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Watschn aus Wien

Watschn aus Wien

Der ÖVP-Südtirol-Sprecher im österreichischen Nationalrat, Hermann Gahr, sieht kaum Chancen auf eine doppelte Staatsbürgerschaft für Südtirol. Die Bedenken in Wien und Tirol seien einfach zu groß.

TAGESZEITUNG Online: Herr Gahr, das Antwortschreiben von Außenminister Sebastian Kurz auf eine FPÖ-Anfrage zum Finanzabkommen Bozen-Rom hat in Südtirol für Polemiken gesorgt. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?

Hermann Gahr: Grundsätzlich ist jede politische Initiative und Diskussion, die für Südtirol mehr Sicherheit in Finanzfragen bringt, zu begrüßen. Das Finanzabkommen ist ein ausgezeichnetes Ergebnis langer Verhandlungen, Landeshauptmann Arno Kompatscher hat sich sehr um eine gute Lösung bemüht. Es ist klar, dass die Opposition nicht zufrieden ist. Man gönnt dem Landeshauptmann scheinbar keinen Erfolg. Man sollte erkennen, dass nicht Streit, sondern politisches Geschick und hartnäckige Verhandlungen zu Erfolg führen. Die Polemik, die von gewissen Südtiroler Kreisen nunmehr ausgebrochen ist, mit dem Ziel politisches Kleingeld zu machen, ist für Südtirol schädlich und spielt lediglich der italienischen Seite in die Hände. Mein Tipp lautet daher: Mehr konstruktive Zusammenarbeit in dieser schwierigen Zeit.

Hat der Briefwechsel zwischen Matteo Renzi und Werner Faymann aus Ihrer Sicht völkerrechtliche Relevanz?

Außenminister Sebastian Kurz hat klargestellt, dass es sich um ein bilaterales Abkommen und nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, den Österreich mitunterzeichnen könnte. Mit der Notifikation durch Italien und ihre Beantwortung durch Österreich erlangt der Inhalt des zwischen Rom und Bozen abgeschlossenen Finanzabkommens jedoch auch völkerrechtliche Relevanz.

Das Mailänder Abkommen wurde von der italienischen Regierung nicht eingehalten. Wie kann das neue Finanzabkommen abgesichert werden? Und welche Rolle spielt Österreich dabei?

Ich sehe es durchaus kritisch, dass das Mailänder Abkommen nicht eingehalten wurde, wogegen Österreich auch bei jeder Gelegenheit gegenüber Italien Protest eingelegt hat. Wie man sieht, waren diese Proteste auch insofern erfolgreich, als nach den jetzigen Finanzverhandlungen sogar ein Briefwechsel der beiden Regierungschefs stattgefunden hat. Jedoch darf ich dazu feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben. Auch in Österreich müssen Gemeinden, Länder und der Bund die schwierige finanzielle Lage in den Griff bekommen. Alle müssen dazu beitragen, das Budget zu sanieren.

Wie groß ist das Interesse der österreichischen Nationalratsabgeordneten an dem Finanzabkommen?

Die Tatsache, dass der Nationalrat seit vielen Jahren einen eigenen Südtirol-Unterausschuss eingerichtet hat, zeigt sehr anschaulich, wie groß das Interesse an Südtirolrelevanten Fragen ist. Ich denke, dass dieses Thema bei einem nächsten Ausschuss auch diskutiert werden wird.

Haben sich die Beziehungen zu Südtirol unter Außenminister Sebastian Kurz verändert?

So wie frühere Außenminister bemüht sich Sebastian Kurz außerordentlich um enge Beziehungen zu Südtirol. Er hat sich international in kurzer Zeit ein hohes politisches Ansehen erarbeitet. Sebastian Kurz hat sehr gute Kontakte nach Südtirol und kennt sich in Südtirol-Fragen bestens aus.

Ist Südtirol nach wie vor eine Herzensangelegenheit für Österreich und für die ÖVP?

Südtirol war und bleibt ein wichtiges Anliegen für Österreich und Tirol, bei dem es parteiübergreifenden Konsens gibt. Persönlich sehe ich Südtirol daher nicht als reine parteipolitische Angelegenheit.

Ist die Schutzmachtfunktion Österreichs noch zeitgemäß?

Die Schutzfunktion ist bestimmt zeitgemäß, daran wird sich auch nichts ändern. Der Pariser Vertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag.

Wie sehen Sie die Chancen in Sachen doppelte Staatsbürgerschaft für die Südtiroler?

Dieses Anliegen ist nicht einfach so umzusetzen. Von unserer Seite wurde der Wunsch der Bürgerinitiative geprüft. Grundsätzlich braucht es nun eine politische Entscheidung. Diese scheint derzeit allerdings nur schwer möglich zu sein. Es gibt etwa Bedenken, dass es Folgewirkungen für andere Minderheiten gibt. Gerade in einer politisch sensiblen Zeit und auch unter Berücksichtigung der europäischen Dimension ist es wichtig, nicht emotional oder egoistisch zu agieren. Ich glaube auch, dass es zuerst eine höhere Akzeptanz in Tirol und in Wien braucht, was ich derzeit nicht erkennen kann.

Interview: Matthias Kofler

 

 

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