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„Das wäre unvernünftig“

dorfmann und autobahnHerbert Dorfmann, EU-Parlamentarier und SVP-Bezirksobmann des Eisacktales, ist gegen ein dynamisches Tempolimit auf der Brennerautobahn. Es gebe sinnvollere Maßnahmen, die Stickoxid-Belastung in den Griff zu kriegen.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, Sie stehen dem Projekt „dynamisches Tempolimit“ auf der Brennerautobahn kritisch gegenüber. Warum?

Herbert Dorfmann: Ich bin kritisch, was das Eisacktal anbelangt. Die Situation im Unterland ist eine andere. Dort gibt es ein Tempolimit von 130, weshalb eine Senkung auf 100 effektiv eine Verbesserung der Luftqualität bewirken würde. Von Brenner bis Bozen gibt es hingegen ein Limit von 110. Da halte ich es schlichtweg für unvernünftig, auf 90 runterzugehen. Das Problem im Eisacktal ist, dass die 110 von vielen Autofahrern nicht eingehalten werden. Ich nutze die Autobahn relativ oft, und wenn ich 110 fahre, werde ich von vielen überholt. Deshalb sollten im Abschnitt Brenner-Bozen Maßnahmen getroffen werden, damit die 110 eingehalten werden.

Das heißt bessere Kontrollen?

Ja, bessere, effizientere Kontrollen. Dass ein geringeres Tempolimit in Sachen Luftemissionen von Vorteil ist, wird niemand bestreiten. Aber wenn man das Limit im Raum Brixen für einige Kilometer runtersetzt, wird das die Luftqualität im Eisacktal nicht verändern. Vielmehr muss man nördlich von Bozen aufpassen, dass es zu keiner Verlagerung auf die Staatsstraße kommt.

Inwiefern?

In Brixen etwa fahren viele nicht durch die Stadt, um ins Pustertal zu kommen, sondern fahren in Brixen Süd auf die Autobahn und in Brixen Nord wieder herunter. Wenn man auf dieser Strecke nur mehr 80 oder 90 fahren darf, wird das selbstverständlich niemand mehr tun. Man sollte jede Maßnahme unterlassen, die auch nur potenziell einen Umwegverkehr über die Staatsstraße verursacht. Denn sonst riskieren wir eine noch größere Belastung der Luftqualität. Der Ausstoß von Stickstoffoxiden ist zum Teil über die Geschwindigkeit in Griff zu kriegen, zum allergrößten Teil aber durch Motorentechnologie. Ein Euro-6-Pkw, der 150 fährt, stoßt weniger aus, als ein Euro-3-Pkw, der 100 fährt.

Die Eurovignette als Lösung?

Eine Eurovignette oder eine unterschiedliche Besteuerung wären durchaus angebracht. Man kann niemanden zwingen, ein neues Auto zu kaufen, aber wir sollten trotzdem schauen, so viel neue Motoren als möglich auf der Straße zu haben. Ich lebe in Feldthurns, wo es eine Messstelle gibt und deren Daten ich mir öfters anschaue. Die Werte nehmen leicht ab, was durch die modernen Motoren verursacht wird.

Sie sagten vorhin, es brauche effizientere Geschwindigkeitskontrollen. Sie meinen automatische Kontrollen?

Das müssen die zuständigen Personen entscheiden. In Nordtirol jedenfalls sind die Kontrollen effizienter. Dort werde ich bei Tempo 100 von kaum jemandem überholt. Das soll keine Kritik an unserer Polizei sein – mir ist bewusst, dass es für die Ordnungskräfte schwierig ist, wenn Kontrollen aufgrund der italienischen Gesetzgebung angekündigt werden müssen.

Wegen dem sektoralen Fahrverbot in Nordtirol, das ab November gelten soll, hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zurecht?

Das ist wieder ein anderes Kapitel. Das sektorale Fahrverbot betrifft ja den Güterverkehr. Ich habe immer gesagt, wenn man eine neue Zugstrecke baut, wird es Maßnahmen zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene brauchen. Diese Maßnahmen müssen aber für alle gleich gelten. Mit der Tiroler Lösung werden derzeit eindeutig die einheimischen Frächter bevorzugt. Das ist nicht in Ordnung. Ich bin nicht gegen die Verlagerung – diese ist längerfristig notwendig –, aber die Nordtiroler sollten die Courage haben, die Regelung für alle gleich zu machen und nicht den eigenen Frächtern sagen, sie könnten tun, was sie wollen. Das entspricht nicht dem europäischen Geist.

Das heißt, die Tiroler können nicht mit Ihrer Unterstützung im Streit mit der EU rechnen?

Nein, denn das sektorale Fahrverbot sollte – wenn schon – für jeden gleich gelten. Ich täte mir wünschen, dass man in Sachen Verkehrspolitik – vor allem beim Gütertransport – nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse schaut, sondern auf die ganze Brennerachse von Verona bis München. Wir haben derzeit null gemeinsame Strategie. Wenn wir den BBT und die neue Brennerbahn irgendwann haben, werden wir jedenfalls gesetzliche Regelungen machen müssen, um eine Verlagerung auf die Schiene zu erzwingen. Sonst haben wir vergeblich 15 Milliarden Euro investiert.

Interview: Heinrich Schwarz

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