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Gesunde Watschn

Gesunde Watschn

Muss eine Lehrperson einschreiten, wenn eine Schülerin von ihrer Mutter mit Schlägen bedroht wird? Ein Fall aus einer Südtiroler Mittelschule.

von Heinrich Schwazer

Die Geschichte spielt auf dem Hof einer Südtiroler Mittelschule. Es ist Schulende, die Kinder strömen mit den Zeugnissen in der Hand aus dem Gebäude auf den Hof, wo sie von ihren Eltern erwartet werden. Zeugnisverteilung ist immer ein aufregender Moment – im Guten wie im Schlechten. Für eine Schülerin ist es kein aufregender, sondern ein angsterfüllter Moment.

Das Mädchen – zum Schutz des Mädchens werden hier weder Namen noch Orte genannt – wird von ihrer Mutter erwartet, lautstark beschimpft und bedroht. So laut, dass mindestens zwei umstehende Personen den Wortlaut exakt verstehen und wiedergeben können. „In diesem Fach nur eine Sechs, das gibt zuhause Schläge“, sagt die Mutter.

Die das mithören, sind eine Frau, ein Vater, der ebenso sein Kind von der Schule abholte und eine Lehrperson. Der Mann ist nicht still, sondern stellt die schimpfende Mutter zur Rede: „Was redest du denn so mit deinem Kind?“ Weder Mutter noch Tochter reagieren, sondern gehen einfach davon.

Eine alltägliche Situation, möchte man meinen. Nicht ganz. Unter den Mitschülern des mit Prügel bedrohten Mädchens ist bekannt, dass sie zuhause öfters Schläge bekommt. Man erzählt sich, so der Vater, „wenn die Mutter nicht zu fest zuschlägt, ist das Mädchen schon froh.“

Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Der Vater und die Frau, die die Szene miterlebt haben, gehen ins Schulgebäude, um die Lehrperson zu suchen, die die Drohung mit eigenen Ohren gehört hat. Die streitet zunächst ab, überhaupt etwas gehört oder gesehen zu haben, muss es aber schließlich doch zugeben. Wäre es nicht wichtig und richtig, einzuschreiten, wenn eine ihrer Schülerinnen mit Schlägen bedroht wird, fragt der Vater die Lehrperson? Die beiden bekommen eine unwirsche Antwort nach dem Motto: Was mischt ihr euch da überhaupt ein?

„Ich mische mich bei solchen Geschichten ein“, sagt der Vater, „und ich denke, es wäre wichtig, wenn eine Lehrperson das auch tun würde. Lehrer sollen den Kindern Zivilcourage beibringen, aber wenn sie selbst gefordert sind, ziehen sie sich zurück.“

Was hätte die Lehrperson tun sollen? „Mir ist klar, dass dies eine heikle und für eine Schule unangenehme Geschichte ist,“ sagt der Vater, „weil man nichts Genaues über die häuslichen Verhältnisse des Mädchens weiß. Aber wenn ein Kind so offen bedroht wird, ist es doch die Pflicht eines Pädagogen, sofort einzuschreiten.“

Die betreffende Lehrperson hat sich lieber an das Drei-Affen-Motto gehalten: Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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