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Fernleihe

Während sich das EU-Parlament gegen eine Legalisierung der Leihmutterschaft aussprach, boomt das Geschäft im Ausland. Warum immer mehr Südtiroler den Kinderwunsch auslagern – und eine ukrainische Privatklinik mit Martha Stockers Pressetexten wirbt.

Von Anton Rainer

Vermutlich kann man von einem ukrainischen Reproduktionszentrum nicht verlangen, dass es die genaue Grenzziehung zwischen Süd-, Ost- und Nordtirol versteht. Und trotzdem verwundert es, dass das Kiewer Privat-Krankenhaus BioTexCom auf seiner offiziellen Website unter dem Titel „Künstliche Befruchtung in Österreich: Neue Richtlinien vorgestellt“ – mit Freude die von Gesundheitslandesrätin Martha Stocker beschlossenen Erleichterungen in Sachen Eizell- und Samenspende feiert.

Die Botschaft scheint klar: Es tut sich was auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin – sogar im traditionell skeptischen „Österreich“.

Veröffentlicht wird die Meldung in der Kategorie „Wichtige Nachricht“ ­– obwohl sie dem eigenen Hauptgeschäft im Prinzip abträglich sein könnte. Auch in Südtirol nehmen immer mehr Familien das Angebot ausländischer Leihmütter in Anspruch, hunderttausende Euro fließen jährlich an Privat-Kliniken, die sich nach Eigendarstellung nur „den hoffnungslosesten Fällen“ annehmen.

Einen solchen Fall erzählt eine Bozner Familie.

Weil Maria (Name ist der Redaktion bekannt) schon mit 25 Jahren aufgrund einer Krankheit ihre Gebärmutter verlor, suchte sie gemeinsam mit ihrem Partner nach Alternativen, um den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. Ein Besuch bei Bruno Engl, Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Bruneck, endete ernüchternd: Nein, sagte der Mediziner, eine Leihmutterschaft sei in Italien nun mal verboten. „Viele Eltern hält das aber nicht davon ab, es im Ausland zu versuchen“, sagt Bruno Engl heute, „wir erfahren alle zwei Jahre von einem Südtiroler Fall.“ Meistens aber höre man erst davon, wenn alles schon vorbei ist.

Die Freude einer Geburt als verschämtes Geheimnis.

Sonderangebot Baby: Ukrainische Privatklinik

Sonderangebot Baby: Ukrainische Privatklinik

Gleich zwei Babys brachte die von Maria über eine Agentur beauftragte Leihmutter in den USA zur Welt, beide Kinder leben mittlerweile in Bozen. Knapp 100.000 Euro kostete die Prozedur in einer darauf spezialisierten Klinik – ein stolzer Preis für eine sichere Gegenleistung.

„In Amerika wird das sehr professionell gemacht“, sagt Andreas Unterkircher, Präsident der Homosexuellen-Initiative Centaurus. Schwule Paare sind eine naheliegende Zielgruppe für die Angebote von Leihmüttern – und doch überlegt Unterkircher lange, wenn man ihn um seine Meinung bittet. Dann sagt er: „Ich bin dagegen, es zu verbieten, früher oder später wird man sich damit auseinandersetzen müssen. Da gehen die Meinungen vieler Schwulen und Lesben aber weit auseinander.“ Dass sich der Centaurus-Präsident dennoch für eine kontrollierte Freigabe ausspricht, hängt mit dem Ur-Problem der Reproduktionsmedizin zusammen: Auf jede Frau, die sich in einer streng kontrollierten Privatklinik in Kalifornien beraten lässt, kommen zwei Paare, die sich in Indien, Thailand oder der Ukraine nach einer Leihmutter umsehen.

Hier treffen billigere Preise auf meist laxere Kontrollen. „Man läuft Gefahr, dass Armut ausgenutzt wird“, sagt Andreas Unterkircher – und auch Bruno Engl warnt: „Gar einige Wunscheltern werden um ihr Geld betrogen oder verstehen aufgrund der Sprachbarriere nicht, wie ihnen geschieht.“

Von derartigen Problemen liest man auf der professionell aufgemachten, in mehrere Sprachen übersetzten Website von „BioTexCom“ in Kiew nichts: Neben Pressemitteilungen von Martha Stocker findet man dafür eine Preisliste, die an das Angebot einer Fluglinie erinnert.

Zwischen 29.900 Euro (Economy-Plus-Paket) und 49.900 Euro (VIP-Paket) kostet ein maßgeschneidertes Leihmutterschaftsprogramm.

Dahinter stecken nicht etwa unterschiedliche Ethnien, wie es Symbolbilder vermuten lassen, sondern ein unterschiedlicher Service, der Wunscheltern versprochen wird. Wer sich als Economy-Kunde nach Kiew aufmacht, so die beigefügten Verträge, logiert in einem 20-Quadratmeter-Zimmer. VIP-Käufer erhalten neben einem Smartphone mit ukrainischer SIM-Karte für ihr Geld auch ein angemietetes 150-Quadratmeter-Apartment. Wie viel von diesem Luxus bei der ukrainischen Leihmutter ankommt, verraten die Verträge nicht – nur soviel: „Die Wunscheltern machen keine Zahlungen direkt an die Leihmutter.“

Dafür lockt BioTexCom mit Sonderangeboten auf Deutsch und Italienisch – und einer Geld-Zurück-Garantie. Bei einer Fehlgeburt werden Rabatte auf den nächsten Versuch garantiert.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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