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„Eine untypische Wettbewerbspianistin“

Ji-Yeoung Mun: Die Vergabe des Busoni Preises an sie fiel mit 9 Ja-Stimmen und 2 Nein-Stimmen eindeutig aus.

Ji-Yeoung Mun: Die Vergabe des Busoni Preises an sie fiel mit 9 Ja-Stimmen und 2 Nein-Stimmen eindeutig aus.

Der künstlerische Leiter des Busoni-Klavierwettbewerbs Peter Paul Kainrath ist glücklich mit dem Wettbewerb und unglücklich ob der nicht ganz gelungenen Preisverleihung. Einen kleinen Schreckensmoment gab es, als Jurypräsident Jörg Demus die Resultate der ersten Runde akustisch nicht verstand und drohte, sofort aus der Jury auszutreten.

Tageszeitung: Herr Kainrath, sind Sie zufrieden, vielleicht sogar glücklich mit der Jubiläumsausgabe des Busoni-Wettbewerbs?

Peter Paul Kainrath: Ich bin glücklich, dass das Versprechen vom Vorjahr gehalten werden konnte und wir dem Bozner und internationalen Publikum Klavierspiel auf einem sehr hohen Niveau mit vielen neuen jungen Positionen aus aller Welt präsentieren durften und dabei auch die Aufmerksamkeit aus aller Welt für unseren Busoni-Wettbewerb stark steigern konnten. Ich bin unglücklich ob er der von mir selbst lieblos gestalteten Preisverleihung, die auf Denkfehlern beruht, die nur ich selbst verantworten kann.

Ein 60ster Busoni ohne Sieger wäre eine Enttäuschung gewesen.

Die Jury entscheidet souverän, ob das nun eine so genannte Jubiläumsausgabe ist oder nicht; aber wir geben gerne zu, dass all die Anstrengungen der letzten Jahre vor allem hinsichtlich der Stärkung unsers internationalen Netzwerkes mit einer Preisträgerin als Siegerin viel besser zum Wirken kommen.

Mit Ji-Yeong Mun kommt die Siegerin erstmals aus Asien. Womit hat sie Sie überzeugt?

Die Jury und allen voran der Präsident selbst, Jörg Demus, waren von der absoluten Natürlichkeit ihrer Musikalität, der Feinheit und großen Eleganz ihres Spiels beeindruckt. Demus meinte, dass er eine solche Natürlichkeit bei der jüngsten Pianistengeneration eigentlich für verschwunden glaubte. Das erste Konzert als Preisträgerin in Asolo am vergangenen Sonntag hat dann vor einem unvoreingenommenen Publikum diesen Eindruck nochmals nachhaltig bestätigt. Ich selbst kann sagen, dass Ji-Yeong Mun eine untypische Wettbewerbspianistin ist und obwohl sie derer bereits gewonnen hat gänzlich auf Effekte oder Überzeichnungen verzichtet so wie dies oft bei Wettbewerben der Fall ist. All jene, die glauben asiatisches Klavierspiel, wobei auch hier zwischen Japan, Korea und China gewaltige kulturelle Unterschiede bestehen, auf die Technik der blassen Kopie oder Imitationsmeisterschaft reduzieren zu können, sollten ihre Ohren für das absolut tiefe Textverständnis dieser Pianistin öffnen und vielleicht im Hinterkopf eine Brücke zum absolut urkreativen Umgang mit dem Begriff von Kopie von Andy Warhol schlagen.

Die FAZ-Kritikerin konzediert der Siegerin zwar viel Virtuosität, spricht ihr aber die Musikalität ab. Klingt verdächtig nach europäischem Chauvinismus, oder?

Ich würde es mir nie anmaßen, die überaus kompetente Musikrezensentin Frau Dr. Büning des Chauvinismus´zu bezeichnen; jeder kann berechtigte wie persönliche Erwartungshaltungen an einen zu kürenden jungen Künstler haben; ich denke nur, dass auch der Begriff von Musikalität kein zeitloser ist und schon gar nicht für immer und ewig in Europa verortet sein muss; und wenn der hoch erfahrene Jurypräsident in völliger Freiheit mit seinen 86 Jahren in der 20 jährigen Busonipreisträgerin eine seltene Feinheit des musikalischen Empfindens entdeckt kann dies zumindest als Einladung verstanden werden, gewohnte Hörmuster aufzubrechen.

Stimmt es, dass Demus als Jurypräsident zurücktreten wollte, wenn die Jury Ferro mit dem 1. Preis ausgezeichnet hätte?

Die Abstimmung zu den 3 Finalisten verläuft in einem zweistufigen Verfahren; im ersten Durchgang wird der mathematische Durchschnitt der Einzelnoten ermittelt und in Folge wird mit einem Ja oder Nein über die Vergabe des ersten Preises an den höchst Bewerteten abgestimmt; Demus hatte akustisch die Resultate der ersten Runde nicht korrekt verstanden und glaubte, dass Ferro auf dem ersten Platz sei; er reagierte sehr harsch und meinte, dass er damit sofort aus der Jury austreten müsste, da für ihn nur Ji-Yeong Mun für den Busoni Preis in Frage käme. Dieser Meinung waren im übrigen die große Mehrheit der Juroren über alle vier Runden hinweg. Da das Resultat sehr klar und unmissverständlich eben für die Koreanerin sprach, konnte das Missverständnis sehr schnell aufgeklärt werden.

Das Publikum hat dem Ukrainer Roman Lopatynskyi den Vorzug gegeben. Hat er mehr Charme?

Peter Paul Kainrath: Abbado war einer der Allerersten, der seine (Macht)-Position im Interesse innovativer Projekte genützt hat.

Peter Paul Kainrath: Die neue Direktion des Konservatoriums will die Beziehung zum Busoni-Wettbewerb neu definieren.

 

Für alle 3 Finalisten gab es unterschiedliche Unterstützergruppen; Lopatynskyi hat jene überzeugt, die der großen Tradition der russisch-sowjetischen Klavierschule verbunden sind und die ja beim Busoni Wettbewerb besonders oft ausgezeichnet worden sind; viele sahen auch in Alberto Ferro den eigentlichen Sieger, weil er mit einem frischen Bartok Klavierkonzert beeindrucken konnte; die wirklich neue Stimme und auch auf konstant höchstem Niveau agierende Künstlerin durch alle 4 Prüfungsphasen hindurch war Ji-Yeong Mun.

Wie hat die aus ehemaligen Busoni-Siegern zusammengesetzte Jury harmoniert? War das Urteil einstimmig?

Die Jury hat harmonisch gearbeitet, auch wenn in ihr eine äußerst große Polyphonie an Standpunkten zusammenkam; dies hat zum einen damit zu tun, dass es 3 Generationen an Musikern waren, die hier über die jüngste Künstlergeneration befinden musste; interessant dabei war festzustellen, wie frei beispielsweise der 86 jährige Jörg Demus auch zu ihm konträr formulierten künstlerischen Positionen urteilen kann; die Vergabe des Busoni Preises fiel mit 9 Ja-Stimmen und 2 Nein-Stimmen eindeutig; Ende September werden wir sämtliche Einzelbewertungen in all ihren Details veröffentlichen.

Die Bozner kommen vermehrt zu den Vorausscheidungen. Furcht der Werbekampagne oder sind die Bozner endlich stolz auf den Wettbewerb?

Wir freuen uns, dass die Zusammenarbeit mit den Musikinstituten, dem Walther von Vogelweide Gymnasium, die Präsenz in den Einkaufspassagen und an anderen öffentlichen Plätzen wie der Forst im Zentrum von Bozen, die Gastfreundschaft der Bozner Familien den Kandidaten gegenüber und auch unsere zahlreichen Kommunikationsmaßnahmen Früchte zeigen; in diesem Jahr war es auch erfreulich, dass Kandidaten von zwei Dozenten des C. Monteverdi Konservatoriums mit dabei waren; dies und die Wiederbegegnung mit der Geschichte des Wettbewerbes mit den 10 Busonipreisträgern hat sicher auch zum stark gestiegenen Interesse beigetragen; besonders erfreulich ist auch die ausführliche Berichterstattung auf ARTE, RAI NEWS, RAI RADIO 3 und RAI 5 sowie ORF III neben dem großen Schwerpunkt, den RAI SÜDTIROL uns ermöglicht hat.

Stimmt es, dass die Austragung des Busoni im Saal des Konservatorium auf des Messers Schneide stand?

Die neue Direktion des Konservatoriums will die Beziehung zum Busoni Wettbewerb neu definieren; dies hat die alljährlich zu treffende Entscheidung, ob das Konservatorium als Stiftungsmitglied die eigene Struktur zur Verfügung stellt oder wie die anderen Stiftungsmitglieder einen finanziellen Beitrag leistet, etwas verlangsamt; zum Glück konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden und wir waren dankbar, die ersten beiden Durchgänge im Konservatorium abhalten zu können; für die Kandidaten war es jedenfalls wunderbar, im historischen Gebäude, in dem sich alle Busoni Kandidaten der letzten 66 Jahre auf die alles entscheidenden Auftritte vorbereitet haben, jene konzentrierte Atmosphäre gefunden zu haben, die es für Spitzenleistung braucht.

Interview: Heinrich Schwazer

 

Die Sieger

Die Südkoreanerin Ji-Yeong Mun gewinnt die 60. Ausgabe des Busoni-Klavierwettbewerbs vor dem Italiener Alberto Ferro und dem Ukrainer Roman Lopatynskyi.

Am Freitag ging im Stadttheater Bozen die Finalrunde des 60. Internationalen Klavierwettbewerb Ferruccio Busoni zu Ende. Die drei Finalisten, die von der Jury unter 26 Mitbewerbern ausgewählt wurden spielten das Klavierkonzert Klavierkonzert Nr. 2 in A-Dur, S. 125 von Franz Liszt (Roman Lopatynskyi), das Klavierkonzert Nr. 2 in f-Moll op. 21 von Fryderyk Chopin (Ji-Yeong Mun) sowie das Klavierkonzert Nr. 2 in G-Dur Sz 95 von Bela Bartok (Alberto Ferro). Die Jury bestand aus Jörg Demus (Vorsitz), Jerome Rose, Arnaldo Cohen, Robert Benz, Boris Bloch, Catherine Vickers, Lilya Zilberstein, Alexander Shtarkman, Roberto Cominati, Alexander Kobrin und Zhu Xiao-Mei.

Die Preisträger: 1. Preis Ji-Yeon Mun (gleichzeitig Trägerin des Premio Alice Tartarotti), 2. Preis: Alberto Ferro, 3. Preis Roman Lopatynskyi, 4. Preis Hong Minsoo, 5. Preis Bolai Cao, 6. Preis Leonardo Colafelice.

Der Preis der Internationalen Musikkritik wurde Alberto Ferro zugesprochen. Der Publikumspreis ging an Roman Lopatynskyi.

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