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„Kein Pädophiler“

„Kein Pädophiler“

Kommt der Reitlehrer Karl Wechselberger, dem die Staatsanwaltschaft sexuelle Gewalt gegen eine Minderjährige vorwirft, mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren davon? Sein mutmaßliches Opfer wird nun von einem Psychologen begutachtet. Er selbst hat das bereits hinter sich.

Von Thomas Vikoler

Ein automatischer Schritt. Bevor Anwälte in einem Strafverfahren ihre Verteidigungsstrategie festlegen, wühlen sie in der Rechtsprechung. Flavio Moccia wurde diesbezüglich im Archiv der Urteile der Kassation fündig. Die Dritte Sektion legte 2013 (Spruch Nr. 46813) die Kriterien für die Einräumung des speziellen mildernden Umstandes des „geringeren Ausmaßes“ bei Fällen von sexueller Gewalt fest.

Es müsse festgestellt werden, so entschied die Kassation, wie stark der auf das Opfer ausgeübte Zwang war bzw. wie es die Folgen der Straftat psychisch verarbeitet hat.

Genau das geschieht nun im verkürzten Verfahren gegen den 46-jährigen Wiesener Reitlehrer Karl Wechselberger. Vorverhandlungsrichter Emilio Schönsberg gab gestern einem Antrag von Wechselbergers Anwalt Moccia statt, einen Gerichtsgutachter zu ernennen. Der Bozner Psychologe Michele Piccolin muss nun die junge Frau begutachten, mit der Wechselberger eine rund fünf Monate dauernde sexuelle Beziehung unterhielt. Sie war damals gerade 15 Jahre alt.

Der Reitlehrer verteidige sich nach seiner Verhaftung an Pfingsten 2015 damit, er und das Mädchen seien ineinander verliebt gewesen, zudem sei er von dem Mädchen in Bezug auf das Alter getäuscht worden.

„Ich bin sehr zufrieden“, sagte Verteidiger Moccia nach der  Verhandlung am Landesgericht, bei der auch Zivilpartei-Anwalt Michele Fragasso anwesend war. Dieser stellte sich ebenso wie der Staatsanwalt gegen die Beauftragung eines Gerichtsgutachters.

Worauf die Verteidigung hinaus will, ist klar:

Die (eingestandene) Beziehung zwischen dem Reitlehrer und der 15-Jährigen war sexuelle Gewalt „geringen Ausmaßes“, ein unerlaubtes Liebesverhältnis ohne negative psychologische Folgen.

Kommt Richter Schönsberg nach Einholung des Gutachtens zu einem ähnlichen Schluss, käme Wechselberger tatsächlich mit einer Bewährungsstrafe um zwei Jahre Haft davon. Denn bei „geringem Ausmaß“ der sexuellen Gewalt ist laut Gesetz eine Herabsetzung der Mindeststrafe von fünf Jahren um bis zu zwei Dritteln möglich (es gibt allerdings den erschwerenden Umstand eins Verhältnisses der Überordnung). Für das verkürzte Verfahren gibt es zudem ein garantiertes Drittel Strafnachlass.

Bereits Teil des Prozessaktes ist ein Gutachten der Mailänder Psychologin Giulia Capra, das die Verteidigung gestern eingebracht hat. In diesem heißt es, der Reitlehrer, der weiterhin der Anwesenheitspflicht in seiner Wohngemeinde Wiesen unterworfen ist, sei „kein Pädophiler“. Sein sexuelles Verhalten sei ebenso „normal“ wie seine geistigen Fähigkeiten.

Zur Erinnerung:

Gegen Wechselberger war Anfang der 2000er Jahre bereits einmal wegen sexueller Gewalt gegen eine Minderjährigen ermittelt wurden. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, weil die Aussagen des mutmaßlichen Opfers nachträglich als nicht glaubhaft eingeschätzt wurden.

 

 

 

 

 

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