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Der Bildungsüberfall

Der Cheaper-Shop am Stegener Markt

Der Cheaper-Shop am Stegener Markt

Oew, Weltläden und youngCaritas haben am Mittwoch am Stegener Markt einen Bildungsüberfall gestartet – und mit Billigprodukten zum Denken angeregt.

Am dritten Tag des größten Südtiroler Marktes, jener des Brunecker Vorortes Stegen, irritierte ein in lila Farbe gehaltener „Cheaper Shop“ mit Billigprodukten.

Eine Sechserpackung Eier kostete dort 50 Cent, kleine Kekspackungen waren um 25 Cent zu haben, 200 Gramm Kaffee um 1,50 Euro. Die Leute griffen bedenkenlos zu – auch weil ihnen die Verkäufer/innen Mut zum Kauf der Billigstprodukte machten, „die mit Hilfe von Kinderarbeit und aufgrund von unfairen Produktionsbedingungen so günstig angeboten werden konnten“.

Es handelte sich um einen „Bildungsüberfall“ von oew-Organisation für Eine solidarische Welt, Weltläden und youngCaritas.

Die drei Organisationen wollten aufrütteln und auf ironische Art und Weise zum Denken anregen. Die Ironie wurde nicht immer verstanden.

Die verkauften Produkte stammten aus dem lokalen, ökologischen und fairen Handel.

„Wir waren überrascht von der Skrupellosigkeit mancher Menschen, die trotz Fotos von ausgebeuteten Kindern und Pestizideinsätzen am Kauf festhielten“, so das Fazit.

Unter dem Motto „transparent und günstig“ boten die Verkäufer/innen des Cheaper-Shops am dritten Tag des Stegener Markt Mineralwasser, Bananen, Schokolade, Eier und Kaffee zu unschlagbar günstigen Preisen an.

Die Mitarbeiter/innen der oew-Organisation für Eine solidarische Welt, der Südtiroler Weltläden und von youngCaritas zeigten den potentiellen Käufer/innen Bilder von arbeitenden Kindern, berichteten von großflächiger Landenteignung in Afrika, vom billigen Wasserquellenkauf und sinkenden Grundwasserspiegel.

Foto 2Dafür würden sie „den armen Menschen“ ein bisschen Arbeit geben, auch die Kinder bekämen ein paar Cent im Monat und einige Flaschen Wasser alle paar Tage. Weiter sagten die Verkäufer*innen, sie seien froh, die Menschen in der „Dritten Welt“ ausbeuten und bedenkenlos Pestizide einsetzen zu können, was in Europa längst verboten sei: Schließlich ginge es einzig darum, die Produkte in Südtirol so günstig wie möglich anzubieten.

Verena Gschnell ist Bildungsreferentin bei der oew, war bei der Vorbereitung dieses „Bildungsüberfalls“ federführend dabei und ist überrascht und schockiert zugleich von den Reaktionen der Menschen: „Viele waren einfach nur froh, günstig und viel einkaufen zu können“, sagt sie.

Den Kaufenden, so berichten die Initiatoren, waren die Fotos von ausgebeuteten Kindern egal, die Erzählungen über die Produktentstehung interessierte sie nicht. Einzig bei den Eiern, die die Verkäufer/innen als von rumänischen Legehennen stammend und auf engstem Raum lebend anpriesen, zeigten sich die Leute sensibel und lehnten den Kauf oft ab. „Bei den Produkten, bei denen die Menschen keinen Bezug zu Anbau und Produktion haben, griffen sie hingegen bedenkenlos zu“, sagt Verena Gschnell.

Während sie Eier ablehnten, kauften sie beispielsweise bedenkenlos Schokolade, die im Weltladen fair gehandelt das Fünffache kostet.

Sabrina Eberhöfer von youngCaritas hat vor allem bei älteren Leuten wenig Bedenken beim Kauf der billigen Lebensmittel gespürt. „Junge Menschen sind aufmerksamer“, meint sie. So sagten auch einige, sie ließen sich nicht auf den Arm nehmen, obwohl die Verkäufer*innen mit den Werten „ehrlich“ und „transparent“ warben. Schließlich würden auch andere Händler Produkte anbieten, die unter ausbeuterischen Bedingungen entstanden seien, allein der Cheaper-Shop stehe dazu. Es gab auch Besucher*innen, die den Mitarbeiter*innen des Cheaper-Shops das Konzept der Weltläden erklärten und meinten, eine solche Art von Handel zerstöre die Welt.

Nachdem die Menschen ihren Einkauf getätigt hatten, klärten Mitarbeiter/innen der Südtiroler Weltläden über die Absicht hinter dem Cheaper-Shop auf.

„Manche schämten sich, andere verwiesen darauf, dass auch andere billig eingekauft hätten“, so die Koordinatorin der Weltläden Brigitte Grätsch. Sie ist froh über die Erfahrung am Stegener Markt und sagt: „Wir haben noch viel zu tun, um den Menschen verständlich zu machen, dass sie mit jeder Kaufentscheidung darüber bestimmen, wie Anbauer leben und überleben können.“

Ziel der Aktion war es, auf den fairen Handel als respektvolle und gerechte Handelsalternative hinzuweisen: Es geht um gerechte Preise, angemessene Löhne, langfristige Verträge, Förderung von sozial- und umweltverträglichen Produktionsbedingungen und um Kranken- und Altersvorsorge für die Produzent/innen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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