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„Katastrophe für die Bauern“

„Katastrophe für die Bauern“

SVP-Senator Hans Berger analysiert das neue Stabilitätsgesetz: Welche positiven Neuerungen auf Südtirol zukommen – und wo es noch Nachbesserungen braucht.

TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, wie bewerten Sie das neue Stabilitätsgesetz der Regierung Renzi?

Hans Berger: Das Gesetz weist positive Ansätze auf, das Ausmaß der Maßnahmen ist jedoch sehr eingeschränkt. Der Italiener würde sagen: „Viel Rauch um ein kleines Feuer.“

Wie meinen Sie das?

Die Möglichkeiten der Steuererleichterungen und der Ankurbelung der Wirtschaft sind aufgrund des italienischen Staatshaushaltes nur sehr beschränkt. Überall dort, wo eine Verringerung der Einnahmen vorgenommen wird, muss diese mit einer Gegenposition im Haushalt wieder ausgeglichen werden. Mittlerweile hat sich der Usus der Schutzklauseln etabliert, der besorgniserregend ist: Für den Fall, dass die Einnahmen nicht die gewünschte Höhe erreichen, wird im Haushalt festgehalten, dass im folgenden Jahr die Mehrwertsteuer und die Akzisen auf Treibstoff und Zigaretten steigen werden. Dieses Damoklesschwert wird jedes Jahr weitergeschoben. Man darf hoffen, dass dieser Mechanismus dauerhaft funktioniert und nicht irgendwann die Steuererhöhungen umgesetzt werden müssen. Die Methode ist zwar sehr erfinderisch, entspricht aber nicht unbedingt einer seriösen Wirtschaftsplanung.

Welche positiven Änderungen birgt das Finanzgesetz?

Durchaus einige, von denen zum Beispiel der Steuerbonus für junge Paare beim Ankauf ihrer Erstwohnung, die Absetzbarkeit von bestimmten Betriebsinvestitionen um 140 Prozent und der allgemeine 65-prozentige Steuerabzug für die energetische Sanierung. Auch in den kommenden drei Jahren werden Betriebe entlastet, die neue unbefristete Arbeitsverträge abschließen. Allerdings wird diese Erleichterung bei den Sozialbeiträgen im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zurückgefahren. Die Bargeldobergrenze wird von 1.000 auf 3.000 Euro erhöht, was für Südtirol, das im Grenzgebiet liegt, die enorm wichtige Beseitigung eines Wettbewerbsnachteils bedeutet. Da diese Hürde für das innerstaatliche italienische Gebiet nicht so gefühlt wird, ist gegen diese Neuregelung innerhalb und außerhalb des Parlaments heftiger Widerstand entstanden. Es könnte möglicherweise in einem Kompromiss von 2.000 oder 2.500 Euro enden. Wir werden auf jeden Fall die 3.000 Euro verteidigen. Zu begrüßen ist auch die Maßnahme, Überstunden und Produktivitätsprämien im Ausmaß von bis zu 2.000 Euro weniger stark zu besteuern. Wenn jemand mehr leistet, dann soll er auch mehr verdienen, ohne dass der Staat hier immer die Hand aufhält. Zwar sind 2.000 Euro nur ein kleiner Schritt. Aber auch mit vielen kleinen Schritten kommt man irgendwann zum Ziel. Hervorzugeheben ist auch das Ziel der Regierung, exzellente Professoren für die Dozententätigkeit an den italienischen Unis anzuwerben.

Wie sieht es mit der Beteiligung Südtirols an der Haushaltssanierung aus?

Ich hoffe, dass uns das Finanzabkommen auf Dauer vor Einschnitten in den Landeshaushalt bewahren wird. Die Tatsache, dass der Landeshaushalt heuer gestiegen ist, ist auch auf das Abkommen zwischen Bozen und Rom zurückzuführen. Südtirol nimmt, was die Sanierung der Staatskassen betrifft, im Vergleich zu den anderen Regionen eine Sonderposition wahr.

Auch die Landwirtschaft muss sich auf Änderungen einstellen?

Nach vielen Anläufen im ganzen Jahr ist es nun gelungen, die unsinnige Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Pellets für Heizzwecke nun wieder auf die Normalität der 10 Prozent zurückzuführen. Damit ist die Heizkostenbelastung für den Endverbraucher um 12 Prozent reduziert. Insgesamt schneidet die Landwirtschaft im Haushalt aber nicht so gut ab. Unverständlich ist, dass auch kleine Betriebe mit einem Umsatz bis zu 7.000 Euro ab 2017 zur Register- und Buchhaltungsführung verpflichtet werden sollen. Das bedeutet für 400.000 Betriebe in Italien bzw. 6.000 in Südtirol eine finanzielle und bürokratische Mehrbelastung. Der Slogan „Entbürokratisierung“ ist also reine Lippenbekenntnis. Was für große Verbände wie unter anderem die Coldiretti Mehreinnahmen bedeutet – man spricht davon, dass die Maßnahme auf ihr Betreiben entstanden ist–, ist für den kleinen Bauern eine Katastrophe.

Sie werden noch Abänderungsanträge einreichen?

Sehr wohl werden wir unsere Einwände und Vorschläge einbringen, wie zum Beispiel die Abschaffung der Steuerbelastung auf die Studienbeihilfen, die Absetzbarkeit in höherem Ausmaß der IMU auf Betriebsimmobilien und Ähnliches. Wir sind auf heftige Debatten vorbereitet und werden die Interessen des Landes, der Südtiroler Bürger und der Südtiroler Wirtschaft vertreten.

Interview: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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