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„Ich bin eine Domina“

hure teil 1Die Trentinerin Antonia arbeitet seit vielen Jahren als Prostituierte in Südtirol. Ein Gespräch über den harten Verdrängungswettkampf am Sexmarkt, die Wünsche der Freier – und warum sie sich nicht verlieben will.

TAGESZEITUNG Online: Frau Antonia, was ist Ihr Beruf?

Antonia: Ich bin Liebesdienerin und Psychologin. Ich betreue meine Kunden nicht nur körperlich sexuell, sondern auch, indem ich mit ihnen über ihre Sorgen und Nöte rede.

Welche Nöte sind das?

Zum Beispiel die Nöte von verheirateten Männern, die bestimmte sexuelle Phantasien haben, die sie mit ihrer Frau nicht ausleben können. Sadomaso, Fußerotik und anderes.

Gehört auch Liebe zu den Phantasien?

Liebe gibt es keine. Küsse auch nicht.

Sie nennen sich Liebesdienerin. Der Volksmund sagt dazu Hure.

Ein vulgäres Wort, unter jedem Niveau. In anderen Ländern nennt man uns Masseuse. Das ist die richtige Bezeichnung.

Was passiert, wenn ein Kunde Sie so nennt?

Dann muss er sich eine andere suchen. Ich lasse mir das nicht bieten.

Aber Sie bieten doch Sex an.

Ja, aber nicht alle wollen Sex. Manche kommen nur zum Reden.

Und zahlen dafür.

Ja, wie beim Psychologen. Manche Männer bringen ihre Frau mit, um neue Liebestechniken zu lernen. Oft geht es dabei darum, dass es den Frauen zu schnell geht, weil die Männer nur auf ihr Vergnügen schauen.

Und Sie erteilen diesen Paaren Liebesunterricht.

Genau. Das, was sonst Paartherapeuten machen. Die meisten dieser Paare gehen in Swingerclubs. Das sind Männer und Frauen, die nicht fremdgehen wollen, aber doch etwas Neues in ihrem erotischen Leben kennen lernen wollen.

Aus schlechtem Gewissen?

Wenn jemand ein schlechtes Gewissen hat, spüre ich das sofort. Das sind meist die Männer, die sagen, sie möchten nur massiert werden.

Ich nehme an, Sie beherrschen die Liebeskunst von A bis Z. Wie haben Sie das gelernt?

Erfahrung. Man wächst hinein.

Wie lange machen Sie schon die Liebesdienerin?

Seit 8 Jahren. Ich hatte finanzielle Probleme und habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen. So langsam bin ich in diesen Beruf hineingekommen und habe meine Stammkunden aufgebaut. Es war einfach der schnellste Weg, meine Geldprobleme zu lösen und danach konnte ich nicht mehr zurück. Ich hatte mein eigenes Geld, habe gut verdient und wollte auch nicht mehr von einem Mann abhängig sein. Man gewöhnt sich schnell an einen gewissen Lebensstandard.

Wie viel verdienen Sie im Monat?

Es schwankt, aber durchschnittlich sind es 6.000 Euro. Das sind zwei Kunden pro Tag.

Manche Frauen stellen sich auf die Straße. Wie haben Sie es gemacht?

Ich habe Inserate aufgegeben. In italienischen und deutschen Zeitungen. Bei den deutschen Zeitungen bekommt man eher die guten, seriösen Kunden, bei den italienischen melden sich sehr viele Ausländer. Mein Beruf ist ja nicht ganz ungefährlich, ich weiß außer bei Stammkunden nie, wem ich die Tür aufmache.

Ist Ihnen nie etwas passiert?

Nein, ich wurde einmal bedroht, aber es ist nichts passiert. Seither bin ich vorsichtig. Es ist leider so, dass die Frau bei den Albanern, Marokkanern und anderen Ausländern nichts wert ist. Deshalb nehme ich keine.

Wer sind Ihre Kunden?

Vom Kaminkehrer bis zum Anwalt und Bankdirektor ist alles dabei.

Mit welchen Wünschen kommen sie zu Ihnen?

Ganz verschiedene. Kunden aus gehobenen Gesellschaftsschichten stehen häufig auf Sadomaso und Erniedrigung. Bankdirektoren oder Firmenchefs, die viele Menschen befehligen, lieben es, sexuell erniedrigt zu werden, sie wollen, dass man ihnen Befehle erteilt. Die Mittelschicht bevorzugt eher das Gegenteil und die LKW-Fahrer wollen einfach nur massiert werden, weil ihnen das Kreuz wehtut. Die schlafen oft auf dem Massagetisch ein.

Wie läuft das Geschäft momentan?

Die Konkurrenz durch den Straßenstrich und die zahlreichen Ausländerinnen ist sehr hart. Viele davon bieten sich für wenig Geld an und arbeiten ohne Kondom. In den letzten Jahren machen uns vor allem die asiatischen Massagestudios Konkurrenz. Die drücken die Preise. Die Kunden wollen immer weniger ausgeben und sie wollen alles ohne Schutz. Es ist ein Verdrängungswettbewerb wie in jedem Beruf.

Ihren Beruf gibt es eigentlich gar nicht.

Prostitution ist erlaubt, aber den Beruf der Prostituierten gibt es nicht. Deshalb zahlen wir keine Steuern, auch wenn wir wollten. Ich würde das deutsche Modell vorziehen, wo der Beruf anerkannt ist und es Laufhäuser gibt. Wir wären viel stärker geschützt, es gibt einen Aufpasser und Überwachungskameras. Hier müssen wir immer wieder umziehen, weil die Anrainer protestieren. Außerdem wären wir versichert, hätten Anrecht auf eine Pension und wären gesundheitlich überwacht.

Machen Sie laufend Gesundheitskontrollen?

Ja, ich bin Blutspenderin.

Aber Sie bieten keinen riskanten Verkehr an.

Das mache ich nicht, obwohl die Männer immer wieder danach fragen. Das ist eine Folge der ausländischen Konkurrenz, die vielfach Verkehr ohne Kondom anbietet. Ich würde das nie machen. Diese Kunden verliert man natürlich, aber wenn man die Gesundheit verliert, verliert man alles. Auch die Arbeit.

Sie machen das seit 8 Jahren. Wie lange wollen Sie noch durchhalten?

Meinen Beruf kann man lange machen. Sadomaso kann ich auch noch mit 70 Jahren betreiben.

Ist Sadomaso Ihre Spezialität?

Ja, ich bin Domina. Das ist sehr gefragt. Ich habe ein separates Sadomaso-Studio und einen Massagetisch, mit dem ich Kundenbesuche machen kann. Sadomaso-Kunden sind gute Kunden.

Welche Wünsche erfüllen Sie?

Auspeitschen, Spazierenführen wie einen Hund. Manche wollen auch nur die Wohnung putzen.

 

Interview: Heinrich Schwazer

TEIL II des INTERVIEWS lesen Sie am Montag auf TAGESZEITUNG Online.

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