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Das kopierte Gutachten

Das kopierte Gutachten

Deja-Vú im Landtag: Ein Teil des der TAGESZEITUNG exklusiv vorliegenden Autonomie-Gutachtens soll aus einem älteren Text abgeschrieben sein. Hat das Land doppelt bezahlt – oder handelt es sich hier um ein Missverständnis?

Von Anton Rainer

Zwei Jahre dauerte es, bis das Forschungsduo bestehend aus den Universitätsprofessoren Walter Obwexer und Esther Happacher ihr Gutachten endlich fertiggestellt hatte. Zwei lange Jahre, in denen die Opposition reichlich Gelegenheit hatte, das unfertige Autonomie-Papier zu kritisieren. Sind die Forscher ihr Geld wert? Enthält das Gutachten wirklich etwas Neues? Die Antwort dazu blieb den Abgeordneten bis heute verwehrt. Seit Monaten hält die Landesregierung das endgültige Papier „unter Verschluss“, bemängelt etwa Andreas Pöder.

Als der Abgeordnete vergangene Woche während der aktuellen Fragestunde im Landtag nach dem Stand der Dinge fragt, lautet die Antwort prompt: Das dauert noch, eine Übersetzung gibt’s erst nach den Sommerferien.

Der TAGESZEITUNG liegt das mehr als 600 Seiten starke und immerhin 81.200 Euro teure Papier schon jetzt vor. Exklusiv, eigentlich, doch ein guter Teil des Dokuments scheint der Öffentlichkeit bereits im Voraus bekannt gewesen zu sein. Denn: Mehr als 67 Seiten, also fast ein Zehntel des Autonomie-Gutachtens wurde von Mitautor Walter Obwexer bereits im Rahmen des Forschungsbeitrags „Die EU-rechtliche Determinierung mitgliedstaatlicher Kompetenzen“ im vergangenen April publiziert – und mit einem stattlichen Betrag von 63.459 Euro Landesgeldern separat gefördert.

Walter Obwexer hat die für das genannte Projekt geschriebenen Textpassagen sozusagen zweitverwertet und in das nun vorliegende Autonomie-Gutachten nahezu Wort für Wort übernommen. Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten frappierend:

Bei weit mehr als 90 Prozent der 42-Seiten starken Projektarbeit hat sich Walter Obwexer bedient, größtenteils ganze Absätze finden sich, verteilt auf rund 67 der mehr als 600 Seiten im davon eigentlich komplett unabhängigen Rechtsgutachten, Wort für Wort wieder.

Obwexer, so auch der Vorwurf einiger anonymer Universitätsprofessoren, hat sozusagen bei sich selbst abgeschrieben – aber doppelte Landesgelder kassiert.

Im Gespräch mit der TAGESZEITUNG kann Walter Obwexer mit den Vorwürfen wenig anfangen. Man hätte die Forschungsarbeit für das Rechtsgutachten auch problemlos weglassen können, so der Innsbrucker Professor – sie stehe da nur als Rahmen und „Einleitung“ des eigentlichen Inhalts. Ein Geschenk sozusagen, ein paar zusätzliche Seiten zur besseren Lesbarkeit. Mit dem Gutachten an sich hätten diese nichts zu tun. Warum dann nicht darauf hinweisen, dass sie bereits im April publiziert wurden? Das sei nicht notwendig, meint Walter Obwexer, in Rechtsgutachten sei das Zitieren von Sekundärliteratur grundsätzlich nicht vorgesehen, auch kein Selbstzitat.

Eine Einschätzung, die zumindest Fragen aufwirft: Bereits auf Seite 28, kurz nach Beginn der schon im April publizierten Passagen, zitiert sich Obwexer selbst – allerdings ein Schriftstück aus dem Jahr 2010.

Doch der Experte für Völkerrecht argumentiert noch mit einem zweiten Beweisstück: der Zeit. Weil die Abgabe des Gutachtens vor der Publizierung der Forschungsarbeit in Buchform publiziert wurde, hätte man das Forschungsprojekt gar nicht korrekt zitieren können – es gab ja noch nichts zum Zitieren. Trotzdem, ein Hinweis auf die Zweitverwertung wäre durchaus möglich gewesen – und würde nun lästige Nachfragen ersparen. Welche von den 500 Seiten können nun tatsächlich als Leistung verbucht werden? Wurden weitere Passagen ohne Kennzeichnung übernommen?

Und warum wird ein zumindest teilweise mit älteren Passagen „gestrecktes“ Dokument als „500 Seiten starkes Gutachten“ verkauft?

Einige dieser Fragen will Andreas Pöder (Bürgerunion) nun mithilfe einer Landtagsanfrage klären. Ob Selbstplagiat, Schlampigkeit, oder unbedenkliche Einleitung: Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

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