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Der Flüchtlings-Krimi

fluchtlingeEine Maßnahme des Einwanderungsamtes des Bozner Quästur sorgt für Diskussionen: Am 30. September wurden zwei minderjährige somalische Flüchtlinge einem 18-jährigen Gambier übergeben. Warum so rasch?

Von Thomas Vikoler

Wer von Somalia nach Gambia fahren oder fliegen will, muss den afrikanischen Kontinent in seiner gesamten Breite durchqueren. Somalia liegt nördlich des Äquators auf der Ost-Spitze Afrika, Gambia, das südlich des Senegal liegt, befindet sich an der äußersten Westküste des Kontinents.

Die Distanz zwischen beiden Staaten: Rund 9.000 Kilometer.

Rein geographisch verbindet die beiden 17-jährigen Somalier, welche das Einwanderungsamt am 30. September einem 18-jährigen Mann aus Gambia anvertraut hat, so gut wie gar nichts. Außer dass alle drei aus Afrika stammen und Flüchtlinge sind.

Gemäß der Zuweisungsverfügung, die der TAGESZEITUNG vorliegt, waren die beiden 17-Jährigen von Beamten der Quästur am selben Tag im Bozner Bahnhofspark aufgegriffen worden. Die somalischen Jugendlichen waren unbegleitet in Bozen gestrandet. Wann sie in Italien angekommen waren, konnten die Beamten nicht in Erfahrung bringen.

Wenige Stunden später, um 15.30 Uhr, wurden die beiden Flüchtlinge, nachdem sie fotografiert und ihre Personalien aufgenommen worden waren, einem Mann aus Gambia übergeben. Ein seit wenigen Monaten Volljähriger, der von der Bozner Quästur aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung für zwei Jahre erhalten hat.

Die Anvertrauung der beiden Jugendlichen erfolgte, wie aus der Verfügung der Quästur hervorgeht, mit Wissen von Donatella Fava, der leitenden Staatsanwältin am Bozner Jugendgericht.

Warum wurden die beiden Minderjährigen derart rasch einer Person überantwortet, die weder aus ihrem Familienumfeld noch aus ihrem Herkunftsland stammt?

Staatsanwältin Fava war gestern für eine Stellungnahme zu diesem Fall erreichbar. Sie hatte vor einigen Tagen aber öffentlich Alarm geschlagen: Die Behörden seien nicht mehr in der Lage, die minderjährigen Flüchtlinge aufzunehmen. Für diese Gruppe stünden derzeit rund 20 Schlafplätze bereit, mehr könnten nicht untergebracht werden, klagte Fava.

Dennoch überrascht, wie unkompliziert die beiden 17-Jährigen aus Somalia einer quasi wildfremden Person übergeben wurden. In der Zuweisungsverfügung steht, dass die Polizei sich um ihre Unterbringung in einer öffentlichen Flüchtlingsunterkunft bemüht habe. „Ohne positive Antworten“, wie im Protokoll vermerkt ist. Zwischen dem Auffinden der Jugendlichen und ihrer Übergabe an den Mann aus Gambia vergingen, wie gesagt, wenige Stunden.

Über eine etwaige Eignung des Mannes aus Gambia, sich der beiden Minderjährigen anzunehmen, steht im Protokoll hingegen nichts. Auch nichts von einer Überprüfung, ob es sich bei dem 18-Jährigen nicht um einen Schlepper handeln könnte.

Der Fall steht in gewisser Weise im Zusammenhang mit dem umstrittenen Rundschreiben von Sozial-Abteilungsdirektor Luca Critelli von Ende September. Mit diesem war die Aufnahme von sogenannten „fuori quota“-Flüchtlingen (jene, außerhalb des staatlichen Kontingents nach Südtirol gelangt sind) in öffentlichen Einrichtungen erschwert worden. Minderjährige über 14 Jahren ohne familiäre Begleitung wurde damit der Kategorie der „Nicht-Verletzbaren“ zugeschlagen.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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