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Alles nur ein Rechenfehler?

Die Verteidigungsstrategie: Laut den Verteidigern von Rosa Thaler und Gottfried Tappeiner basiere der Rentenskandal auf einem arithmetischen Missverständnis – die vergessene Inflation.

von Thomas Vikoler

Der Rentenskandal, das Ereignis, das hierzulande zur Geburt des Wutbürgers führte, und das Vertrauen in die Politiker arg erschütterte und weiter erschüttert.

Dieses Ereignis, das in den allgemein als skandalös empfundenen Rentenvorschuss-Zahlungen an Politiker gipfelte, soll auf ein arithmetisches Missverständnis beruhen?

Zu diesem Schluss kommt jedenfalls der Verteidiger der Hauptbeschuldigten im anhängigen Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Trient, Ex-Regionalratspräsidentin Rosa Thaler (SVP). „Da wurden die Zahlen durcheinandergebracht“, sagt ihr Anwalt Paolo Fava.

Die Strategie der Verteidigung lässt sich bereits jetzt nachzeichnen.

Sie setzt – zumindest was die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und des erschwerten Betrugs gegen Thaler und Tappeiner betrifft – auf neue, durchaus spektakuläre Erkenntnisse: Demnach basiert die Anklage auf nicht vollständigen Zahlen. Nämlich: Brutto wurde mit netto verglichen.

Verteidiger Fava hat das Zustandekommen der relevanten Zahlen folgendermaßen rekonstruiert: Der Triestiner Pensionsexperte Stefano Visitin schlug in seinem Vorgutachten, das die Regionalratspräsidentin 2012 in Auftrag gegebenen hatte, einen Rahmen von 2,5 bis vier Prozent für den Abzinsungsfaktor vor.

In diesen Prozentsätzen seien, so die Verteidigung, die zwei Prozent Jahresinflation nicht enthalten. Netto ergebe sich, ausgehend von einem Prozentsatz von 2,5 brutto ein Abzinsungsfaktor von 0,5 Prozent. Also sogar um 0,31 Prozent günstiger für die Begünstigten als jener, der schließlich angewandt wurde. Die ominösen 0,81 Prozent.

Die Rekonstruktion der Verteidigung bringt zwei weitere neue Fakten ans Licht. Demnach habe nicht Tappeiner die 0,81 Prozent errechnet, sondern ein Geometer der Regionalverwaltung. Tappeiner habe lediglich die Kriterien für die Berechnung festgelegt, u.a. die zwei Prozent Inflation aufgrund der Daten der Europäischen Zentralbank (BCE).

Das ist nicht alles:

Weil der Geometer der Region nicht berechtigt war, seine Berechnungen zu zertifizieren, wandte er sich an einen Pensionsexperten. An wen? An Stefano Visintin, dem Autor des Vorgutachtens, der die 0,81 Prozent für angemessen erklärte.

Laut Anklageschrift hat die Regionalratspräsidentin Visintin als Gutachter abserviert und zu einer Reduzierung seiner Honorarnote genötigt.

Was die als sehr hoch veranschlagte Lebenserwartung der pensionsberechtigten Politiker betrifft, verweist die Verteidigung auf die hohen Wissenschaftsstandards von Tappeiners Gratis-Gutachten.

Auch den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung bei der Vergabe der Verwaltung des Family Fonds will die Verteidigung entkräften.

Man darf gespannt sein.

 

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