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„Ein Aderlass“

Der Südtiroler Sanitätsbetrieb ist mit einer großen Kündigungswelle konfrontiert: Welche Abteilungen es schmerzlich treffen wird.

Von Erna Egger

„Ein riesiger Aderlass steht bevor“; „Es ist schrecklich, was da passiert“; „Ein Drama“; „Wir sind nur mehr die Harlekine“: Das sind nur einige Aussagen der Ärzteschaft im Südtiroler Sanitätsbetrieb. Die derzeitige Lage macht dem medizinischen Personal arg zu schaffen.

Die letzten Entwicklungen: Die EU-Richtlinie 93/104 verursacht in den Spitälern große Verwirrung (TAGESZEITUNG berichtete). Diese schreibt eine Reduzierung der Arbeitszeiten und eine Anhebung der Ruhepausen bei Ärzten fest. In vielen Abteilungen herrscht akuter Personalmangel, Dienste können nicht mehr abgedeckt werden. Auch weil bis vor Kurzem ein Aufnahmestopp herrschte.

Nun spitzt sich die Lage abermals zu: Eine gewaltige Kündigungswelle ist derzeit im Gange. Viele Ärzte haben bereits das Handtuch geworfen, andere stehen unmittelbar davor. Die Verwaltungen der einzelnen Krankenhausbezirke wollen über die Abgänge keine Auskunft erteilen – aus Gründen der Privacy. Fachärzte und Primare wollen und können nicht reden – ihnen wurde ein Maulkorb angelegt.

Doch mittlerweile werden immer mehr namhafte Ärzte bekannt, die vor der Kündigung stehen, oder den Betrieb bereits verlassen haben. Zudem stehen in unmittelbarer Zeit einige Pensionierungen bevor.

Schmerzlich treffen dürfte es das Krankenhaus Brixen:

Die Endoprothetik ist ein Eckpfeiler im Sanitätsbetrieb Brixen. In diesem Bereich läuft die Spezialisierungsphase. Die Anzahl der Revisionseingriffe an Hüft-, Knie- und Schultergelenken hat zugenommen. Gleich drei federführende Ärzte verlassen die Abteilung: Georg Weifner ist Interims-Primar in der Orthopädie und Unfallchirurgie am Krankenhaus Brixen. Er hat die Abteilung übernommen, nachdem Franz Erschbaumer seine Beauftragung zurückgelegt hatte. Das Primariat wurde bereits ausgeschrieben: Weifner wird diese Stelle nicht antreten. Laut Informationen der TAGESZEITUNG wird er in den nächsten Tagen die Kündigung einreichen. Idem der Oberarzt derselben Abteilung, Iwan Di Gallo. Auch er wird den Betrieb verlassen. Helmut Volgger, Orthopäde im Krankenhaus Sterzing, hat ebenfalls seinen Abgang angekündigt. Mit ihnen geht Alexander Gardetto. Der Abgang des Leiters der Plastischen-, Ästhetischen- und Wiederherstellungschirurgie in Brixen, steht schon seit Längerem im Raum.

Alle vier wechseln in die Privatwirtschaft: Sie werden in der Brixsana tätig werden, der neuen Privatklinik, die in der Bischofsstadt demnächst eröffnet wird. Markus Opatril, Augenarzt in Telfs und Steinach, und Michael Petrini, Internist an der Uniklinik Innsbruck, sind die treibenden Kräfte hinter dem Projekt. Elf Praxen sollen dort Platz finden. Weitere Südtiroler Ärzte werden dort tätig – sie arbeiten zurzeit noch im Ausland.

Zurück zu den Kündigungen im Südtiroler Sanitätsbetrieb: Der wissenschaftliche Leiter der Neuroreha, Leopold Saltuari, hat seinen Abgang für Ende Dezember angekündigt. Gertraud Gisser, Primarin der Reha-Abteilung, hat ihren Auftrag vor Monaten zurückgelegt. Ihre Stelle wurde ausgeschrieben, aber nur ein Bewerber hat sich gemeldet – und das bei einer Abteilung von über 100 Mitarbeitern. Bruno Engl, Primar der Gynäkologie in Bruneck, wird Ende des Jahres den Betrieb verlassen.

Die Augenheilkunde in Bruneck betreut die Krankenhäuser Brixen, Bruneck, Sterzing und Innichen. Bei einem Arzt läuft der Vertrag aus. Das Personal ist jetzt schon knapp: Die Wartzeiten in diesen Krankenhäusern belaufen sich auf mehr als vier Monate. Weitere Ambulanztage müssen zurzeit gestrichen werden, Patienten werden sich auf noch längere Wartezeiten einstellen müssen. In Meran soll es ein Problem mit den Nachbesetzungen in der Anästhesie geben. Die Chirurgin Michaela De Luca hat bereits gekündigt. Sie arbeitet nun als Basisärztin in Algund.

Harald Ausserer, Facharzt für Neurologie, hat ebenfalls den Sanitätsbetrieb verlassen. Er eröffnet im Dezember eine Privatpraxis. Er will jedoch differenzieren: „Meine Kündigung hat nichts mit den allgemeinen Polemiken zu tun. Ich habe ein verlockendes Angebot bekommen, dem ich nicht widerstehen konnte“, sagt er. Der Neurologe Piergiorgio Lochner und Hager von Strobele sind ebenfalls nicht mehr im Krankenhaus Meran anzutreffen. Weitere Verabschiedungen stehen im Raum.

In Bozen hat der Sanitätskoordinator Walter Pitscheider seinen Abschied angekündigt. Im Zentralkrankenhaus sollen weitere Kündigungen von namhaften Ärzten folgen. In Schlanders sind auch Kündigungsabsichten von mehreren Ärzten durchgesickert. Außerdem stehen einige Pensionierungen an, die eine große Lücker hinterlassen werden: Walter Thaler, Primar der Allgemeinen Chirurgie im Krankenhaus Bruneck, wird mit Ende des Jahres in Pension gehen. Im Mai 2016 wird sich Ernst Alois Demetz, Primar der Orthopädie in Bruneck, in den Ruhestand verabschieden.

„Das war zu erwarten: Die Stimmung in den Spitälern ist schlecht. Wer gehen kann, der geht“, schildern Insider.

Andere Ärzte wiederum wollen die Kündigungswelle relativieren oder „ins rechte Licht rücken“ – wie sie sagen: „Im Südtiroler Sanitätsbetrieb sind an die 1.000 Ärzte tätig. Der Betrieb wird nicht zusammenbrechen.“

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