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Null Bock auf Landtag

Gähnende Leere auf den Zuschauerrängen, Live-Übertragungen im Netz, die niemand verfolgt, eine verlassene Pressetribüne: Noch nie war das Interesse am Südtiroler Landtag so gering wie heute – weil sich das Parlament vorwiegend mit sich selbst beschäftigt.

Von Matthias Kofler

Alles hat auch seine guten Seiten: Wer eine Sitzung des Südtiroler Landtags einmal hautnah miterleben will, braucht sich nicht darum zu sorgen, keinen Sitzplatz zu ergattern. Wenn nicht gerade der Landeshaushalt, die Sanitätsreform oder eine Vertrauensabstimmung des Landeshauptmanns auf der Tagesordnung stehen, sind im Landesparlament ausreichend leere Stühle vorzufinden.

Noch nie war die Politikmüdigkeit so groß und das Interesse am Landtag so gering wie heute. Das betrifft nicht nur das gemeine Volk – auch die Pressevertreter meiden die Räumlichkeiten am Magnago-Platz. „Der Landtag spielt keine Rolle mehr“, gibt die Freiheitliche Ulli Mair unumwunden zu. Auch der Grüne Hans Heiss findet die Situation bedauerlich: „Mit lobenden Ausnahmen – etwa Rai Südtirol oder der TAGESZEITUNG – ist die Presse bei den Sitzungen fast nie präsent.“

Eine Zahl, die das ganze Dilemma auf den Punkt bringt: Der Landtag bietet auf seine Internetpräsenz eine Live-Übertragung der Sitzungen an. Wie viele Zuschauer haben sich am Mittwoch Vormittag von Zuhause aus in den Landtag zugeschalten? Kein einziger. Ein Service für die Katz.

Ein Grund für das maue Interesse am Landesparlament: Der Landtag befasst sich viel zu oft mit sich selbst und den hauseigenen Problemen. Auch in dieser Woche wieder:

Die Grünen forderten in einem Beschlussantrag, die Sichtbarkeit der Landtagsarbeit zu stärken. Die Kommunikation des Landtags soll neu konzeptualisiert werden, indem die Internetkommunikation zugänglicher gemacht wird und die Informationen leichter auffindbar werden.

„BürgerInnen möchten wissen, wie die von ihnen Gewählten abgestimmt haben, welche Themen sie bearbeiten, wozu sie Stellung nehmen“, erklärte Brigitte Foppa. Der Landtag sei derzeit auch personell nicht für diese Anforderung gerüstet, der Internetauftritt sei eher für Profis nützlich als für das Publikum.

Eine Einschätzung, die das Gros der Abgeordneten problemlos teilen kann.

Nur: Reichen die Aufrüstung des Pressebereichs und die Schaffung einer neuen Kommunikationsstelle im Landtag wirklich aus, um das Interesse der Bürger an den Sitzungen zu wecken? Wohl kaum. Pius Leitner sucht die Schuld bei den Medien selbst: „Die mediale Berichterstattung über den Landtag ist derzeit nicht auf hohem Niveau, die Medien sind an Geschichten interessiert, nicht an Inhalten“, meinte der Freiheitliche.

Das Präsidium sei bereits dabei, das Auftreten nach außen zu verbessern, äußerte Andreas Pöder von der BürgerUnion. „Wir können bessere Angebote machen, aber wir können die Leute nicht zwingen, sie anzusehen.“

Man müsse sich derzeit schämen, wenn man die Auftritte anderer Landtage im Ausland anschaue, sagte Ulli Mair. Wenn man eine Aufwertung wolle, müsse das auch etwas kosten dürfen. „Derzeit sind die Fraktionen auch räumlich ungenügend ausgestattet, und die Landesregierung ist nicht imstande, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.“

Landtagspräsident Thomas Widmann äußerte sich positiv zum Antrag und kündigte Arbeitsgruppen zum Internetauftritt und zur Kommunikation an.? Der Antrag der Grünen wurde schließlich mehrheitlich angenommen.

Bei der Debatte zur Aufwertung lohnte es sich, einen Blick auf die Regierungsbank zu werfen. Gerade einmal zwei von acht Landesräten hörten sich die ganze Debatte an (oder waren zumindest die ganze Zeit über im Sitzungssaal anwesend): Waltraud Deeg und Florian Mussner.

Wenn sich nicht einmal die Politik selbst für sich interessiert, wie will man so die Bürger von der Landtagsarbeit begeistern?

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