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„Unser Botschafter“

Der langjährige Leiter des Außenamtes in Rom, Peter Gasser, ist tot. Ein Nachruf von Arnold Tribus.

In den letzten Monaten waren keine Postkarten mehr in die Redaktion gekommen, was eine so liebenswerte Gewohnheit von ihm war, wenn er auf Reisen war. Mit seiner kleinen runden Schrift sendete er Grüße aus fernen Ländern mit herrlichen Landschaften. Er war ein Lebenskünstler und Genießer, gebildet und belesen. Nach seiner Pensionierung 2004 hat Peter Gasser die ganze Welt bereist, er hat es sich gut gehen lassen und viel erlebt. Er war ein Mann von Welt, ein Weltenbürger, ein aufgeklärter Südtiroler, Provinzialität war ihm fremd, genauso wie das kleinkarierte Gehabe, das unsere Landsleute oft auszeichnet. Er war ein Städter, denn Stadtluft macht frei. Und er war frei.

1935 in Brixen geboren, ist er in Rom aufgewachsen, wo seine Eltern die Pension Gasser führten. Er, der Römer, hat seine Heimat über alles geliebt und sie in Rom mit viel Leidenschaft und Liebe vertreten. Denn Peter Gasser war von 1957 bis 2004 unser Botschafter in Rom, er liebte diesen Titel und sein Büro war eben die Botschaft des Landes. Er hat seine Botschaftertätigkeit in Rom unter sehr bescheidenen Verhältnissen in der Via della Stelletta begonnen, bevor er in die prunkvollere Via del Gesú wechselte. Vorne war das Büro, im hinteren Teil wohnte der Beamte Gasser. Ich habe ihn dort kennengelernt, als Alexander Langer und ich in einem Ministerium vorsprachen und danach eine Schreibmaschine gebraucht haben, Computer gab es ja noch keine. Wir haben dann bei ihm angeklopft und er hat uns einen Schreibtisch zur Verfügung gestellt. Zu ihm könne jeder kommen sagte er, er freute sich, dass wir, obwohl von der Opposition, zu ihm gekommen waren, man darf ja nicht vergessen, dass die Opposition damals sehr diskriminiert und ausgegrenzt wurde. Er sah sich in seiner Position als Diener des Volkes. Selbstverständlich hatte er in erster Linie die Interessen des Landes in der Hauptstadt wahrzunehmen, er hatte der Politik zu dienen, dieser den Weg zu den verschiedenen hohen Beamten und Ministerien zu ebnen und vorzubereiten, die mit unseren Agenden befasst waren. Und da war er ein Künstler, ein geborener Diplomat, was ja auch auf seine feinen Umgangsformen, seine Eleganz – er trug immer Anzug mit Krawatte – und seine geschliffene Sprache zurückzuführen war. Seine Schriftstücke und Briefe lesen sich wie ein Lehrbuch der hohen Diplomatie. Es war seine Fähigkeit, auch einen harten Standpunkt des Landes in ein barockes Italienisch zu verpacken und verdaulich zu machen.

Es war eine harte Zeit damals, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Südtirol hatte in Rom einen sehr schweren Stand, es war die Zeit der Bomben, und Peter Gasser hatte alle Hände voll zu tun, für unser Land einzutreten und es zu vertreten. Und auf sein diplomatisches Geschick, seine Überzeugungskunst ist auch die Lösung wohl einiger Probleme zurückzuführen. Peter Gasser war ein durch und durch politischer Mensch, er liebte die Politik, die für ihn Dienst am Bürger war. Er klagte immer wieder, dass die Politik heute ein Spiel von Macht und Geld geworden sei. Er war ein großer Freund von Senator Peter Brugger, dessen Parlamentssekretär er war, bevor er die Botschaft übernahm. Wie Brugger war er Paketgegner, hat sich aber nach der Paketabstimmung am 22.11.1969 in Meran mit Leidenschaft für dessen Umsetzung stark gemacht. Er hat zahllosen Südtirolern in Rom zu ihrem Recht verholfen, er war der römische Bezugspunkt auch der einfachen, kleinen Leute, die er immer tatkräftig unterstützte. Ein wertvoller Mensch hat uns verlassen. Er hat die Tageszeitung geliebt und wir werden ihn nicht vergessen. Seiner lieben Frau Angelika Dielitz gilt unsere Anteilnahme. Mögen Engel ihn begleiten!

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • vogelweider

    Danke, Herr Tribus! Ich hatte mich schon gefragt, ob die mickrige und nichts sagende Nachricht in der „Dolomiten“ der einzige „Nachruf“bliebe.
    Ich habe diesen Mann zwar nie persönlich kennen gelernt, aber viel von ihm gehalten und seine Arbeit und sein manchmal äußerst notwendiges Dagegenhalten gegen unsere Mächtigen bewundert.

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