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„Bin kein Weltretter“

Luis Durnwalder, Barbara Pizzinini, Cuno Tarfusser, Promise Onyejoke, Stefano Mamani und Ulrich Seitz

In der EOS Akademie in Bozen war kürzlich Cuno Tarfusser, der Vizepräsident des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, zu Gast.

Im Rahmen der Akademiegespräche unter dem Titel „Future Europe“ wurde als Einführung ein extra für den Anlass bzw. für den Themenschwerpunkt „aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen“,  konzipiertes Theaterstück von Sigrid Seberich, vielen als „Clownin Karamela“ bekannt und ihres Lebensgefährten, den türkischen Regisseur Ahmet Avkiran gezeigt.

Nigerianer, Promise Onyejoke und Innocent Chibuzo erzählen dabei ihre Lebensgeschichte, die sie schließlich nach Kastelruth führte.

Zahlreiche Gäste wie unter anderem Landesrat Florian Mussner, der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder, Volksanwältin Gabriele Morandell, der Vertreter der Quästur Bozen, Stefano Mamani, die Unternehmer Maria Niederstätter, Martina Schullian und Alex Podini, um nur einige zu nennen, erlebten nach der beeindruckenden Theateraufführung einen sehr emotionalen, inhaltsreichen Beitrag des Südtiroler Richters am Internationalen Strafgerichtshof, Cuno Tarfusser.

Der Meraner berichtete von aktuellen Prozessen gegen ehemalige Staatsmänner und Regierungsmitgliedern aus Afrika, beispielsweise aus der Elfenbeinküste oder Uganda, aber auch von seinen engen Beziehungen zu Südtirol.  Tarfusser betont: man dürfe nicht glauben, man sei ein „Weltretter“.

Das Ziel sei es aber gerade in diesem schwierigen Bereich der internationalen Gerichtsbarkeit, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, und zu versuchen, seine Arbeit bestmöglich mit viel Motivation, wie auch Verständnis für die Problematiken gerade in anderen Kontinenten außerhalb von Europa, zu erledigen“. Mit einer gewissen Sorge, sieht Cuno Tarfusser, die zum Teil instabile Situation der Staatengemeinschaft, auch auf Europa bezogen.

Er vermisst zudem oft auch im Austausch mit Kollegen sowie hochrangigen Exponenten aus dem politischen Leben die konstruktive Auseinandersetzung mit Werten, abseits von Ökonomie und Parteistrategien. Auf Südtirol bezogen, erklärt Cuno Tarfusser, dass er nicht selten davon beeindruckt sei, mit welchen unglaublichen Ereignissen er nun in Den Haag zu tun hat, und wie überschaubar eigentlich die Lage in unserem Lande sei.

Er glaubte am Anfang seines Mandats im Jahre 2009, als er an den Internationalen Strafgerichtshof, der ja eine relativ junge Institution ist, gerufen wurde, mit mehr oder wenigen allen menschlichen Abgründen, von Gewaltverbrechen bis zu Fehlverhalten in der Verwaltung in seiner Funktion als leitender Oberstaatsanwalt in Bozen  konfrontiert gewesen zu sein, was sich jedoch als Illusion herausstellte.

Grund war und ist das, was er nun erlebt, und zwar die Auseinandersetzung mit Völkermord, Straftraten gegen die Menschlichkeit oder auch schwerwiegenden Kriegsverbrechen. Im Laufe der Veranstaltung wurde betont, dass  Menschen zu allen Zeiten ihre Heimat verlassen und sich auf den Weg zu neuen Orten gemacht. Heute versuchen Menschen aus unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedlichen Wegen, die europäische Küste zu erreichen.

Sie suchten nach legalen Möglichkeiten, nähmen aber auch in Kauf, dass sie auf der Flucht vor politischer Unterdrückung, Krieg und Armut, in ihrem Streben nach wirtschaftlichem Aufstieg und Bildung sowie in ihrem Wunsch, die Familie wieder zusammenzuführen, ihr Leben verlieren können.

In den Jahren 2015 und 2016 erlebte die EU einen beispiellosen Zustrom von Flüchtlingen und Migranten. Hundert Tausende Menschen erreichten die Europäische Union – die meisten auf der Flucht vor Krieg und Terror in Syrien wie auch in anderen Ländern.

Die EU hat angesichts dieser Krise eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Dazu gehört auch, die Grundursachen der Krise anzugehen und verstärkt humanitäre Hilfe für Bedürftige sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zu leisten. Auf die Flüchtlingsfrage angesprochen, verwies Cuno Tarfusser darauf, dass es aufgrund seiner Erfahrung niemandem leicht falle, sein Heimat zu verlassen, und dass die meisten Menschen innerhalb ihres Heimatlandes blieben oder sich in den Nachbarstaat absetzten.

Tatsache sei aber, dass die EU tief gespalten in der Thematik der Flüchtlingsströme sei, und das so genannte „Dublin-Verfahren“ doch erhebliche Schwachstellen aufweise, die sich vor allem in der massiven Belastung der Mittelmeer-Staaten zeige, so Tarfusser.

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