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Bunte Gesellschaft

imageDie Bevölkerungsstatistik geht davon aus, dass im Jahr 2030 etwa 140.000 Menschen über 65 Jahre in Südtirol leben werden.

Laut dem Landesinstitut für Statistik (ASTAT) ist in den vergangenen vier Jahrzehnten die Anzahl älterer Menschen von rund 43.500 im Jahr 1975 auf 100.000 im Jahr 2015 angewachsen, Tendenz steigend.

Die Bevölkerungsstatistik geht davon aus, dass im Jahr 2030 etwa 140.000 Menschen über 65 Jahre in Südtirol leben werden.

Mit den Folgen dieses demographischen Wandels auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung haben sich die rund 120 Teilnehmer der Tagung des Landesressorts Gesundheit, Sport, Soziales, Arbeit und Chancengleichheit zum Thema „Der demographische Wandel – und ich mittendrin!“ im Haus der Familie am Ritten beschäftigt.

Demographischer Wandel: Antworten auf zahlreiche Fragen gesucht

Haben wir auch in Zukunft genügend Arbeitskräfte? Wie lange müssen wir arbeiten? Wer pflegt die steigende Anzahl an älteren Menschen? Wie verteilen wir Erziehung und Pflege gerecht zwischen Frauen und Männern? Wie können wir unsere Gesundheit stärken? Wie verändert sich das Arbeitsumfeld durch das Nebeneinander von Jung und Alt? Brauchen wir Migration? Wie bewahren wir unsere Selbständigkeit bis ins hohe Alter? Wie organisieren wir Institutionen und Gemeinwesen zur Bewältigung dieser Herausforderungen? Dies sind nur einige Fragen, auf denen die Referenten der Tagung Rainer Münz (Berater für Fragen in der Demographie, Migration und Integration in der EU-Kommission in Brüssel), Giulia Cavrini (Professorin für Sozialstatistik an der Freien Universität Bozen), Federica Viganò (Dozentin für angewandete Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Bozen) und Walter Lorenz (Rektor der Freien Universität Bozen) aus dem internationalen, europäischen und regionalen Blickwinkel mögliche Antworten zu geben versuchten.

„Alle reden über Demographie, im Grunde aber immer bruchstückhaft“, führte die Landesrätin für Gesundheit, Sport, Soziales und Arbeit Martha Stocker in die Tagung ein und erinnerte an den Beschlussantrag des Südtiroler Landtags, das Thema umfassender zu behandeln. „Gerade in meinem Ressort begleitet uns der demographische Wandel immer wieder, nicht nur in der Reform des Südtiroler Gesundheitssystems“, schilderte die Landesrätin etwa die Veränderungen im Bereich Arbeit. 

„Der jüngeren Generation sind Arbeit und Karriere zwar wichtig, daneben ist aber vieles wichtiger geworden: Freizeit leben und erleben, Familie leben und erleben„, so Landesrätin Stocker.

Das Thema gehe jedoch weiter über das Ressort Gesundheit, Sport, Soziales, Arbeit und Chancengleichheit hinaus, sprach die Landesrätin kurz die Bereiche Bildung, Wirtschaft und Kultur an. Im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino wird das Thema in den nächsten Monaten noch vertieft werden, kündigte Stocker an.

„Unsere Gesellschaft ergraut und wird bunter“

„Vier große Trends bestimmen die Bevölkerungsentwicklung in der Welt, in Europa und in der Region: die wachsende Bevölkerung, die steigende Lebenserwartung, die sinkenden und anhaltend niedrigen Kinderzahlen und die zunehmende Mobilität durch Migration, Flucht und Vertreibung“, unterstrich der Berater für Fragen in der Demographie, Migration und Integration Münz. Dadurch sind es in erster Linie zwei Gruppen, die innerhalb der Gesellschaft in Zukunft wachsen werden: die älteren sowie die zugewanderten Menschen und deren Kinder.

„Unsere Gesellschaft ergraut und wird aber zugleich bunter“, so Münz. Dies habe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, das soziale Sicherungssystem, die Gesundheitsversorgung und den Pflegebereich. Gleichzeitig würden die Herausforderungen im Bereich Integration wachsen. Die heutigen Strukturen, betreuungs- und Versorgungssysteme müssten sich den veränderten Anforderungen der Gesellschaft anpassen, neue Modelle politische Akzeptanz finden.

Der demographische Wandel in Südtirol und in der Euregio

Die Professorin für Sozialstatistik Cavrini und die Dozentin für Wirtschaftswissenschaften Viganò gingen in ihrem Referat auf die demographische Entwicklung in der Euregio und in Südtirol ein. Cavrini zeigte dabei die Entwicklung in der Familienzusammensetzung von 3,6 Mitgliedern im Jahr 1971 auf 2,4 Personen im Jahr 2011, die gesunkene Geburtenrate, die steigende Quote von Einfamilienhaushalten, die veränderte Alterspyramide, aber vor allem auch die höhere Lebenserwartung durch einen verbesserten Gesundheitszustand der Bevölkerung auf.

Viganò konzentrierte sich hingegen auf die mit dem demographischen Wandel zusammenhängenden Veränderungen im Bereich der Wohlfahrt. Dabei legte die Referentin ein besonderes Augenmerk auf die finanziellen Ressourcen in diesem Bereich und auf Diskussionen um eine Neuausrichtung im Zusammenspiel zwischen verschiedenen öffentlichen, privaten und sozialgenossenschaftlichen Akteuren sowie der Eigeninitiativen der Bürger.

Die Auswirkungen der digitalen Revolution

„Die Maschinen brachten drei fundamentale Neuerungen in die traditionellen Gesellschaften: die Idee der Machbarkeit bzw. der Kontrolle des Menschen über sein Leben und Wirken in der Welt, die Idee der wirtschaftlichen Ausnutzung der Technik bzw. die Entwicklung des modernen Kapitalismus und – in der Folge – die Veränderung menschlicher Beziehungen“, erklärte Rektor Lorenz in seinem Referat, bei dem er insbesondere die Rolle der Technik einbrachte. „Familien- und Dorfgemeinschaften verlieren ihren vormaligen Charakter und müssen neu gestaltet werden“, so Lorenz.

Prägende Elemente dieser Entwicklung seien der Drang nach Freiheit und nach individueller Gestaltung des Lebens, aber auch die stärkere Abhängigkeit durch eine weltweite Vernetzung und der damit verbundene Verlust der Selbstständigkeit auf lokaler Ebene. In der Geschichte sei diese Entwicklung der modernen Gesellschaft mit erheblichen demographischen Veränderungen verbunden gewesen, wie die Abwanderung in Ballungszentren und Migrationströme in andere Kontinente, und auch „heute stellt die digitale Revolution die Gesellschaft vor dieselben Probleme“, so Lorenz.

 

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