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Das Strom-Märchen

Die Verbraucherzentrale Südtirol kritisiert den Stromanbieter Alperia: Die neuen Tarife seien eine Mogelpackung. 

„Ein Abschlag von bis zu 20 Prozent auf den Energiepreis und eine kostengünstige Leistungserhöhung“, das sind – laut Aussagen von Alperia, dem neuen Energiedienstleister Südtirols mit 225.000 Kunden – die zentralen Punkte des neuen Stromangebots für Südtiroler Haushalte.

Mit diesem Tarifmodell vollziehen die fusionierten Sel und Etschwerke die vielgepriesene „Heimholung des Stroms nach Südtirol“. Ob dabei die Südtiroler Bevölkerung von dieser Fusion mit profitiert ist nicht nur fraglich, sondern eindeutig anhand der nachfolgenden Zahlen zu widerlegen, so die Verbraucherzentrale am Mittwoch in einer Aussendung.

Neuer Alperia Welcome Tarif

Dieser verspricht das derzeit günstigste Angebot auf dem freien Markt zu sein. Dies ist eindeutig falsch. Jeder kann sich beim Stromrechner (Trovaofferte) der Aufsichtsbehörde für Strom und Gas vom Gegenteil überzeugen. Der garantierte Rabatt berechnet auf den Energiepreis des Geschützten Grundversorgungsdienstes: 20% im ersten, 15% im zweiten Jahr und 10% ab dem dritten Jahr stellt sich wie folgt dar.

 

Bildschirmfoto 2016-04-06 um 14.54.13Es ist zu beachten, dass vor allem die derzeitigen Kunden von Sel (Seltrade) den Strom um 10%, in besonderen Situationen auch noch günstiger, beziehen. Somit der Rat der VZS: Die günstigeren Alt-Verträge sollten nicht leichtfertig aus der Hand gelassen werden. Für Etschwerke-Kunden lohnt sich hingegen ein Wechsel, wenn auch in bescheidenem Ausmaß.

Somit konnte Seltrade in der Vergangenheit seinen Stromtarif bei viel höheren Strom-Großhandelspreisen der letzten Jahre mit einem glatten Abschlag von 10% und mehr verkaufen. Jetzt bei viel geringeren Strompreisen an der Börse geht das bei der neuen Gesellschaft Alperia plötzlich nicht mehr. Im Jahr 2012 betrug der mittlere nationale Einheitspreis (PUN) 75,48 €/MWh; im April 2016 lag er bei 33,72 €/MWh, betrug also knapp die Hälfte. Hier gibt es nur 2 Möglichkeiten: Entweder Alperia muss für ihre Gesellschafter Profitgier betreiben oder sie muss Kosten für ineffiziente Strukturen abdecken. Beides ist der Beteiligung der Südtiroler Bevölkerung am Stromkuchen gelinde gesagt hinderlich.

Neuer Alperia Welcome Plus Tarif

„Alperia Welcome Plus ist das erste Angebot in Italien, das Ihnen einen exklusiven Rabatt garantiert und darüber hinaus noch einen Bonus von 150 Euro bei einer Leistungserhöhung zusichert.“ so verkauft Alperia ihren Beitrag zur Erhöhung der verfügbaren Leistung von 3,3 kW auf 4,5 kW. Ein Bonus von 150 Euro und ein Rabatt von 10% berechnet auf den Energiepreis des Geschützten Grundversorgungsdienstes wird gewährt. Der Bonus muss bei vorzeitiger Kündigung rückerstattet werden.

Dies bedeutet für einen Haushalt, der die Leistung von 3,3 auf 4,5kW steigern möchte, und gleich viel Strom verbraucht, folgende Mehrkosten:

Bildschirmfoto 2016-04-06 um 14.55.38Mehrkosten pro Jahr bei Wechsel auf 4,5 kW ab dem 2. Jahr: 285,87 €

*mit Bonus von 150 € für Wechsel zu 4,5 kW

Die Verbraucherzentrale erinnert daran, dass in Deutschland trotz des etwas höheren Strompreises die Haushalte bis über 12 kW Leistung beanspruchen können ohne dass der Grundpreis (also jener für 3,3 kW Leistung) erhöht wird.

Grüne Energie

„Zum monatlichen Preis von nur einem Kaffee garantierten wir die Lieferung von Energie welche zu 100% aus Südtiroler Wasserkraft stammt.“

Was früher selbstverständlich war und im Grunde als Südtirol-Standard gilt schlägt nunmehr mit 13,20 Euro pro Jahr auf den Stromrechnungen der Südtiroler Kunden zu Buche. Wir berechnen diesen Aufpreis nunmehr immer mit, da wir überzeugt sind, dass dies das mindeste ist, was den Südtirolern zusteht.

Wettbewerb

Mit dem für die Altkunden noch gültigen Seltrade Stromtarif hatten die Südtiroler Kunden im Durchschnitt das beste Angebot des freien Marktes zur Verfügung. Laut VZS wären noch größeren Abschläge möglich gewesen. Eine diesbezügliche Initiative der Verbraucherzentrale Südtirol zum „gemeinsamen Einkauf“ habe keinen Durchbruch geschafft.

In der Aussendung heißt es:

„Nichtsdestotrotz sind die Angebote von Alperia nicht mehr die besten und schränken somit den Preiswettbewerb ein. Leider versucht jetzt auch Alperia in die Stromtarif-Trickkiste zu greifen und mit einem Einmal-Bonus und Begrüßungsgeldern sich besser darzustellen, indem man nicht auf die Details eingeht. Somit müssen hier die Kunden noch besser aufpassen und ganz genau nachrechnen, um langfristig nicht schlechter abzuschneiden. Somit kann auch die Privatisierung am Strommarkt als gescheitert angesehen werden, wenn der Markt für die Stromkunden de facto fast keine Abschläge bereit hält und diese ganz genau aufpassen müssen nicht eventuell mehr für ihren Strom zu bezahlen als ihnen der geschützte Markt garantiert. Schade dass sich daran auch eine Gesellschaft in vorwiegendem Landesbesitz beteiligt. Die Verbraucherzentrale Südtirol befürchtet mit der Abschaffung des geschützten Strommarktes mit 2018 jetzt noch mehr, dass Monopolstellungen und unseriöse Geschäftspraktiken zu Lasten der Stromkunden zunehmen werden. Hier sollte eingeschritten werden. Die zuständige Aufsichtsbehörde für Strom und Gas ist dazu nicht in der Lage.

Die neuen Alperia Tarife sind nicht die besten am Markt. Somit bringen sie für die Südtiroler Kunden sicher keine Beteiligung am Stromkuchen Südtirols. Hier kann nur mehr der von der Verbraucherzentrale Südtirol vor einiger Zeit ins Spiel gebrachte Gratisstrom von 300 kWh je Bürger und Jahr für Abhilfe sorgen (Details dazu in unserer Pressemitteilung vom 02.07.2015, siehe www.verbraucherzentrale.it). Es ist ein Gebot der Stunde, den Artikel 13 des Autonomiestatuts endlich umzusetzen und dabei nur die Spitzenverdiener auszuschließen. Familien mit beiden Eltern als Einkommensbeziehern sollten auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Bei diesen stattlichen Preisen verdienen sich die Kunden mehr als eine Schachtel Pralinen. Angesichts des eingeschlagenen Weges wird die Verbraucherzentrale Südtirol eine vermeintliche Übervorteilung der Kunden ganz genau im Auge behalten.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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