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Gericht vs. Lehrer

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Das Verwaltungsgericht ordnet die Versetzung eines Mittelschülers in die zweite Klasse an. Weil nicht bewiesen ist, dass die Schule die Eltern nicht über die drohende Nicht-Versetzung informierte.

Von Thomas Vikoler

Es kommt nicht selten vor, dass sich Eltern nach der Nicht-Versetzung ihrer Kinder in die nächste Schulklasse an das Bozner Verwaltungsgericht wenden. Meistens erfolglos. In diesem Fall hat das Gericht allerdings angeordnet, dass ein Südtiroler Mittelschüler, der in der 1. Klasse durchgefallen war, nachträglich in die 2. Klasse versetzt wird.

Wegen Verletzung der sogenannten Schülercharta aus dem Jahre 2003.

Es geht um in dem Rechtsstreit um einen Mittelschüler mit Lese- und Rechtschreibstörung und einer „nicht klinischen“ Aufmerksamkeitsschwäche. Also ein Schüler, der Stützunterricht benötigt. Im November 2016 vereinbarte die Schule deshalb mit den Eltern einen individuellen Bildungsplan, speziell in den Fächern Italienisch und Englisch.

Im ersten Semester wurde der Schüler in diesen beiden Fächern allerdings negativ bewertet, im Laufe des zweiten Semesters verschlechterten sich die Leistungen zusätzlich.

Also schreib der Klassenrat den Eltern im März 2017 einen Brief, in dem festgehalten wurde, dass der Schüler in den Fächern Englisch, Italienisch, Geschichte und Geografie nicht ausreichende Leistungen bzw. nicht die gewünschte Arbeitshaltung erbringe, „um ein durchwegs positives Leistungsbild zu erreichen“. Außerdem wurden die Eltern in dem Schreiben aufgefordert, die Schule bei der angestrebten „Verbesserung der Lernsituation“ zu unterstützen. „Für ein persönliches Gespräch stehen Ihnen die Lehrpersonen sowohl bei den Sprechstunden als auch beim zweiten Elternsprechtag am 5. April 2017 gerne zur Verfügung“, heißt es dort abschließend.

Am Ende des Schuljahres, auf einer Sitzung vom 14. Juni, stimmte der Klassenrat mehrheitlich (Acht Ja- und drei Nein-Stimmen) für die Nicht-Versetzung des Schülers. Er hatte das Lernziel in zwei Fächern (Italienisch und Englisch) nicht erreicht.

Das Verwaltungsgericht hat nun dennoch die nachträgliche Versetzung des Schülers angeordnet, und zwar als formalen Gründen. Demnach gibt es keinen Beweis, dass die Eltern das Schreiben der Schule vom 31. März 2017 erhalten haben bzw. davon in Kenntnis gesetzt worden sind, dass die Versetzung ihres Kindes gefährdet sei. Die Schule hatte die Mitteilung, begleitet von einem handschriftlichen Vermerk, dem Schüler mit nach Hause gegeben. Es sei aber nicht kontrolliert worden, ob es tatsächlich bei den Eltern angekommen ist.

Ob der Schüler die Mitteilung etwa den Eltern vorenthalten hat, um nicht von ihnen gerügt zu werden, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht bezeichnet die Vorgangsweise der Schule jedenfalls als „grob fahrlässig“, auch angesichts der festgestellten Lernschwächen des Schülers. „Sie lässt auf eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Schüler schließen“, heißt es weiter.

Laut Urteilsbegründung hat die Schule Art. 3, Absatz 9 der Schülercharta verletzt, der eine rechtzeitige Informationspflicht über die erzielten Lernfortschritte bzw. Leistungsabfälle vorsieht. Es bestehe zudem ein Kausalzusammenhang zwischen der nicht erfolgten Mitteilung und der negativen Schlussbewertung.

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Kommentare (8)

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  • andreas

    Gleichgültigkeit kann man wohl auch den Eltern vorwerfen, denn sie hätten sich auch kontinuierlich über die schulischen Leistungen ihres Sohns informieren können, sie hätten gewiss eine Auskunft bekommen.
    Darauf zu hoffen, dass es andere richten und wenn nicht, klagen, ist aber anscheinend der momentane Zeitgeist, Schuld sind immer die anderen.
    Im Artikel steht nicht, ob die Eltern am 5. April zum Sprechtag erschienen sind. Wenn nicht, warum haben sie nicht in der Schule angerufen um zu fragen, wann der Sprechtag für das Semester ist?

    Diese diagnostizierten Lernschwächen sind sowieso etwas zweifelhaft, da einige Schüler damit ein Alibi haben, sich nicht bemühen zu müssen und es ausnutzen.

  • unglaublich

    In Zukunft werden alle Briefe an die Eltern wohl mit Einschreiben und Rückantwort verschickt werden müssen. Nur das ist ein „Beweis“ dafür, dass diese den Brief erhalten haben.
    Der Schüler hat schon im ersten Semester in einigen Bereichen eine negative Bewertung bekommen, müssen Eltern sich dann nicht auch ständig um eine kontinuierlich Unterstützung und Verständigung mit den Lehrern kümmern?
    Dieses Urteil zeigt die Misere im Schulwesen auf, erreicht ein Kind/Jugendlicher die Klassenziele nicht, ist die Schule/sind die Lehrer schuld. Das ist der Tod einer verantwortungsvollen Erziehung.
    Der Wert der Schule und der Respekt vor Lehrern ist in den letzten Jahren leider auf ein Minimum gesunken. Die Auswirkungen werden wir noch zu spüren bekommen.

  • george

    Nur die Lehrer und die Schulverwaltung werden ständig herbeigezogen, wenn so etwas gescbhieht, die Eltern haben anscheinend keine Verpflichtung. Hat sich das Gericht gefragt, bei wem die primäre Pflicht der Erziehung steht. Sicher, Bildung und Erziehung sind zweierlei, aber so wie sich die Lehrer bemühen müssen, dem Schüler Bildung erfahren zu lassen, so hätten die Eltern die Pflicht sich dafür einzusetzen und nachzufragen, inwieweit Schüler diese auch wahrnehmen.

  • meinemeinung

    diagnostizierten Lernschwächen – wird vom Lehrpersonal beurteilt -ist schon mal fraglich und für das Lehrpersonal schon Auftrag und Verantwortung.
    Lehrer sind nicht zum bilden in der Schule sondern zum beobachten und dann, wenn Sie eine Anomalität beobachte lasst ,sofort Eltern benachrichtigen mit PEC (Rekommandiert mit Rückantwort)
    Aber wenn das Kind schwächen hat ,sollten es die Lehrer wieder so schnell wie möglich (wen geht in 2-3 Tagen )wieder ausbügeln und Eltern benachrichtigen ( mit PEC – Rekommandiert mit Rückantwort) dass wieder alles in bester Ordnung ist ,Elter ohne Sorgen vom Nachwuchs Ihre Arbeit nach gehen können , eine Traumwelt

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