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Zu viel Frau im Mann

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Simon leidet seit seiner Geburt an einer relativ unbekannten chronischen Krankheit – dem Klinefelter-Syndrom. Jeder 500. Mann ist von dieser Chromosomen-Störung betroffen. Aber nur wenige wissen es. 

von Lisi Lang

Es war nicht immer einfach“, sagt der heute 30-jährge Simon. Seit seiner Geburt leidet er an einem chronischen Gendefekt, am Klinefelter-Syndrom. Aber erst im Alter von 15 Jahren haben Ärzte die seltene Krankheit diagnostiziert.

Normalerweise hat jeder Mann ein weibliches X- und ein männliches Y-Geschlechtschromosom in seinen Körperzellen. Männer mit Klinefelter-Syndrom besitzen aber ein weibliches Geschlechtschromosom mehr. Bei Simon ist also ein weibliches X zu viel. Mit anderen Worten: zu viel Frau im Mann.

Schon als Kind hat Simon gemerkt, dass etwas mit seinem Körper nicht stimmt: „Wenn ich krank war und hohes Fieber hatte, bekam ich oft epileptische Anfälle. Ich fühlte mich auch oft antriebslos und energielos“, erinnert sich Simon. Auch in der Schule war es für Simon nicht immer einfach: Er hatte mit Lernschwierigkeiten zu kämpfen und auch seine Mitschüler machten sich gerne über Simon lustig – damals wusste der Junge aber noch nicht, dass er an einem chronischen aber relativ unbekannten Gendefekt leidet.

Seit die Krankheit bei Simon diagnostiziert wurde, muss sich der junge Mann alle drei Monate Hormone spritzen. Diese Hormone sollen die Wirkungen des zusätzlichen X-Chromosoms im Körper von Simon ausgleichen. „Wenn ich diese Spritzen nicht mache, dann verändert sich mein Körper“, erklärt Simon. Die weiblichen Züge kommen verstärkt zum Vorschein, der Bartwuchs lässt beispielsweise nach. „Es gibt aber auch gesundheitliche Auswirkungen: Ich persönlich merke beispielsweise, dass die Wirkung der Spritze nach acht Wochen nachlässt, dann werde ich schneller müde oder habe mit Rückenschmerzen zu kämpfen“, erklärt der 30-Jährige.

Das Klinefelter-Syndrom äußert sich in Symptomen wie kleinen Hoden mit Zeugungsunfähigkeit, Antriebsarmut, vergrößerten Brustdrüsen, Muskelschwäche, Müdigkeit, Hochwuchs, Hodenhochstand und Testosteronmangel. Kinder fallen oft durch Kontaktarmut, Störungen der Motorik, Lernschwierigkeiten und Sprachentwicklungsverzögerungen, sowie eine verzögerte Pubertät auf. Das größte gesundheitliche Problem ergibt sich aus der unzureichenden Produktion von Testosteron.
Etwa jeder 500. Mann ist von dieser Chromosomen-Störung betroffen. Viele Betroffenen wissen allerdings nichts von ihrem Gendefekt. „Viele Männer erfahren bei einem Kinderwunsch von dieser Krankheit, da sie zeugungsunfähig sind und in diesem Moment eine Krankheit diagnostiziert wird“, weiß Simon.

Viele Menschen aus Simons Umfeld wissen nichts von seiner Krankheit – äußerlich sieht man dem jungen Mann die Chromosomenstörung heute auch nicht mehr an. Er spricht aber auch nur selten offen über seinen relativ unbekannten Gendefekt: Zu oft ist der 30- Jährige auf Unverständnis gestoßen, als er über seine Krankheit gesprochen hat: „Die Menschen verstehen es einfach nicht und daher ist es auch schwierig, es den Menschen zu erklären.“

Simon möchte sich gerne mit anderen ebenfalls betroffenen Männern austauschen. „Es geht mir um einen Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, Themen wie Ehe und Familie, Beziehungen mit Frauen und gesundheitliche Auswirkungen“, erklärt der 30-Jährige. Es geht aber auch um Themen wie Unsicherheit im Alltag und den Umgang mit dieser Krankheit bzw. die Reaktionen von Familienangehörigen. „Wenn sich mehrere Betroffene melden, würde ich gerne gemeinsam eine Gruppe gründen, auch damit man Männer, die erst vor kurzem von der Krankheit erfahren haben, unterstützen kann“, so der 30-Jährige.

Betroffene die an einem Austausch interessiert sind, können sich bei der Dienststelle für Selbsthilfegruppen beim Dachverband für Soziales und Gesundheit melden, die den Kontakt weitervermittelt. Vertraulichkeit wird dabei selbstverständlich zugesichert.

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