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Fuocoammare

Der Dokumentarfilm “Fuocoammare” von Gianfranco Rosi hat bei der Berlinale den “Goldenen Bären” gewonnen. Das war richtig und wichtig.

von Renate Mumelter

Rosi zeichnet bei diesem Film für Regie, Kamera und Ton. Für die Dreharbeiten ist er viel länger auf Lampedusa geblieben als beabsichtigt. Die Realität machte es nötig. “Fuocoammare” ist ein Film, der für die westliche Welt Pflicht sein sollte, besonders für alle Stammtischschwätzer, Politstrateginnen, Scharfmacher, Waffenhändlerinnen und Schlaumeier.

Rosi dokumentiert nicht nur Weltgeschichte, er erzählt auch von einer Insel, vom Meer, das Nahrung geben aber auch den Tod bringen kann, von Inselbewohnern und von Menschen, die  ankommen: gesund wenn sie Glück haben, tot wenn sie Pech hatten.

Rosi erzählt Inselalltag und absoluten Ausahmezustand. Er zappt zwischen diesen zwei Wirklichkeiten hin und her und verflicht sie auf einer symbolischen Ebene. In den Mittelpunkt der Geschichte stellt er die neue Generation, Samuele, einen Buben aus Lampedusa, der Steinschleudern bastelt, auf Booten seekrank wird, in der Schule Englisch lernt, auf einem Auge schlecht sieht. Rosi zeigt ältere Menschen, eine kleine Radiostation, die Grüße und traditionelle Musik sendet und gleichzeitig für den Film-Soundtrack sorgt, und er setzt zwei Hausfrauen, einen Taucher und einen Arzt ins Bild.

Dieser Inselarzt versorgt nicht nur Samuele, er ist auch für die Flüchtlinge da. Mit tränenerstickter Stimme berichtet er sachlich, was zu tun ist, wenn Boote ankommen und was er schon alles gesehen hat.

Rosi vermittelt in “Fuocoammare” das, was den üblichen TV-Beiträgen fehlt, die Menschlichkeit. Er lässt in verzweifelte Funksprüche hineinhören, zeigt, wie Menschen ankommen verzweifelt oder lächelnd, alle mit schrecklichen Erinnerungen, die sie in Gesängen zu verarbeiten versuchen. Das alles ist so heftig, dass mir im Kino fast die Luft weggeblieben ist grad so wie Samuele, der sich beim Arzt über Atembeschwerden beklagt. Als angesichts der Leichen absolute Stille eintritt, gibt es nichts als den Mond und dunkle Wolken. Hier hätte “Fuocoammare” zu Ende sein können, aber das Leben geht weiter in Lampedusa und auf der Welt.

Fuocoammare (IT/FR 2016), 107 Min., Regie: Gianfranco Rosi. Bewertung: Sehenswert

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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