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„Ein intelligenter Bursch“

Karl Zeller analysiert die gegenwärtigen Perspektiven der SVP im chaotischen Rom, lobt Paul Köllensperger – und watscht die deutsche Opposition ab.

TAGESZEITUNG Online: Herr Zeller, wie schätzen Sie die aktuelle Patt-Situation in Rom aus der Sicht der SVP ein?

Karl Zeller: Wir halten es wie Franz Beckenbauer, der sagte: Schau’n mer mal! Was willst du in diesem römischen Chaos auch anderes tun? Für uns ist das keine besonders angenehme Perspektive. Jetzt warten wir erst einmal ab und schauen uns an, wie das Regierungsprogramm aussieht und welche Personen an der Regierung beteiligt sind. Wir bleiben immer offen für Gespräche.

Können Sie sich vorstellen, dass die SVP einer Regierung aus Cinque Stelle und Mitterechts das Vertrauen aussprechen wird?

Das glaube ich eher nicht! Wenn es aus unserer Sicht nicht passt, dann bleiben wir halt in der Opposition, was aber keine Fundamentalopposition sein wird. Wir haben in Rom nie Fundamentalopposition betrieben, nicht einmal unter Silvio Berlusconi. Wir haben immer konstruktiv gearbeitet und eine neutrale Haltung eingenommen, auch wenn wir der Regierung das Vertrauen nicht ausgesprochen haben. In diesem Fall stimmen wir für die Dinge, die wir gut finden – zum Beispiel Steuersenkungen – und gegen die Dinge, die wir schlecht finden. Bei den Vertrauensabstimmungen stimmen wir entweder dagegen oder enthalten uns. Einer Regierung das Vertrauen auszusprechen heißt, dass man Teil der Mehrheit ist. Derzeit sieht es so aus, als ob sie unsere Stimmen ohnehin nicht brauchen. Das kann sich in ein paar Monaten aber ändern, wenn der PD in die Regierung eintritt. Dann könnte es in Italien so ausgehen wie in Deutschland. Im Moment stoßen sich Salvini und Di Maio ja noch die Hörner ab. Doch wenn die erste Variante nicht klappt, dann kommt die schlechtere zweite Variante zum Zuge. In der Politik ist es wie in der Liebe: Dort muss man sich, wenn die Ehe scheitert, auch eine neue Braut suchen, auch wenn diese nicht mehr so schön ist wie die erste (lacht). Eine dritte Variante wäre eine parteiübergreifende Regierung, die zwei, drei Programmpunkte umsetzt und dann, nach drei Monaten, Neuwahlen einleitet.

Aus SVP-Sicht wäre eine Regierung mit PD-Beteiligung die ideale Lösung?

Ideal ist fast gar nichts, denn auch in diesem Fall wären ja die Cinque Stelle mit dabei. Das was die Grillini bislang abgeliefert haben, ist nicht gerade erbaulich. Sie müssen erst den Sprung aus der Opposition schaffen, das wird für Di Maio zur Nagelprobe. Bis jetzt war es immer leicht, weil man zu allem Nein sein konnte. Jetzt geht es für die Grillini darum, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die Situation ist so wie 2013, wo PD-Chef Pier Luigi Bersani eine Mehrheit suchte, nur dieses Mal mit umgekehrten Vorzeichen. Im Vergleich zu Di Maio ist Matteo Salvini noch vernünftiger, weil er sagt, dass er nicht unbedingt Ministerpräsident werden müsse. Di Maio hingegen sagt: Ich will Ministerpräsident werden und das ist unser Programm, das ihr mitzutragen habt! So blöd wird aber keine Partei sein, dass sie diese Bedingungen akzeptiert. Die Grillini sind noch in der pubertären Phase, sie müssen erst erwachsen sein. Entweder sie fordern das Amt des Ministerpräsidenten für sich und sind im Gegenzug bereit, die Programmpunkte von Mitterechts mitzutragen – oder umgekehrt. Ansonsten wird es keine Regierung geben.

Werden die Grillini am Ende in der Opposition landen?

Das ist eher unwahrscheinlich. Sie sind in einer strategisch zentralen Position und können sowohl mit dem PD also auch mit der Lega. Di Maio muss aber seine Haltung ändern. Zu sagen, dass sowohl Renzi als auch Berlusconi draußen bleiben müssen, wird zu nichts führen. Wenn die Cinque Stelle erst einmal mit Berlusconi zusammenarbeiten, wird das bei der Basis freilich nicht gut ankommen. Deshalb bleiben sie so stur bei ihrer populistischen Haltung. Das, was Di Maio zurzeit abliefert, bestätigt nur meine Vorurteile den Grillini gegenüber. Ich mag die Populisten einfach nicht!

Läuft die SVP Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen, sollten sich in Rom breite Regierungsmehrheiten ergeben? Was heißt bedeutungslos?

In meinen 24 Jahren im Parlament hat es anfangs oft schlecht für uns ausgesehen, weil unsere Stimmen nicht ausschlaggebend waren. In der Hälfte meiner parlamentarischen Tätigkeit war das so. Doch durch unsere gute Arbeit und dank des Sympathiefaktors, den eine Minderheit hat, haben wir trotzdem immer möglichst viel für Südtirol herausgeholt.

Ist die jetzige Situation den Jahren der Berlusconi-Regierungen ähnlich?

Unter Berlusconi habe ich 2004, in Zusammenarbeit mit Roberto Calderoli, das Einvernehmen bei den Abänderungen des Autonomiestatuts ausverhandeln können, und das, obwohl wir in der Opposition waren. Wichtig ist, dass du gute Kontakte pflegst zu den Politikern, die eine programmatische Nähe zu dir haben. Wir sind in Rom nie mit verschränkten Armen auf den Oppositionsbänken gesessen und haben geschmollt. Wir haben immer unser Territorium vertreten und für dessen Interessen und Werte gearbeitet. Das heißt aber nicht, dass wir Wendehälse sind.

Ein Landtagsabgeordneter bezeichnet die SVP ob ihrer Haltung in Rom als „Prostituierte“. Zu recht?

Die deutsche Opposition hat von römischer Politik noch nie etwas verstanden. Deshalb ist es auch kein Schaden für Südtirol, dass wir ein Wahlgesetz haben, mit dem es die Opposition nicht so leicht hat, nach Rom zu kommen. Der Kopf der Oppositionspolitiker ist immer starr nach Norden gerichtet. Wenn sie einmal in den Süden blicken müssen, dann bekommen sie einen steifen Hals. Die römische Politik ist einfach zu kompliziert für sie. Die Oppositionsvertreter verstehen nicht viel von Diplomatie. Gnade uns Gott, wenn wir das machen müssten, was die Opposition verlangt. Die Opposition ist so gepolt, dass es ihr die SVP nie recht machen kann, egal was sie tut. Zum Glück sieht das die Bevölkerung anders. Die Südtiroler vertrauen uns. Wenn sie glauben würden, dass ein Sven Knoll sie gut in Rom vertreten könnte, dann würde er antreten und die Wähler würden mehrheitlich ihn und nicht uns wählen. Doch das ist nicht der Fall, und deshalb ist die Opposition nun schon seit 70 Jahren in der Opposition. Das, was von der Opposition kommt, sind nur Zurufe, die uns zum einem Ohr hineingehen und zum anderen wieder hinaus. Dass sich die Opposition mit ihren Kommentaren in Zukunft zurückhalten wird, ist ein frommer Wunsch von mir, der sich aber nicht erfüllen wird.

Inwieweit wirkt sich das Hickhack in Rom auf die Landtagswahlen im Herbst aus?

Sven Knoll

Das hat mit den Landtagswahlen wenig zu tun. Es gibt keinen Anlass, warum die SVP im Herbst an Wählerstimmen verlieren sollte: Die Wirtschaftskraft steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, das Land steht insgesamt gut da. Natürlich sucht die Opposition immer das Haar in der Suppe – und wenn die Suppe so klar ist wie hier in Südtirol und sie deshalb auch kein Haar finden kann, tut sie das Haar halt selber hinein. Die Wähler sind pragmatisch und vernünftig genug, dass sie unsere Arbeit wertschätzen. Aber Garantien gibt es nie, wie wir in Rom gesehen haben. Dort haben die Regierungen Renzi und Gentiloni gute Leistungen gebracht, doch in Rom ticken die Uhren einfach anders.

Schließen Sie aus, dass die SVP statt dem PD künftig die Lega oder die Cinque Stelle mit in die Regierung nimmt?

Köllensperger ist sicher jemand, mit dem wir gut zusammenarbeiten könnten. Man merkt ihm an, wie unwohl er sich bei den Grillini fühlt. Das ist einfach nicht sein Stil! An jedem zweiten Tag muss er sich von deren Positionen in Rom distanzieren, weil ihm diese peinlich sind. Mir ist Köllensperger sympathisch. Ich habe ihm schon öfter gesagt: Du bist ein intelligenter Bursch, aber einfach im falschen Verein. Er würde perfekt in die Volkspartei passen.

Nur: Er ist kein Italiener …

Er wird sicher nicht zur SVP wechseln, weil er bei den Grillini sehr erfolgreich ist. Vielleicht bekommt er einen zweiten, italienischsprachigen Abgeordneten in den Landtag. Schauen wir einmal, wie die Wahlen ausgehen. Wir sind für alles offen. Ich persönlich bin aber der Meinung, dass es keinen Grund gibt, warum wir den PD als Bündnispartner austauschen sollten. Er hat sich immer loyal und korrekt verhalten, wir können dem PD also keine Vorwürfe machen. Und: Roberto Bizzo ist nicht mehr im PD.

Interview: Matthias Kofler

 

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Kommentare (13)

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  • andreas

    🙂 🙂 🙂 grande Zeller
    Bei 4 Ehefrauen kann man ihn auch nicht mangelnde Erfahrung vorwerfen. 🙂

    Bei dem, dass Köllensperger perfekt in die SVP passen würde, teile ich aber nicht seine Meinung.
    Dafür ist die Meinung Köllenspergers viel zu idealistisch und er würde auf zu viel Widerstand treffen, da dort jeder sein Revier zu verteidigen versucht und sei es noch so richtig, was Köllensperger sagt.
    Er wäre eine Opposition in der eigenen Partei. wenn dann müsste er Achammer als Obmann ablösen, welcher sowieso eine komplette Fehlbesetzung ist.

  • pingoballino1955

    Köllensberger in der SVP-da würde ein anderer Wind blasen . Wäre viel zu schade für diese SVP!

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