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Kein Sex ohne Einverständnis

Schweden verschärft das Sexualstrafrecht und will den Begriff Vergewaltigung als „Sex ohne Einverständnis“ neu definieren. Warum Gleichstellungsrätin Michela Morandini diesen Gesetzentwurf befürwortet. 

von Lisi Lang

Nein heißt Nein“ reicht den Schweden nicht mehr. Die Regierung in Schweden hat ein neues Gesetz ausgearbeitet, welches das Sexualstrafrecht verschärfen soll. Auch der Begriff Vergewaltigung erhält in diesem Zug eine neue Bedeutung.

Bereits im Jahr 2014 wurde die Debatte über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts in Schweden angestoßen. Die „Mee Too“-Kampagne, die in Schweden zahlreiche Fälle in verschiedensten Bereichen und Branchen zu Tage gefördert hat, hat diese Debatte beschleunigt. 2014 wurde ein Mann, der von einer Frau der Vergewaltigung bezichtig wurde, freigesprochen. Obwohl sich die Frau geweht und auch Nein gesagt hatte. Der Mann bestritt diese Aussagen der Frau auch nicht, hatte dieses „Nein“ aber als Teil des Liebesspiels gedeutet, weshalb er nicht schuldig gesprochen wurde. Der Fall hat in Schweden für Empörung gesorgt und die Debatte über ein neues Sexualstrafrecht entfacht. Nun soll ein neues Gesetz, welches eine klare Einwilligung beider Partner vor dem Geschlechtsverkehr vorsieht, eine Richtungswende bringen.

Gleichstellungsrätin Michela Morandini befürwortet diese Verschärfung, nicht nur, weil man die Beweisführung dadurch vereinfachen will, sondern auch, weil Schweden mit dieser Gesetzesänderung klar zeigt, dass man bei sexuellen Übergriffen keine Toleranz zeigt. „Es geht hier nicht um die Regelung von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen zwei Personen, sondern es geht um dieses Einverständnis bei Sexualstrafprozessen“, betont die Gleichstellungsrätin. Passivität soll damit nicht länger als stilles Einverständnis interpretiert werden können. Ziel der Änderung sei es in erster Linie, die Beweisführung zu erleichtern, da in vielen Prozessen bisher die Beweisführung nicht eindeutig genug war. „Studien zeigen, dass Vergewaltigungsopfer in eine Angststarre verfallen und sich psychologisch gesehen nicht wehren können – ein Nein reicht also nicht“, erklärt Morandini.

Die neue Regelung gilt eigentlich nur bei Sexualstrafprozessen, im Prinzip muss sich aber jedes Paar vor einem Geschlechtsverkehr absichern – man kann ja vorab nicht wissen, ob ein Fall zur Anzeige gebracht wird. „Im schwedischen Gesetzesvorschlag wird die Freiwilligkeit einer sexuellen Handlung als Grundprinzip festgeschrieben. Der Unterschied zur jetzigen Gesetzgebung ist, dass in Zukunft jede sexuelle Handlung, die nicht im gegenseitigen Einverständnis geschieht, strafbar wird. Bis jetzt wurde die Anwendung von Gewalt oder Bedrohung als Tatbestand für eine Vergewaltigung vorausgesetzt“, erläutert Michela Morandini.
Die schwedischen Anwälte zeigen sich über diese neue Regelung nicht sonderlich euphorisch. Für einen Staatsanwalt dürfte es mit der neuen Regel nämlich genauso schwer zu beweisen sein, dass jemand nicht einverstanden war, wie zuvor. „Am Ende stünde eben wieder das Wort das Opfers gegen das des Beschuldigten“, sagte Anne Ramberg, Chefin des schwedischen Anwaltsverbands, in Medienberichten.
Bräuchte es praktisch eine schriftliche Einwilligungserklärung, damit man vor Gericht einen Beweis hat? Nein, sagt Michela Morandini: „Wenn wir beispielsweise den Fall betrachten, der die ganze Geschichte ins Rollen gebracht hat, dann wäre dieser Mann nach diesem neuen Gesetz verurteil worden, denn die Frau hätte ihm keine Zustimmung zum Geschlechtsverkehr gegeben.“

Wie genau die Zustimmung aussehen soll, ist noch unklar. Über den genauen Inhalt des Gesetzes wird im Sommer 2018 abgestimmt. Die Gleichstellungsrätin, die sich eine derartige Diskussion in Italien wünschen würde, betont aber noch einmal, dass sie dieses Gesetz klar befürwortet – auch weil es ein klares Statement der Regierung in Schweden ist.

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