Du befindest dich hier: Home » News » Der Stern

Der Stern

Paul Köllensperger

Er wird in Südtirol als der heimliche Sieger der Parlamentswahlen herumgereicht: Paul Köllensperger. Der Grillino pflegt sehr geschickt sein Saubermann-Image , er hofft, dass die 5-Sterne-Bewegung in Rom mitregiert – und kann sich eine Zusammenarbeit mit der SVP durchaus vorstellen.

TAGESZEITUNG Online: Herr Köllensperger, die 5-Sterne-Bewegung hat bei den Parlamentswahlen südtirolweit 14 Prozent der Stimmen erreicht. In Bozen sind die Grillini mit 22 Prozent die stärkste Kraft. Sie können bereits den Sekt für den Tag nach Landtagswahlen kaltstellen?

Paul Köllensperger: Nein, die Parlamentswahlen haben mit den Landtagswahlen so wenig gemeinsam, dass man keine Rückschlüsse ziehen kann. Der einzige kleine Rückschluss könnte sein, dass sich die 5-Sterne-Bewegung langsam bei der deutschen Bevölkerung etabliert. Von Vorteil könnte sein, wenn die 5-Sterne-Bewegung in Rom in der Regierung sitzt.

Für viele Menschen in Südtirol verkörpern Sie den Saubermann, der leider der falschen Partei angehört. Haben Sie dennoch die Hoffnung, ein Südtiroler Di Maio zu werden?

Ein Südtiroler Di Maio? Nein, die Voraussetzungen sind ganz verschieden. In Südtirol haben wir eine dominante Partei mit einer monolithischen Struktur, die mit einem Italiener als Anhängsel – meist dem PD – regiert. Der lokale M5S ist eine – noch zumindest – kleine Bewegung. In Rom haben wir eine ganz andere Situation. Di Maio führt die größte Partei in Rom, aber muss dort schauen, dass er jemanden findet, mit dem er eine Regierung bilden kann.

Wie ordnen Sie das Südtiroler Ergebnis SVP ein? Wie viel sind die 49 Prozent wert, wenn man bedenkt, dass die deutsche Rechtsopposition nicht zu den Wahlen angetreten ist?

Bei der SVP sollten eigentlich die Alarmglocken läuten, weil sie 20.000 Stimmen verloren hat. Prozentuell hat sie ihr Ergebnis halten können, weil weniger Leute wählen gegangen sind und weil ein guter Teil der Opposition nicht zur Wahl angetreten ist. Aber dennoch sieht man, dass die SVP weiterhin imstande ist, ihre Wähler zu mobilisieren und sogar zu motivieren, Kandidaten wie Maria Elena Boschi zu wählen.

Da staunen Sie?

Ja, die SVP hat trotz all ihrer Schwierigkeiten die Kapazität, ihre Wählerschaft zu mobilisieren, weil es sich großteils um treue Wähler handelt.

Die Grünen sind in Südtirol die großen Verlierer der Wahl. Ein Betriebsunfall? Oder ein Trend?

Die grünen Kandidaten

Die Grünen sind von einem verlorenen Posten aus gestartet, weil sie sich einen Partner zulegen mussten. Wie immer haben sie für eine Linkspartei optiert, zu der die Menschen wenig Zugang hatten. Andererseits hatten die Grünen nicht viele Optionen. Die Alternative wäre gewesen, gar nicht anzutreten. Ich finde es prinzipiell richtig, dass sie angetreten sind.

Nochmals zu Ihrer Ausgangsposition für die Landtagswahlen: Viel wird davon abhängen, ob die 5-Sterne-Bewegung in Rom regieren wird. Welches Gefühl haben Sie?

Die Frage kann ich nicht beantworten, weil ich kein Talent als Prophet habe.

Sie selbst bezeichnen sich als sozialliberal. Also kann man davon ausgehen, dass Sie eine Koalition der 5-Sterne-Bewegung mit dem PD oder mit Teilen des PD favorisieren würden?

Das kann man so nicht sagen. Man sollte nicht den ideologischen Ansatz wählen, sondern es sollte ausschließlich um Inhalte gehen. Man sollte also schauen, mit wem es am meisten Übereinstimmung gibt.

Sie gehen aber davon aus, dass die Grillini in der Regierung sitzen werden?

Di Maio möchte regieren, er hat eindeutig den Willen dazu. Ob es ihm gelingt, das muss man sehen. Und das hängt auch davon ab, wen der Staatspräsident mit Sondierungsgesprächen betraut.

Beppe Grillo hat frohlockt: Renzi entsorgt worden. Nun bleibt Renzi noch bis zu einer Regierungsbildung im Amt – es heißt, um eine Koalition des PD mit den Grillini zu verhindern …

Das könnte durchaus so sein.

Waren Sie über das Ausmaß des PD-Desasters überrascht?

Nein, ich hatte 19 Prozent für den PD getippt.

Warum?

Mir war klar, dass Matteo Renzi nur etwas verschrottet hat: sich selbst und seine Partei.

Silvio Berlusconi wird alles unternehmen, um eine 5-Sterne-Regierung zu vermeiden, um zu verhindern, dass sein Imperium zerschlagen wird …

Luigi Di Maio in Bozen

Dass die 5-Sterne-Bewegung auf seinen Betrieb losgehen würde, glaube ich nicht. Aber sicherlich: Kernthemen einer Regierung mit 5-Sterne-Beteiligung wären der Kampf gegen die Korruption, gegen Steuerhinterziehung und ein Gesetz gegen den Interessenskonflikt. Das sind natürlich rote Tücher für Berlusconi.

Kehren wir nach Südtirol: Würde es Sie reizen, mit einer Bürgerliste bei den Landtagswahlen anzutreten, oder ist ein solches Projekt jetzt nach dem Wahlsieg Di Maios gestorben?

Es wird nach der Regierungsbildung Gespräche mit Luigi Di Maio geben. Dabei werden wir klären, wie wir als 5-Sterne-Bewegung die besondere Situation Südtirols in Angriff nehmen werden.

Die Grillini sind jetzt ein nationale Phänomen. Glauben Sie, dass auch die Südtiroler jetzt nach dem Wahlsieg der 5-Sterne-Bewegung weniger Berührungsängste mit den Grillini haben?

Das ist schwierig zu sagen. Bei den Landtagswahlen wird entscheidend sein, welche Kandidaten wir aufstellen. Landtagswahlen sind anders als Parlamentswahlen. Bei den Landtagswahlen ist man näher an den Leuten dran, da geht es mehr um Personen. Wenn es uns gelingt, überzeugende Kandidaten zu präsentieren, die klar zur Autonomie stehen und dies auch glaubwürdig verkörpern, dann dürfte es wenig Berührungsängste geben.

Für Sie wäre es in Hinblick auf die Landtagswahlen besser, wenn die Grillini in Rom regieren würden?

Auf jeden Fall. Meine Position wäre in dem Fall viel interessanter …

... weil Ihr Freund Riccardo Fraccaro dann möglicherweise Regionenminister wäre?

Genau! Wir könnten dann eine Brücke mit Rom bilden. Das wäre sehr reizvoll.

Wie stehen Sie zur SVP?

Ich habe Respekt vor der SVP und vor dem, was sie auch durch ihre starke Vertretung in Rom geleistet hat. Aber im Laufe der Zeit – und das wäre jeder anderen Partei so passiert – hat es eine Verkrustung und eine Verfilzung gegeben, weil die SVP zu lange allein und zum Teil mit absoluter Mehrheit an der Macht war. Sie hat die meisten Positionen mit ihren Leuten besetzt. Kontrolleure und zu Kontrollierende haben in einem Boot gesessen. Dass die Partei so ein System aufgebaut hat, war unvermeidlich. Aber diesen Vorwurf muss man der SVP machen.

Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie nicht bis zu Ihrer politischen Pensionierung auf der Oppositionsbank sitzen wollen. Können Sie sich vorstellen, mit der SVP zu regieren? Was müsste sich bei der SVP ändern? Was würden Sie anbieten?

Ich bin nicht der geborenen Oppositionelle, sondern jemand, der pragmatisch an die Sachen herangeht und der etwas bewegen will. Gleichwohl bin ich auf keinen Posten aus. Für eine Zusammenarbeit mit der SVP müssten auf beiden Seiten die Konditionen stimmen. Berührungsängste hätte ich keine. Wenn man einen Weg findet, um Interessantes zu bewegen, kann man jederzeit mit mir reden. Es geht darum, etwas Positives für die Menschen im Land zu erreichen.

Sie sagen also nicht: Nie mit der SVP!

Nein, absolut nicht! In der Politik sollte man nie etwas ausschließen. Es geht mir aber, wie gesagt, nicht um Posten, sondern um Inhalte. Ich lasse mich sicher nicht mit Posten abspeisen und kaltstellen. Das interessiert mich nicht, da gehe ich lieber in die Privatwirtschaft zurück. Wenn man allerdings Ziele umsetzen kann, dann lasse ich mit mir reden.

Welche wären denn die drei Hauptpunkte, die für Sie unverzichtbar wären?

So weit habe ich jetzt noch nicht gedacht. Aber generell wäre es ein Ziel, das monolithische System aufzubrechen und dafür zu sorgen, dass mehr Vielfalt und Konkurrenz ins politische Geschäft kommt. Das würde Südtirol gut tun.

Mit 14 Prozent bei den Landtagswahlen würden Sie vier bis fünf Mandate erreichen. Gehen Sie davon aus, dass man Ihnen jetzt die Bude einrennt?

Vier oder fünf Mandate für unsere Bewegung sind bei Landtagswahlen nicht realistisch. Aber ich glaube auch nicht, dass man mir die Bude einrennt. Eher ist derzeit das Gegenteil der Fall …

Sie meinen?

Es ist generell so, dass es immer wenige fähige Leute gibt, die sich überhaupt in die Politik wagen.

Warum?

Weil das Ansehen der Politiker stark ramponiert ist. Ein zweiter Grund ist, dass es sich um einen prekären Job handelt, der nach fünf Jahren wieder weg sein kann. Die guten Leute haben in der Regel einen guten Brotberuf und fragen sich, ob sie sich einen Ausflug in die Politik leisten können oder leisten wollen. Ein weiterer Grund ist das politische System in Südtirol. Wenn man in Südtirol mitbestimmen will, muss man zur SVP gehen, sich in die dortigen Hierarchien einlassen und sich nach oben arbeiten. Andernfalls bleibt nur die Opposition. Für jemanden, der etwas bewegen will, ist Opposition zu machen nicht unbedingt der Traumjob. Interessant wäre das Schweizer System in vielen Kantonen, wo die Regierungsmitglieder direkt gewählt werden. Das wäre für gute Leute attraktiver als ein Abgeordneten-Job.

Interview: Artur Oberhofer

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (47)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen