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„Ich bin der Sündenbock“

Carmen Salvatore (Foto:Tageszeitung/Vikoler)

Die des Betrugs angeklagte Schönheitschirurgin Carmen Salvatore erklärt sich im Palace-Prozess als Opfer eines nicht von ihr erfundenen „Abrechnungs-Systems“, in dem Schwarzgeldzahlungen willkommen waren.

Von Thomas Vikoler

Das Hotel Palace hat das Image eines noblen Rückzugsortes für Reiche aus aller Welt. Die insbesondere vom Namen des Schönheitsexperten Henri Chenot angezogen werden. Hinter den Kulissen ging es offenbar weniger nobel zu, wie der laufende Betrugsprozess am Landesgericht Bozen zeigt. Die beiden Angeklagten, Ex-Direktor Massimiliano Sturaro und die bis 2014 dort wirkende Schönheitschirurgin Carmen Salvatore, haben in mehrstündigen Zeugenaussagen schlüssig finanzielle Interna aufgetischt.

Nach Sturaros Auftritt am 8. März war am Donnerstag Carmen Salvatore, aus Dubai angereist, an der Reihe: „Ich bin der Sündenbock in dieser Geschichte. Ich bin die einzige die bezahlt hat“ erklärt die Ärztin nach ihrer vierstündigen Zeugenaussage gegenüber der TAGESZEITUNG.

Im August 2012 nahm Salvatore, auf Vermittlung von Dominique Chenot, im Palace ihren freiberuflichen Dienst auf. Und wurde von den Chenots, wie sie berichtet, gleich eingewiesen in ein „Abrechnungssystem“, das folgendermaßen funktionierte: Sie, Salvatore, sollte 50 Prozent der Einnahmen aus ihren Dienstleistungen erhalten, das Palace die restliche Hälfte.

Ein Teil der Einnahmen gingen direkt über ein POS-Gerät auf ihre eigenen Konten. Später wurde das Verhältnis auf 60:40 bzw. 70:30 zugunsten Salvatores verschoben. Die Angeklagte im Zeugenstand sagt auch, dass für Russen oder Kunden aus den Golfstaaten erbrachte Leistungen nicht fakturiert wurden und erhebliche Mengen Bargeld geflossen seien. Auch wegen des Kreditkartenlimits für russische Gäste. Jeden Monat sei intern abgerechnet worden: Entweder erhielt sie, Salvatore, einen Teil des Bargeldes oder leistete eine Ausgleichszahlung.

Die Angeklagte will mehrmals beobachtet haben, wie an der Zentralkasse Bargeld-Kuverts an Dominique Chenot übergeben wurden. Die Chenots haben bei ihren Auftritten im Prozess die Entgegennahme von Bargeld kategorisch bestritten. Sturaro berichtete hingegen von 33 monatlichen Zahlungen zu 10.000 Euro. „Ich dachte zunächst, das Hotel gehöre den Chenots“, sagt Salvatore. Sie berichtet von ihren Geschenken an das Ehepaar, die manchmal mehr als 15.000 Euro kosteten.

Alle Beteiligten verdienten offenbar gut im Palace: Eine Behandlung bei Salvatore, etwa die von ihr als Verjüngungskur entwickelte Blutwäsche, kostete mehrere tausend Euro. Allerdings seien dafür, so erklärt sie, keine Rechnungen ausgestellt worden, weil dem Palace die sanitäre Genehmigung dafür fehlte. Diese hätte – ebenso wie die Genehmigung für Blutproben, welche die SPA-Abteilung von allen Kunden nahm – von der Transplantationsabteilung eines Spitals erteilt werden müssen.

Am 18. Februar 2014 führte die Finanzwache Bologna bei Salvatore eine Steuerprüfung durch. Ergebnis: Millionenbeträge waren nicht versteuert worden, die Ärztin zahlte 800.000 Euro nach bzw. an Strafen.

Sie wandte sich umgehend an Pietro Tosolini, dem Eigentümer des Palace. Auch weil sie erwartete, dass das Palace bzw. die Chenots angesichts der 50:50-Vereinarung einen Teil der Steuernachzahlung übernehmen würden. „Er sagte, ich sollte das Problem selbst lösen und drohte mit einer Anzeige wegen Betrugs“, erklärt Salvatore vor Gericht.

Die Anzeige erstattete Tosolini im November 2014, einen Monat zuvor hatte Salvatore die Carabinieri-Einheit NAS über die fehlende Genehmigung für Bluttransfusionen informiert.

Der Angeklagten wird in diesem Strafverfahren vorgeworfen, Tosolini um 1,3 Millionen Euro betrogen zu haben. „Die Summe stimmt nicht, denn 45 Prozent sind wegen meiner eigenen Materialspesen abzuziehen“, erläutert Salvatore. Sie habe niemanden betrogen, denn das „System“ sei so vereinbart worden. Dass Tosolini, Nebenkläger im Prozess, davon gewusst habe, will Salvatore nicht behaupten.

Der Palace-Prozess wird am 15. Mai mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetzt.

 

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