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Abgetriebene Downs

In Island werden fast 100 Prozent der Föten mit Down-Syndrom abgetrieben.  In Deutschland machen es neun von zehn Frauen. Wie es in Südtirol aussieht.

von Julian Righetti

Island steht vor einem fragwürdigen „Erfolg“, der weltweit für Aufruhr sorgt. Es könnte das erste europäische Land ohne Menschen mit Down-Syndrom werden. In den letzten Jahren sollen in Island Medienberichten zufolge bei einer Bevölkerung von rund 334.000 Menschen nur ein bis zwei Kinder mit Trisomie 21 zur Welt gekommen sein. Grund dafür soll unter anderem das Vorgehen einiger isländischer Abtreibungsberater sein. Anfang der 2000er wurden im Land Tests während der Schwangerschaft eingeführt, die die Chromosomen-Anomalie erkennen. An und für sich nichts Schlechtes, doch betroffenen Schwangeren soll nach der Feststellung von Trisomie 21 die Abtreibung nahegelegt worden sein. Dadurch wurde eine fast 100-prozentige Abtreibungsrate von Down-Syndrom-Föten erreicht. Eine Besonderheit ist, dass das isländische Gesetz eine Abtreibung auch noch in der 16. Schwangerschaftswoche erlaubt. Zum Vergleich: In Italien darf man nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche abtreiben.

Doch nicht nur in Island ist die Rate der abgetriebenen, ungeborenen Down-Syndrom-Kinder hoch. Auch in Dänemark wird seit 2004 eine Ultraschalluntersuchung samt Blutprobe angeboten, um das Risiko für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom anzuzeigen. 2015 kamen in Dänemark lediglich 31 Kinder mit Trisomie 21 zur Welt. Ebenfalls in Schweden sind die Zahlen an Kindern mit Down-Syndrom in den letzten Jahren gesunken. In Deutschland und Norwegen treiben neun von zehn Schwangeren ihr Ungeborenes mit Down-Syndrom ab. Dabei handelt es sich lediglich um Schätzungen von Experten – konkrete Zahlen gibt es nicht.

Doch wie sieht die Situation in Italien aus? Hierzulande kommt laut der nationalen Down-Vereinigung „Associazione Italiana Persone Down“ ein Kind mit Trisomie 21 auf etwa 1.200 Neugeborene bei Frauen unter 30 vor. Diese Zahl ist altersabhängig – im höheren Alter besteht ein höheres Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen.

Was die Abtreibungen angeht, wurden im vergangenen Jahr in ganz Italien rund 58.282 durchgeführt, so die Zahlen des italienischen Statistikinstituts ISTAT. In Südtirol wurden im Jahr 2016 insgesamt 563 Abtreibungen durchgeführt. Bei wie vielen Abtreibungen es sich um ein Kind mit Down-Syndrom handelt, ist allerdings nicht bekannt.

Genaue Zahlen speziell zu den Abtreibungen von Kindern mit Down-Syndrom in Italien sind schwer zu finden. Laut der „Associazione Italiana Persone Down“ gibt es in Italien rund 38.000 Menschen mit Trisomie 21 – die meisten davon seien über 25 Jahre alt. In Südtirol kamen in den vergangenen zwölf Jahren 78 Kinder mit der Chromosomen-Anomalie zur Welt.

Johanna Lerchner von der Arbeitsgruppe Down-Syndrom des Arbeitskreises Eltern Behinderter (AEB) ist selbst Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom: „Wir selbst haben uns ganz aktiv für unser Kind entschieden. Ich würde es auch genau so nochmal machen.“ Für sie ist diese Entscheidung, ob man nun abtreibt oder nicht, sehr heikel. „Es ist eine schwierige Entscheidung, die jede Frau oder jedes Elternteil für sich treffen muss.“ Besonders die Entwicklung der Gesellschaft mache es den Eltern aber immer schwieriger zu entscheiden, so Lerchner. „Ein Wunschkind ist ein beeinträchtigtes Kind sicherlich nicht“, unterstreicht sie. Wenn man sich als schwangere Frau auf pränatale Diagnostik einlasse, könne man natürlich sichergehen, dass das Kind ein „Traumkind“ wird, erklärt Lerchner. „Down-Kinder fallen wahrscheinlich nicht in diese Sparte“, sagt die Mutter.

Johanna Lerchner betont, dass nicht nur in Island Eltern die pränatale Diagnostik nahegelegt wird: „Auch in Südtirol ist es von der medizinischen Seite her, nicht viel anders. Denn auch bei uns werden Frauen dazu ermutigt, irgendwelche Untersuchungen zu machen, um eventuelle Erkrankungen erkennen zu können.“

Gezielt eine Abtreibung von Ungeborenen mit Down-Syndrom zu empfehlen, ist allerdings sehr bedenklich. Besonders Ärzte müssten Schwangere frühzeitig über die Untersuchung und die Folgen einer Diagnose aufklären, betont auch Dr. Herbert Heidegger im Interview (siehe Kasten). Schlussendlich ist diese schwierige und persönliche Entscheidung, sich für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden, jeder Frau selbst überlassen.

Lesen Sie am Montag auf TAGESZEITUNG Online: Was Primar Herbert Heidegger zu dieser Thematik und der Situation in Südtirol sagt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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