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Warum Frauen weniger verdienen

Frau QuoteFrauen verdienen in Südtirol 17,2 Prozent weniger als Männer. Die Ursachen sind vielseitig – und zudem miteinander verbunden.

„Obwohl der Bildungsgrad der Frauen durchschnittlich gleich oder höher als jener der Männer ist, erhalten ihre Kompetenzen nicht immer dieselbe Anerkennung. Zudem müssen Frauen länger um ihre Karriere kämpfen, machen weniger Überstunden und bekleiden auch seltener verantwortungsvolle Posten“, erklärt die Vizedirektorin des Arbeitsförderungsinstitutes (AFI), Silvia Vogliotti.

„Frauen unterbrechen oft ihre Berufslaufbahn, um Familie und Arbeit vereinbaren zu können und steigen dabei auch vielfach für längere Zeiträume aus dem Arbeitsmarkt aus. Die Folge ist, dass Frauen halb so viel Rente wie Männer beziehen.“

Anlässlich des Equal Pay Day 2016 möchte das AFI wieder das Problem des „Gender Pay Gap“ in den Vordergrund rücken. Statistisch gesehen wird er als Differenz zwischen dem Bruttostundenlohn von Männern und Frauen als Prozentsatz am männlichen Lohn berechnet. In Südtirol beträgt das durchschnittliche Lohndifferential (nur auf Vollzeitbeschäftigte bezogen)
-17,2 Prozent auf den Tageslohn bzw. -27 Prozent auf den Jahreslohn bezogen (Quelle: ASTAT/Daten NISF).

Es ist auch kein Zufall, dass der Equal Pay Day in Südtirol seit Jahren auf den April fällt: Eine Frau muss nämlich bis April arbeiten, um denselben Lohn zu erwirtschaften, den ein Mann bis zum 31. Dezember des Vorjahres eingefahren hat. Hier stellt sich aber eine berechtigte Frage: Wie kann es sein, dass Frauen weniger verdienen, wenn es in Italien doch verboten ist, zwei Personen, die dieselbe Arbeit ausführen, unterschiedlich zu entlohnen? An sich gibt es nur wenige Fälle von eindeutiger Lohndiskriminierung, die auch laut Gesetz bestraft werden. Der Gender Pay Gap ergibt sich allerdings meistens aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren.

Ein Phänomen, viele Ursachen

Das Lohndifferential ist laut AFI auf eine Reihe von komplexen und miteinander verbundenen Faktoren zurückzuführen. In erster Linie ist der Gap durch eine allgemeine Unterschätzung der Kompetenzen bedingt, die als „typisch weiblich“ und nicht als Professionalität anerkannt werden: So verdient eine Krankenpflegerin weniger als ein ärztlicher Helfer, obwohl sie dieselbe Qualifikation aufweist. Häufig werden zudem körperlich belastende Arbeiten (die in der Regel männlich sind) im Vergleich zur Erziehungs- und Pflegearbeit (die traditionsgemäß eher von Frauen ausgeübt wird) besser bezahlt.

In überwiegend weiblich geprägten Sektoren, wie zum Beispiel im Reinigungsbereich, sind die Löhne auch allgemein niedriger als in vorwiegend männlichen Sektoren, wie zum Beispiel in der Abfallbewirtschaftung. Einige Studien haben auch gezeigt, dass Managerinnen in typisch „weiblichen“ Sektoren weniger verdienen als ihre Kolleginnen, die dieselbe Position in vorwiegend männlichen Branchen bekleiden. Sogar die Ergebnisprämien – sprich zusätzliche Lohnelemente – sind gewöhnlich in typisch männlichen Bereichen stärker verbreitet.

Die Tradition und die Geschlechterrollen beeinflussen bereits ab der Oberschule die Schulwahl und anschließend auch die Berufswahl der Jugendlichen: So wird sich eine Rechtsstudentin eher für Familienrecht anstatt wie ihre männlichen Mitstudenten für Gesellschaftsrecht entscheiden; eine Abgängerin der Wirtschaftshochschule wird eher Lehrerin, während ihr Kollege wahrscheinlich eine Wirtschaftskanzlei eröffnen wird – mit offensichtlichen Einkommensunterschieden.

Viele Frauen entscheiden sich zudem für die Teilzeitarbeit, die nur geringe Karrierechancen bietet, bzw. für Arbeiten in der Nähe des Wohnortes, um Familie und Beruf besser unter dem Hut zu bekommen. Dabei verzichten sie oft auf prestigevollere, besser bezahlte, aber dafür weniger flexible Stellen. Männer machen im Schnitt auch mehr Überstunden als Frauen, treten häufiger Außendienste an und erhalten mehr Zusatzaufgaben und -zulagen.

Warum es sich lohnen würde, den Gap zu überwinden

Frauen studieren im Schnitt mehr und auch mit mehr Erfolg als Männer und stellen verständlicherweise auch immer größere Anforderungen an das Berufsleben: Die Reduzierung des Gender Pay Gap ist somit unerlässlich, wenn die Unternehmen Spitzentalente mit den besten Fähigkeiten anziehen und somit an Effizienz und Leistung dazugewinnen möchten. Eine stärkere Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern würde sich zudem auf Wirtschaft und Gesellschaft im Allgemeinen positiv auswirken und für mehr Gerechtigkeit und Ausgewogenheit sorgen.

Um den Gender Pay Gap zu reduzieren ist aber auch der Beitrag jener Männer unverzichtbar, die die angestrebten Ziele und die Berufswahl ihrer Lebensgefährtin unterstützen, Elternzeit beanspruchen oder/und die Pflege- und Hausarbeit teilen. Die Überwindung des Gender Pay Gap bedeutet auch nicht zuletzt, den Frauen das gesamte Erwerbsleben über bessere Verdienstmöglichkeiten zu bieten, auch kurzfristig ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu fördern und ihnen langfristig lebenswürdige Renten zu sichern.

Vom Gender Pay Gap zum Gender Pension Gap ist es nur ein kurzer Schritt

Der Schritt vom Gender Pay Gap zum „Gender Pension Gap“ ist genauso kurz wie dramatisch: Der Gap von -17 Prozent pro Tag, der übers ganze Jahr gerechnet dann auf -27 Prozent ansteigt, führt langfristig dazu, dass Frauen nur halb so hohe Renten wie Männer beziehen. Damit häufen sich die Nachteile für die Frauen, und vor allem sind Frauen dadurch im Alter armutsgefährdeter.

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