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„Ein Super-Gag“

Senator Francesco Palermo geht davon aus, dass die zentralistische Verfassungsreform schon in zwei Jahren wieder überarbeitet wird. Südtirol jedenfalls habe das Bestmögliche herausgeholt.

TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, wie schätzen Sie die Verfassungsreform ein?

Francesco Palermo: Es ist schwierig, eine Einschätzung abzugeben, weil wir erst zwei eher unwichtige Artikel der Reform verabschiedet haben. Die wichtigen Fragen kommen erst.

Wobei auch schon der Artikel 2 heftig diskutiert wurde …

Hier ging es nur um die Zusammensetzung des Senats. Deutlich mehr Spannung verspricht die Diskussion über Artikel 70, also über die Zuständigkeiten des neuen Senats. Dort wird es sicher Krach geben. Der Entwurf sieht nämlich vor, dass der Senat künftig nichts mehr zu sagen und so gut wie keine Gesetzgebungskompetenzen mehr haben wird. Aus Südtiroler Sicht problematisch ist sicherlich auch die Reform der Regionen. Die Regionen sollen fast keine Zuständigkeiten mehr haben. Dieser Artikel hat aufgrund der Schutzklausel zwar keine direkten Auswirkungen auf Südtirol. Doch eine solch zentralistische Reform birgt dennoch auch Gefahren für die Sonderautonomien. Der dritte spannende Punkt ist schließlich die Sonderregelung für die Sonderautonomien. Unser Ziel ist es, eine Art Flexibilitätsklausel zu erhalten. Ich bin zuversichtlich, dass wir – wie schon beim Finanzabkommen – noch die eine oder andere zusätzliche Kompetenz übertragen bekommen. Das wäre natürlich ein Super-Gag. In einem solch zentralistischen Umfeld neue Kompetenzen zu erhalten, ist nicht leicht.

Um was für Kompetenzen geht es dabei?

Es geht um Kompetenzen, die formell auch auf andere Regionen übertragen werden können. Das ist vor allem der Umweltschutz. Dass wir noch andere Kompetenzen dazubekommen, ist schwer vorzustellen. In diesem Sinne wäre uns eine föderalistische Reform viel lieber gewesen, in der alle Regionen zusätzliche Kompetenzen erhalten. Doch wenn sich die anderen Regionen nicht retten lassen wollen … Entscheidend wird sein, wie der Verfassungsgerichtshof die Kompetenzverteilung künftig interpretieren – und ob er bei seiner zentralistischen Interpretation bleiben wird. Diese Reform ist aber nur eine Reform auf Zeit.

Wie meinen Sie das?

Ich bin sicher, dass in zwei, drei Jahren eine weitere Reform kommen wird. Auch Befürworter der Reform haben ziemliche Bauchschmerzen. Doch sie sagen sich: Ok, es ist wichtig, dass jetzt etwas gemacht wird! Genauso sieht man es übrigens auch im Unterausschuss für die Ukraine, der ich angehöre. Ich habe dort heftig protestiert, weil die Reform der ukrainischen Verfassung keine Dezentralisierung vorsieht. Doch auch der Europarat sagt: Das sei nur eine Zwischenlösung, wir müssen Vertrauen in die Ukraine haben!

Wird eine weitere Reform weniger zentralistisch ausfallen wie die jetzige Reform?

Davon gehe ich aus. Italien ist von Rom aus nicht regierbar. Es wird also wieder eine föderalistische Welle kommen. Wobei eine Verfassungsreform eigentlich nie nur nach der Mode gehen sollte.

Im Wahlkampf war oft von der Vollautonomie die Rede. Was wird nun daraus?

Gut, das ist nur ein Slogan. Die Vollautonomie ist politisch schon da. Wir können diese aber weiter ergänzen, etwa mittels neuer Durchführungsbestimmungen. Das ist auch Aufgabe des Konvents.

Läuft die Reform der Verfassung parallel zu jener des Autonomiestatuts?

Das wäre ideal gewesen (lacht). Nur sind wir viel zu langsam gewesen. Ziel ist es, eine breitete Statutenreform vorzunehmen. Die Idee von Gianclaudio Bressa (Unterstaatssekretär, A.d.R.) besteht darin, einen Gesetzentwurf zur Abänderung der Statuten zu erarbeiten. Hierbei gilt das Prinzip des Einvernehmens zwischen Regionen und Staat.

Doch das ist noch Zukunftsmusik?

Wir hätten damit schon vor zehn Jahren beginnen sollen. Aber jetzt müssen wir dahinter bleiben. Das ist eine wichtige Aufgabe des Konvents. Es geht um eine breite Reform des Statuts. Ein paar zusätzliche Durchführungsbestimmungen und der Stilfser Joch – das ist für mich keine Vision. Die Zeit ist reif, eine Vision für Südtirol – abgesehen von den Slogans wie Vollautonomie und Selbstbestimmung – zu zeichnen.

Interview: Matthias Kofler

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