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Landtag-Sauna

Der Südtiroler Landtag als „Quatschbude“. Was Tageszeitung-Herausgeber Arnold Tribus zur Sauna-Debatte im Landtag sagt. 

Wenn man vom Südtiroler Landtag spricht, dann sagt man ja oft auch „Hohes Haus“, um dem Ort die Würde zu geben, die dem höchsten Ort der Demokratie und der Autonomie zusteht. Vor allem Abgeordnete bedienen sich in ihren Redebeiträgen dieser Diktion. Der Landtag ist ja als gesetzgebende Versammlung das wichtigste Gremium des Landes, die Landesregierung führt dann aus, was im Landtag beschlossen wurde. (Ich weiß, dass das heute nicht mehr stimmt und dass der Landtag schon lange entmachtet wurde, weil sich alles auf die Landesregierung und die starken Landeshauptmänner verlagert hat). Und so ist es soweit gekommen, dass der Landtag von außen sehr oft nicht als Ort der hohen Politik, des politischen Wettstreites zwischen verschiedenen politischen Ideen und Vorstellungen wahrgenommen wird, sondern als Quatschbude, als besserer Stammtisch, in dem jeder seine Meinung sagt, mehr oder weniger gepflegt und sprachlich korrekt.

Wir Südtiroler rühmen uns ja zu Recht mit unserer Autonomie, wir sind stolz auf die vielen autonomen Befugnisse, und wenn wir in Italien wegen des vielen Geldes attackiert werden, dann verweisen wir stolz auf die vielen Kompetenzen, die wir zu verwalten haben. (Unwürdig diesbezüglich übrigens eine Statistik, die der „Alto Adige“ am Mittwoch veröffentlichte, mit der bewiesen werden sollte, dass wir vom Staat mit 8.600 Euro pro Nase gefüttert werden). In unserem Landtag werden Gesetze gemacht, bitte, und die Regierung kontrolliert, aber weil man schon alles geregelt hat, sucht man sich in der grassierenden Regelwut, die unser Land erfasst hat, immer was Neues. Die immer kreative Frau Abgeordnete Foppa von den Grünen wollte die Landesregierung verpflichten, dass die Öffnungszeiten für Damensaunen festgesetzt werden, auf dass sich die armen und stolzen Geschöpfe nicht dem sündhaften Gaffen sexistischer, geiler Saunabesucher aussetzen müssen. Und es entwickelte sich daraus eine durchaus lustige und amüsante Debatte über die Saunagewohnheiten unserer Damen und Herrn Abgeordneten. Schon spannend, wenn im Hohen Haus zu erfahren ist, dass der Fraktionssprecher der SVP von Natur aus keusch ist, weil er die Nackten ob seiner Kurzsichtigkeit gar nicht sieht, dass der blonde und blauäugige Herr Abgeordnete Knoll beobachtet, wie er betrachtet wird, auch der Impfabgeordnete Pöder wird in der Sauna angestarrt, er weiß nur nicht genau, wohin die Blicke der Frauen schweifen, auf seinen Bart oder sein Gemächt. Freilich fehlte uns am Ende der Debatte die Stellungnahme des Herrn Landeshauptmannes, sicherlich hat auch er seine Saunagewohnheiten, er hat uns vorenthalten, ob er in die bisexuelle oder monosexuelle Sauna geht, was sicherlich auch die ganze Nation interessiert hätte. Eine Einladung in verschiedene nationale Talkshows wäre ihm sicher gewesen. Allein die Nachricht, dass das Land Südtirol auch Saunen finanziert, ist in Italien eine Meldung wert. Die Italiener glauben ja, dass alle Geranien auf den Balkonen vom Staat gezahlt werden, dass auch die Saunen öffentlich gezahlt werden, wäre ein weiteres Kuriosum.

Hätte nicht auch die Frau Abgeordnete Tamara Oberhofer in die Debatte eingegriffen, die mit liebenswerter Offenheit und Ironie über ihre Saunagänge erzählte, ihre Unbefangenheit und ihren „flexiblen“ Umgang mit der Nacktheit, wäre man ja von der Prüderie erschreckt gewesen, mit der an das Thema herangegangen wurde, das im Landtag eigentlich gar nichts zu suchen hat. Der Landtag ist doch kein Stammtisch.

Ich beobachte schon seit längerem, dass wir nun einer neuen Prüderie entgegengehen, einer neuen Keuschheit. Man sündigt wieder in Gedanken und Worten. Ich habe unkeusch gedacht, eine Sünde, und wer eine Frau lüstern oder länger als 5 Sekunden anschaut, ist ein garstiger Sexist und Phallokrat. In Woodstock tanzte die Jugend noch nackt und praktizierte die freie Liebe. Feiert heute die Verklemmtheit ein neues Revival?

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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