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Eigenblutdoping

Im Betrugsprozess um das Hotel Palace gibt der angeklagte Ex-Direktor Massimiliano Sturaro tiefe Einblicke darüber, wie dort das Geldverdienen funktionierte. Inklusive Schwarzgeldzahlungen und einer nicht genehmigten Verjüngungskur.

von Thomas Vikoler

Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, 330.000 Euro Bargeld aus dem Vermögen des Meraner Nobelhotels Palace abgezweigt zu haben. Aus diesem Grund sitzt Ex-Direktor Massimiliano Sturaro nun als Angeklagter im Zeugenstand im Gerichtsaal E des Bozner Tribunals. Beinahe einen ganzen Tag lang wird Sturaro, der auch einmal Etschwerke-Präsident war, von den Fragen des Zivilpartei-Anwalts Marco Mayr gelöchert.

Aber der Zeuge gerät keineswegs in die Defensive. Er hat immer eine Antwort parat und liefert – natürlich aus seiner Sicht – tiefe Einblicke darüber, wie im Palace das Geldverdienen funktionierte. Es wird deutlich: Das Geld floss in Strömen, insbesondere in der Beauty-Abteilung. So viel Geld, dass es sich die Hotelverwaltung leisten konnte, bestimmte Zahlungen erst gar nicht selbst abzurechnen. „Es gab sechs Ärzte, die im Palace arbeiteten, und dort im Jahr zwei Millionen Euro auf eigene Rechnung einnahmen“, berichtet der Ex-Direktor.

Und dann gab es Schönheitschirurgin Carmen Salvatore, die zweite Angeklagte in diesem Prozess, die zu ihrer für gestern geplanten Einvernahme nicht erschienen ist. Am Rande der Verhandlung vom 21. Februar hatte sie gegenüber der TAGESZEITUNG ihre Unschuld beteuert.

Salvatore kam 2008 ins Palace, für sie wurde offenbar ein eigenes Abrechnungssystem erfunden. Mit einem abgeänderten Zahlungscode, der laut Sturaro die erbrachte Leistung als unentgeltlich aufscheinen ließ, und mit einem „geheimen“ Deal zwischen ihm, Sturaro, Hotel-Präsident Henri Chenot und dessen Frau Dominique verbunden gewesen sei.

Ein Deal, von dem Hotel-Eigentümer Pietro Tosolini, die geschädigte Partei in diesem Prozess, angeblich nichts wusste: „Ich habe Chenot versprochen, dass es unter uns bleibt. Als Direktor sah ich mich allein den Weisungen des Präsidenten verpflichtet, nicht aber dem Eigentümer“, sagt Massimiliano Sturaro.

Und worin bestand die Abmachung? Dominique Chenot, die Leiterin der Beauty-Abteilung, sollte 50 Prozent der von Carmen Salvatore erwirtschafteten Einnahmen für die sogenannten „Piastrine“ erhalten. Abzüglich der Mehrwertsteuer und der Materialkosten. Den Rest Salvatore.

Selbst Tosolini-Anwalt Marco Mayr geht im Verlauf der Einvernahme Sturaros dazu über, von „Schwarzgeldzahlungen“ zu sprechen. Denn laut dem Zeugen wurden die betreffenden Einnahmen nicht versteuert, obwohl sie Salvatore über ihr eigenes POS-Gerät einnahm. „In der Beauty-Abteilung wurde dafür eine eigene Antenne aufgestellt“, sagt Sturaro.

Er hat sich sogar aufgeschrieben, um welche Summen es dabei ging: Denn jeden Montag habe er, so der Angeklagte, eine interne Liste der Leistungen erstellt und jeweils eine Kopie an Dominique Chenot und Carmen Salvatore übergeben. Die Frauen hätten die Einnahmen dann untereinander verrechnet. Laut Sturaro kostete eine Blutwäsche-Sitzung, bei der Blut entnommen und zentrifugiert wurde, 1.500 Euro. Bei fünf Sitzungen pro Tag und insgesamt 2.015 in drei Jahren ergeben sich demnach Einnahmen von 3.025.000 Euro.

Der Zeuge liefert eine zusätzliche Erklärung dafür, warum diese Leistungen nicht offiziell aufscheinen sollten. Bei den „Piastrine“ (Blutblättchen) handelt es sich um eine nicht genehmigte Therapie mit angeblichem Verjüngungseffekt, wie sie in den 1980iger Jahren von Ausdauersportlern angewandt wurde. Das inzwischen für Sportler verbotene Eigenblutdoping.

Weil in jener Zeit, so Sturaro, die Gesundheitspolizei gegen das Palace wegen vermeintlicher Anabolika-Gaben ermittelte, habe es Henri Chenot vorgezogen, die Einnahmen nicht über das Palace-Konto zu verrechnen.

„Ich selbst habe nie Zahlungen in bar erhalten“, beteuert Sturaro. Auch nicht die 33 Mal vom „Schmutz“-Konto abgehobenen monatlichen 10.000 Euro (siehe Kasten): „Ich habe sie Chenot übergeben, ich dachte das wär für’s Hotel“. Chenot hatte bei seiner Zeugenaussage vor drei Wochen erklärt, nie Bargeld einkassiert zu haben.

Es steht also Aussage gegen Aussage, was den Ausgang dieses Prozesses noch spannender macht. Die Chenots haben Sturaro wegen Verhöraussagen, die er gestern bekräftigte, wegen Verleumdung angezeigt. Das Hauptverfahren läuft bereits.

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