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„Lega ist kein Horror“

Der scheidende SVP-Senator Hans Berger über die komplizierten Regierungsverhandlungen in Rom, die neuen Optionen für die SVP – und über seine persönlichen Zukunftsambitionen.

Tageszeitung: Herr Berger, nach der Wahl vom 4. März herrscht in Italien eine schwierige Pattsituation. Cinque Stelle und Lega sind die großen Wahlgewinner, PD-Chef Matteo Renzi hingegen erklärt seinen Rücktritt. Haben Sie mit diesem Ausgang gerechnet?

Hans Berger: Nein, ich habe die Cinque Stelle unter 30 Prozent eingeschätzt. Und ich habe auch nicht damit gerechnet, dass die Lega vor Forza Italia landen würde. Ich bin bis zum Schluss davon ausgegangen, dass die Italiener ein bisschen moderater wählen würden, dass sie also, wenn sie an die Urnen gehen, anfangen, vernünftig nachzudenken. Das war aber nicht so.

Welche Optionen bieten sich jetzt für Italien?

Man hat nach den Wahlen gesehen, dass die internationalen Märkte nicht sonderlich überrascht auf den Ausgang reagiert haben. Es ist hinlänglich bekannt, dass Italien schwer regierbar ist. Ich gehe aber dennoch davon aus, dass Italien eine Regierung bekommen wird, dass also nicht neu gewählt werden muss.

Wie genau kann eine solche Regierung aussehen?

Staatspräsident Sergio Mattarella wird erst einmal abwarten und schauen, ob es den Cinque Stelle oder der Lega gelingt, eine Mehrheit auf die Beine zu stellen. Ansonsten wird er selbst das Heft in die Hand nehmen und den PD auffordern, sich für Verhandlungen zu öffnen. Es wird dann ein bisschen eine Kopie von dem geben, was in Deutschland passiert ist. Die Frage ist nur, wie das passieren wird. Es ist im Moment schwer vorstellbar, dass sich die extremen Parteien an einen Tisch setzen und darüber verhandeln, wie sie ihre Versprechungen umsetzen können. Doch genau das erwarten sich nun die Bürger. Die Cinque Stellen haben ein Staatsbürgerschaftseinkommen angekündigt, die Lega hat die Abschaffung der Fornero-Reform und einen Einheitsprozentsatz der Besteuerung versprochen. Letzteres würde ich begrüßen, da ich der Meinung bin, dass höhere Steuern nicht unbedingt zu höheren Einnahmen führen.

Glauben Sie, dass Cinque Stelle und Lega eine Regierung zustande bekommen?

Ich glaube das eher nicht. Realistischer ist für mich die Option, dass der PD mit einer der beiden Parteien einen Modus Vivendi finden wird. Das wäre zwar ein Zusammengehen der totalen Gegensätze, das nicht lange halten wird. Es ist aber wahrscheinlicher, als dass sich Cinque Stelle und Lega in ein gemeinsames Boot setzen. Die Frage ist, ob Teile des PD bereit sind, mit dem Mitterechtsbündnis zusammenzugehen. Der PD-Flügel von Matteo Renzi wäre sicher zu einer Zusammenarbeit mit Berlusconi bereit gewesen. Für diesen Flügel wäre das keine Horrorvision gewesen. Eine solche Mehrheit ohne die Lega ist aber nicht vorhanden. Die Lega ist für viele PD-Politiker inakzeptabel.

Wer wird neuer Ministerpräsident?

Ich hoffe, dass man sich auf eine Zwischenlösung Gentiloni einigen kann. Er bleibt ja vorerst weiterhin geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung gebildet wird. Mit Gentiloni könnte man sicherstellen, dass im Falle einer Einigung keine Seite so richtig Unrecht hat.

Was würden Sie Ihren SVP-Nachfolgern im Parlament empfehlen?

Abzuwarten und sich zu orientieren. Die Lega ist für uns nicht der Horror. Sie ist auf dem Prinzip des Föderalismus aufgebaut und würde unsere Autonomie nicht antasten. Damit wäre sie für uns irgendwie erträglich, auch wenn sie nicht unbedingt ein Partner sein muss. Von der Lega würde keine Gefahr ausgehen. Ob das auch für die Cinque Stelle gilt, weiß ich nicht. Dafür müsste sie ihre Ansichten im Vergleich zur letzten Legislatur komplett ändern. Wenn sie hingegen ihre Autonomiepolitik so fortsetzen wie in der abgelaufenen Legislatur, dann wäre dies keine gute Zukunftsperspektive für Südtirol.

Wie sieht Ihre persönliche Zukunftsplanung aus?

Ich werde mich sicher nicht von heute auf morgen komplett aus der Politik zurückziehen. Es gibt noch genügend Dinge, die ich weiterführen möchte – und es gibt auch politische Tätigkeitsfelder, die man ohne Parlamentsmandat bearbeiten kann. Am Montagnachmittag bin ich nach Rom gefahren, um mich mit dem neuen Zollchef Kessler und mit Vertretern der Energiebehörde GSE zu treffen. Es gibt für mich jeden Tag etwas zu tun. Im Parlament habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut, das ich meinen Nachfolgern gerne zur Verfügung stelle, falls dafür Interesse besteht. Ich werde mich aber sicher nicht einmischen, wenn ich nicht gefragt werde. Und irgendwann muss ich ja auch damit beginnen, in Rom mein Büro aufzuräumen (lacht).

Interview: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (12)

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  • andreas

    Einer der sich als Landesrat selbst einen Beitrag von ca. 9.000 Euro genehmigt und nachher behauptet, er hat nicht gesehen, dass bei bei den glaub 12 Ansuchen seines auch dabei war, hat eigentlich jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit verloren.
    Ich hoffe diese Generation „Selbstbedienungsladen“ ist bald komplett abgewählt oder in Pension.

  • ostern

    „Lega ist kein Horror“ sag dies bitte deiner Parteikollegin Unterkircher.
    Der PD soll noch einmal in die Regierung zurückkommen?
    Bleib in Ahrntal und träum weiter! Seriöse Politik schaut anders aus.
    Typisch SVP kann man laut sagen!

  • criticus

    Politik in Rom ist leider immer ein „Geben“ und „Nehmen“. Bin von Berger auch nicht begeistert, aber politisch ist er für Rom weit aus besser als eine Unterberger: Die kläfft schon, bevor sie von der Leine gelassen wird. Frau Unterberger hat noch niemand in Rom kennengelernt und schwingt schon große Reden.

  • sougeatsnet

    Herr Berger, haben sie es noch nicht bergiffen: die Italiener waren mit ihrer Arbeit nicht zufrieden. Eine Mehrheit will Veränderung, weg von Kumpelei und Intrigen.

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