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Die Hotel-Spekulation

Aufgelassene Gastbetriebe sind ein beliebtes Spekulationsobjekt für Immobilienfirmen, die sie in (Zweit)Wohnungen umwandeln – sehr um Ärger der örtlichen Tourismustreibenden. Doch ausgerechnet der HGV drängt darauf, die Konventionierungspflicht aufzuheben.

von Thomas Vikoler

Christine Gasslitter-Egger, Präsidentin des Tourismusvereins, zeichnete vergangene Woche in der TAGESZEITUNG ein düsteres Bild zur Zukunft des Tourismusortes Seis am Schlern. Angesichts der wiederholten Hotel-Auflassungen drohe Ähnliches wie in Cortina d`Ampezzo, wo einen Großteil des Jahres leerstehende Zweitwohnungen den traditionellen Hotel-Tourismus und das Dorfleben aushöhlten.

Der Anlass für die Sorge der Tourismusvereins-Obfrau: Das historische Hundert-Betten-Hotel Seiserhof im Dorfzentrum wurde um kolportierte 6,8 Millionen Euro an die Sarner Immobiliengesellschaft Aimo verkauft, die neue Eigentümerin will Wohnungen daraus machen. An die 60 Appartements könnten sich bei einem Bauvolumen von gut 18.000 Kubikmetern ausgehen.

Mit-Käufer Richard Moser bemühte sich, die Befürchtungen der Seiser Touristiker zu zerstreuen: Die Wohnungen würden vornehmlich für Einheimische errichtet.

Dies ist zum Teil durch das aktuelle Raumordnungsgesetz vorgegeben. Laut Artikel 29 („Sicherung der Fremdenverkehrsfunktion“) muss 60 Prozent des Volumens des ehemaligen Gastbetriebs – nach Ablauf der 20-jährigen Zweckbindung – konventioniert werden. Der Rest ist mehr oder weniger frei nutzbar – für Gästezimmer, Ferienwohnungen und (Zweit)Wohnungen.

Auf den Fall Seiser Hof umgelegt: 20 der 60 Wohnungen können an provinzfremde Käufer veräußert werden.

Es zeigt sich nicht nur in diesem Fall: Aufgelassene Hotels sind beliebte Spekulationsobjekte für Immobilienfirmen. Denn höhere Einnahmen als eine Weiternutzung als Gastbetrieb verspricht eine Umwandlung in Wohnungen.

HGV-Obmannn Manfred Pinzger spricht diesbezüglich von einem „Ausstiegsszenario“ für Gastwirte. „Es gibt Betriebe, die es nicht geschafft haben, die notwendigen Investitionen zu tätigen. Oder sie sind einfach nicht mehr rentabel. In diesem Fall ist es besser, einen Betrieb aufzugeben und neu zu nutzen“. Es müsse natürlich versucht werden, das Bauvolumen für den Tourismus zu erhalten, sagt Pinzger, „wenn das aber nicht geht, dann geht es eben nicht“. Die Kubatur ungenutzt zu lassen, sei da die schlechtere Lösung.

Tatsächlich stellt vorhandene Hotelkubatur nicht selten eine Art Lebensversicherungen für den (ehemaligen) Gastwirt dar. Pinzger nennt es „einen guten ökonomischen Ausstieg“ aus der gastgewerblichen Tätigkeit. Etwa auch bei Übernahmeproblemen oder Erbschaftsstreitigkeiten.

Der grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss, selbst aus der Branche, macht sich Sorgen über die stattfindende Hotel-Spekulation: „Die Auflassung von Gastbetrieben in ungünstigen Lagen, in niedrigen Sternekategorien und mit Investitionsrückstand ist seit Jahren ein kontinuierliches Phänomen und macht wachsenden Appetit“.

Er sammelt Daten über die Zahl der seit 2008 in Südtirol geschlossenen Gastbetriebe, zuletzt über eine Landtagsanfrage. Demnach wurden jedes Jahr zwischen 33 und 48 (im Jahre 2009) Hotels geschlossen, in den vergangenen Jahren ist die Zahl etwas gesunken: 2015 waren es 23, 2016 deren 14. Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat Arno Kompatscher vergisst in der Beantwortung von Heiss’ Anfrage nicht zu erwähnen, dass in jenen Jahren gleichzeitig 29 bzw. 21 neue Gastbetriebe eröffnet wurden.

Eine Frage drängt sich aber mehr denn je auf: Was passiert mit dem Bauvolumen der aufgelassenen Betriebe?

Die Landesregierung hält die bisherige gesetzliche Regelung zur „Sicherung der Fremdenverkehrsfunktion“ derzeit offenbar für funktional. Im zuletzt beschlossenen Entwurf für das Gesetz für Raum und Landschaft wurde die 60/40-Regel übernommen. Neu eingeführt wurde hingegen, dass Hotelbetriebe außerhalb des Siedlungsgebiets „keiner anderen Zweckbestimmung“ zugeführt werden dürfen. Mit einer Ausnahme: Beherbergungsbetriebe mit – am 7. August 2013 – höchstens 25 Betten können in Wohnungen für Ansässige oder Ferienwohnungen umgewandelt werden.

Doch der Gesetzentwurf, der demnächst in der zuständigen Landtagskommission diskutiert werden soll, könnte noch entscheidend verändert werden. Etwa durch die von den Wirtschaftsverbänden geforderte Streichung des Wertausgleichs. Speziell der Hotel- und Gastwirteverband brachte bei den Verhandlungen mit dem Land einen weiteren Änderungswunsch vor: Die Konventionierungspflicht für ehemalige Hotelkubatur soll fallen. „Wir sind der Ansicht, dass diese möglichst frei verfügbar sein soll“, bestätigt HGV-Obmann PInzger.

Begründet wurde das in den Verhandlungen u.a. damit, dass Hoteliers damit höhere Bankkredite erhalten könnten. Der Wert eines freien Bauvolumens sei schließlich höher als eines teilweise gebundenen. Und es gehe letztlich um den genannten „guten ökonomischen Ausstieg“.

Die Frage ist freilich, ob dadurch touristisch geprägte Dörfer wie etwa Seis am Schlern früher oder später zu Zweitwohnungs-Geisterdörfern werden. Wie Cortina.

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