt hat das bemerkenswerte IT-System die Trientner Firma „GPI“, Südtirol hätte es gemäß eines Abkommens „gratis“ übernehmen können. Von Thomas Schael geladene Experten sprachen sich zu Jahresanfang medienwirksam dagegen aus – und segneten einen 7,5-Millionen-Deal für die SAIM (und damit auch die „Insiel Mercato“) ab. Mit ein Hauptgrund: Man wolle sich als „Wiederverwender“ nicht von einem Entwickler abhängig machen.

Doch nun tritt ausgerechnet „GPI“ erneut auf – als voraussichtlicher Käufer von „Insiel Mercato“. „Sollte sich die Übernahme bestätigen, kann man davon ausgehen, dass GPI die Insiel Plattform durch die eigene ersetzen wird“, befürchtet der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger, „jene also, die wir kostenlos erhalten hätten.“

Die Folgen

Bewahrheitet sich die Sorge, die der Grillino während der heutigen Fragestunde im Landtag äußern will, zahlt das Land künftig für ein System, das vor einem Jahr noch gratis gewesen wäre. Gekauft, so vermuten Experten, wird im IT-Sektor hauptsächlich wegen der Übernahme von Kunden, an den halbfertigen, vom Sanitätsbetrieb in Auftrag gegebenen Software-Lösungen von „Insiel Mercato“ dürfte „GPI“ also wenig Interesse haben. „Eine absurde Situation“, meint Köllensperger, „Künftig könnte jene Firma für uns arbeiten, deren Software wir im Jänner noch abgelehnt haben.“ Oder aber man wechselt ein weiteres Mal den Anbieter und beginnt wieder bei Null. Dann allerdings hätte sich wirklich alles „von Grund auf“ geändert. Bei der SAIM wollte man sich auf Nachfrage nicht zu der Übernahme äußern.

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