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Das psychische Wrack

max luis leitner dok gerichtDer psychische Zustand von Max Leitner hat sich in den vergangenen Wochen weiter verschlechtert. Wird der Ausbrecherkönig im September in den Hausarrest entlassen?

von Artur Oberhofer

Als Luis Leitner seinen Bruder Max am Pfingstmontag dieses Jahres in der Justizvollzugsanstalt in der Via del Gomito 2 in Bologna besuchte, war er geschockt: „Meinem Bruder geht es psychisch sehr schlecht.“

Der Ausbrecherkönig habe während des zweistündigen Besuchs immer wieder „geweint wie ein kleines Kind“.

Und , so erzählt Luis Leitner: Sein Bruder sei ihm „sehr verwirrt“ vorgekommen.
Nun hofft die Familie des Ausbrecherkönigs aus Elvas, dass Max Leitner, der mit einigen Unterbrechungen seit mehr als 26 Jahren hinter schwedischen Gardinen sitzt, endlich freikommt. Zumindest in den Hausarrest. Am 22. September entscheidet ein Überwachungsgericht in Bologna über das weitere Schicksal Max Leitners.

Derweil scheint sicher: Die lange Haft hat bei dem inzwischen 58-Jährigen Spuren hinterlassen. Max Leitner ist psychisch krank.

Der Tageszeitung liegt exklusiv eine Verordnung des Überwachungsgerichts von Bologna (Aktenzeichen Nr, 2015/3523) vor. In diesem Dokument heißt es, dass der Ausbrecherkönig haftunfähig sei.
Der Hintergrund: Max Leitners Anwalt hat bereits zu Jahresbeginn einen formellen Antrag auf Hafterleichterungen (Hausarrest oder Halbfreiheit) gestellt. Max Leitner hätte seine Gesamtstrafe in etwas mehr als drei Jahren, am 7. Juni 2019 abgebüßt.

Ein Richtersenat des Bologneser Überwachungsgerichts unter Vorsitz von Richterin Manuela Mirandola hat am 14. April dieses Jahres den Antrag des Ausbrecherkönigs geprüft. In der Verfügung stellen die Richter fest, dass Max Leitner unter Bluthochdruck sowie an Morbus Dupuytren (eine Bindegewebserkrankung an der rechten Hand) leidet. Der Ausbrecherkönig ist außerdem herzkrank, leidet an der hypertensiven Herzkrankheit. Im Jänner 2014 sei Max Leitner „zur Beobachtung“ in das gerichtspsychiatrische Gefängnis von Reggio Emilia überstellt worden. Dort, so heißt es in dem Dokument, sei bei Max Leitner eine „mittlere bis schwere paranoide Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert worden.

Die zur Zeit „akuteste und schwerwiegendste Pathologie“ sei die psychiatrische, heißt es in der richterlichen Verfügung.

Max Leitner habe erklärt, in seiner Zelle sei „ein elektronisches System mit Röntgen- und Infrarotstrahlen installiert und aktiviert worden, das mit einer Kommandozentrale verbunden sei, die bei ihm Elektroschocks auslöst“.

Max Leitner habe angegeben, dass dieses „System“, das ihn attackiere, verschiedene Sprache spreche – auch seinen Südtiroler Dialekt.

Auf die Frage der Richter, ob er sich einer gezielten pharmakologischen Therapie unterziehen wolle, habe Max Leitner erklärt: „Es gibt keine wirksame Therapie gegen dieses ,System’.“
Max Leitner hat folglich schwerwiegende psychische Probleme.
Sein Bruder Luis kritisiert die Justiz: „Die jahrzehntelange Haft hat Spuren hinterlassen, man hat meinen Bruder brechen wollen, weil er die Justizverwaltung mit seinen Gefängnisausbrüchen lächerlich gemacht hat, jetzt ist es offenbar so weit – mein Bruder wird wohl sterben.“

Wie ernst die Situation ist, belegt ein Passus in der Verfügung des Überwachungsgerichts, in dem es klar und deutlich heißt, dass der Gesundheitszustand Max Leitners mit einem weiteren Gefängnisaufenthalt nicht kompatibel sei. Im Dokument wird der Begriff „inhuman“ gewählt.

Wörtlich heißt es in der Verfügung von Richterin Manuela Mirandola:

„Dieses Gericht ist der Ansicht, dass ein weiterer Gefängnisaufenthalt aufgrund des derzeitigen psychischen Zustandes des Verurteilten, der unter einer starken Persönlichkeitsstörung mit Verfolgungswahn leidet (…), als inhuman anzusehen wäre.“

Das Gericht vermerkt, dass die Familie des Inhaftieren sich bereiterklärt habe, Max Leitner in der Wohnung der Mutter in Elvas aufzunehmen, doch ist das Überwachungsgericht der Ansicht, dass Max Leitner im Falle einer Überstellung in den Hausarrest vom Dienst für psychische Gesundheit in Brixen begleitet werden sollte.

Zu diesem Zweck hat das Gericht nun – nach Informationen der
Tageszeitung – ein Gutachten bei der Strafvollzugsbehörde (U.E.P.E.) in Bozen angefordert.
Sollte das Gutachten positiv ausfallen, könnte Max Leitner bereits nach der nächsten Verhandlung das Gefängnis verlassen.

Diese Verhandlung findet am 22. September statt.

Das bislang letzte Schreiben kam via Fax aus dem Gefängnis in der Via del Gomito 2 in Bologna. Ihm werde nun verwehrt, Briefe in deutscher Sprache zu verfassen, schreibt Max Leitner in dem Fax vom 12. August. Max Leitner schreibt, er werde im Gefängnis „mit einem elektronischen System gefoltert“. Er bittet, dass Ex-Oberstaatsanwalt Cuno Tarfusser ihn besuchen kommt. Auch, so schreibt er, sei er ohne Geld.

Wenige Wochen zuvor hatte Max Leitner einen langen Brief an die Tageszeitung geschickt. Er schreibt, er befinde sich in einer „unbeschreiblichen Notsituation“. Was dann folgt, klingt wirr: Er leide vermutlich unter einen „unheilbaren Krankheit“, mit der er angesteckt worden sei, als man ihn „gewaltsam niedergespritzt“ habe.
Weiters schreibt der Ausbrecherkönig: „Ich werde unter Strom in einer elektronischen Zelle ferngesteuert und furchtbar gefoltert.“

Vor dem Hintergrund dieser schriftlichen Zeugnisse ist nicht verwunderlich, dass die Bologneser Haftrichterin festgestellt hat, dass Max Leitner haftunfähig ist. Die Frage bleibt: Warum lässt die Justiz den offenbar psychisch sehr angeschlagenen Häftling so lange schmoren?

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