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Billige Milch

Milch

In Osttirol bekommen die Bauern viel weniger für ihre Milch als die Südtiroler Kollegen. Warum sie ihre Milch trotzdem nicht ins benachbarte Pustertal liefern können.

von Silke Hinterwaldner

„Wir bezahlen Eintritt, um in den Stall gehen zu können“, sagt Peter Leiter, „denn: Gerechte Preise in der Landwirtschaft gibt es derzeit leider nicht.“ Er betreibt eine kleine Landwirtschaft zu Hause bei ihm in Sillian, gleich hinter der Grenze zu Südtirol und ist gleichzeitig der Obmann des Bauernbundes im Ort.

Viktor Peintner

Viktor Peintner

Dabei muss gesagt werden: Die Milchbauern in Osttirol haben das weit schwerere Los gezogen als ihre Kollegen in Südtirol. Obwohl sich die Kühe auf der Wiese nur wenige Meter entfernt weiden, ist die Staatsgrenze zwischen Sillian und Winnebach entscheidend dafür, wie viel pro Liter Milch ausbezahlt wird. Tirolmilch zahlt den Bauern derzeit nicht mehr als 27,5 netto Cent pro Liter. Noch vor zwei Jahren lag der Preis um 15 Cent höher.

In Südtirol hingegen scheint sich ein recht stabiler Milchpreis – noch – halten zu können. Hier bekommen die Bauern rund 50 Cent. Verglichen mit allen anderen Regionen in Europa ist das erstaunlich viel. Aber woran liegt das?

„Wir haben hier bei uns“, sagt Viktor Peintner, „ein einmaliges Genossenschaftssystem. Die Milch wird nicht nur von einer Stelle gesammelt, sondern gleichzeitig verarbeitet und vermarktet. Deshalb ist der Preis besser.“ Peintner ist selbst Bauer in Taisten und Obmann des Bauernbundes im Pustertal. Er lässt keinen Zweifel daran, dass man so gut als möglich darauf schauen sollte, dass dies auch in Zukunft möglich sein muss. Deshalb erteilt er den Osttiroler Bauern auch eine klare Absage: „Wir müssen darauf schauen, dass unsere Milch gut verarbeitet wird. Momentan gibt es hier bei uns genügend Milch, deshalb besteht wohl kein Interesse daran, Milch aus Osttirol zuzukaufen.“

Martin Mayerl

Martin Mayerl

Hinter der Grenze sieht man das freilich anders. Bereits mehrmals haben die Milchbauern aus Osttirol neidisch zu ihren Südtiroler Kollegen herübergeblickt. Es gab auch schon Gespräche darüber, ob es denn möglich sei an Südtiroler Milchhöfe, nach Toblach, Sexten oder Bruneck zu liefern.

„Aber“, sagt Martin Mayerl gleich vorweg, „derzeit besteht kein Interesse von Südtiroler Seite. Leider.“ Mayerl ist Abgeordneter im Landtag und Obmann des Bauernbundes in Osttirol, deshalb verfolgt er die Diskussionen sehr genau. Aber auch für ihn ist eines ganz klar: „Es gibt zu viel Milch am Markt. Wenn wir die Menge nicht senken können, wird der Preis bestimmt nicht besser.“ Dieses Problem hat auch Südtirol: Die Milchhöfe haben ihre Mitglieder bereits dazu aufgerufen, weniger Milch zu produzieren, vor allem in den Wintermonaten übersteige die Menge den Bedarf. So etwas schlägt sich immer auch auf den Preis nieder.

Aber warum liefern trotzdem Nordtiroler Milchbauern an den Milchhof Sterzing? Warum zahlt sich das aus? Sterzing produziert sehr viel Joghurt – und verzichtet auf das Gütesiegel der Region. Nur so ist es überhaupt möglich, dass Milch von außerhalb zugekauft werden kann.

Joachim Reinalter

Joachim Reinalter

Auch Joachim Reinalter, Obmann der Senni, hat schon des Öfteren gehört, dass die Osttiroler Milchbauern nach Südtirol liebäugeln. Auch für ihn ist dies der falsche Ansatz. Er plädiert vielmehr für die lokale Bindung zum Kunden. Reinalter: „Es ist für den Kunden nicht nachvollziehbar, wenn Milch angekauft würde. Unsere Marke muss authentisch bleiben.“ Südtiroler kaufen auch deshalb Milch aus Südtirol, weil sie sich emotional verbunden fühlen mit ihren Bergbauern. So sind sie auch bereit, einen etwas höheren Preis zu bezahlen.

Allerdings weiß er, dass die Krise am internationalen Milchmarkt irgendwann auch in Südtirol zum Problem werden könnte. Deshalb vertritt Reinalter weiter das Credo: „Wir hoffen, dass die Überproduktion eingeschränkt wird.“ Andererseits aber darf das nicht dazu führen, dass gerade die kleinen Milchbauern aufgeben, selbst wenn sich die Produktion von Milch nicht mehr wirklich bezahlt macht. Eines ist klar: Wenn die Milchkrise zu lange andauert, wird es auch für die Bauern in Südtirol eng.

Peter Leiter, der Kleinbauer aus Sillian, will seine Kühe trotz der Milchpreise im Sinkflug nicht verkaufen. Nur wer in der kleinen Landwirtschaft ein schönes Hobby sieht, kann heutzutage abends zufrieden ins Bett gehen.

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