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„Kalt über den Rücken gelaufen“

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Die Brixnerin Supervisorin Maria Sparber ist die neue Ombudsfrau für sexuellen Missbrauch in der Diözese. Ihr Vorgänger Werner Palla war mit fast 60 Fällen konfrontiert.

Es war im März 2010, als Bischof Karl Golser den ehemaligen Volksanwalt Werner Palla zum ersten „unabhängigen Ombudsmann für Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in diözesanen Einrichtungen“ ernannte. „Eine gleichwohl delikate wie schwierige Aufgabe“, wie Palla damals empfand.

Maria Sparber

Im Jahr 2010, als das Thema sexueller Missbrauch in kirchlichen Strukturen medial hochgekocht worden war, wurden dem Ombudsmann der Diözese 24 Fälle zugetragen – davon 12 diözesane.

Bis zuletzt hatten sich bei der Ombudsstelle knapp 60 Personen gemeldet, in über 40 Fällen wurde ein Akt angelegt. 22 Fälle betrafen diözesane Einrichtungen bzw. diözesane MitarbeiterInnen, vier Kapuziner und 14 Angehörige anderer Orden. Unter den Opfern waren 15 Frauen und 25 Männer.

Die meisten Fälle lagen 20 und mehr Jahre zurück. Ein Fall soll sich im fernen Jahr 1944 zugetragen haben.

Die allermeisten Faszikel hat Werner Palla mit dem Vermerk „positiv erledigt“ ablegen können.

 

Zu den „positiv erledigten“ Fällen gehört auch der Fall einer Frau, die in einer diözesanen Einrichtung von einer Ordensfrau missbraucht worden ist.

Werner Palla hörte der Frau zu. Zum Schluss fragte er die Frau: „Was erwarten Sie sich jetzt?“

Die Antwort der Frau: „Gar nichts, ich bin so zufrieden, dass mir endlich jemand zugehört hat, der nicht in einer Kutte steckt, ich habe ihnen mein Paktl auf den Tisch gelegt, für mich ist die Sache damit erledigt, und Sie werfen dieses Paktl, bitte, sofort in den Papierkorb.“

Werner Palla ging dieser Fall sehr nahe. „Mir lief es kalt über den Rücken“, erzählt er im Interview mit der TAGESZEITUNG.

Werner Palla

Überrascht war Werner Palla, dass die meisten Opfer – mit ganz wenigen Ausnahmen – kein Schmerzensgeld wollten. Auch er habe anfangs geglaubt, dass wohl einige Trittbrettfahrer auftauchen würden, denen es nur ums Geld geht.

„Die meisten Betroffenen, die zu mir gekommen sind, wollten einfach nur reden, um dann endlich loslassen zu können, sie wollten nur, dass ihnen jemand ernsthaft zuhört“, so Werner Palla.

Die einzige finanzielle Gegenleistung der Kurie habe darin bestanden, dass sie jenen Opfern, die psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen haben (oder immer noch in Anspruch nehmen), die Sitzungen bezahlt hat.

Rund 15.000 Euro an Psychotherapie-Kosten habe die Kurie seines Wissens beglichen, schätzt Werner Palla.

 

 

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