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„Aktionen sind kontraproduktiv“

Die Aktionen des Münchner Umweltinstituts haben in Südtirol für viel Aufregung gesorgt. Die Anti-Pestizid-Bewegung ging von Mals aus. Was der Malser Bürgermeister Ulrich Veith über die Aktionen sagt.

TAGESZEITUNG Online: Herr Veith, warum hat der Kampf gegen Pestizide gerade in Mals begonnen?

Ulrich Veith: Bereits im Jahr 2009 ist die Kenntnis aufgekommen, dass es zwischen Biobauern und konventionellen Bauern zu Schwierigkeiten kommen könnte, weil immer wieder Pestizid-Rückstände im Heu der Biobauern festgestellt wurden. Wir wussten schon von Experten, dass Pestizide gesundheitsschädlich sind. Wir haben versucht, auf dieses Thema aufmerksam zu machen, aber in der Landwirtschaft haben wir sehr wenig Gehör gefunden. In der Bevölkerung wurden Pestizide allerdings immer mehr zum Thema. Wir haben daher eine Volksabstimmung gemacht, bei der sich 76 Prozent gegen Pestizide ausgesprochen haben.

Gibt es in Zukunft ein pestizidfreies Mals?

Bis jetzt haben die bestehenden Anlagen eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2018 bekommen. Danach sind alle chemisch oder synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmittel verboten. Man darf also nur noch biologische Mittel einsetzen.

Wie reagieren die Malser auf die verschiedenen Aktionen der letzten Tage?

Bei uns wird schon lange über das Thema Pestizide gesprochen. Wir haben schon zu Beginn gespürt, dass das auch international ein Riesenthema ist. Schon damals wurden wir nach Deutschland, Italien, Amerika und Indien eingeladen, um über den Weg zu sprechen, den wir als Malser gehen wollen. Wir haben schon damals gewusst, dass irgendwann international bekannt wird, wie viel Pestizide Südtirol einsetzt. Jetzt hat man eben die Resultate: Jetzt ist es im Ausland definitiv angekommen, was in Südtirol betrieben wird. Das zieht eben solche Aktionen nach sich.

Warum setzen Sie sich dafür ein?

Ich bin davon überzeugt, dass sich Einiges in der Südtiroler Landwirtschaft verändern muss. Außerdem wäre es für Südtirol eine große Chance, wenn wir in Richtung biologische Landwirtschaft gehen würden. Wir könnten uns eine touristische- und landwirtschaftliche Vorbildregion nennen. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal, von dem Südtirol profitieren könnte. Wir haben außerdem so viele Studien auf dem Tisch, die beweisen, dass Pestizide gesundheitsschädlich sind. Als Bürgermeister sehe ich es einfach als meine Pflicht, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Es heißt, Sie hätten die Geister in dieser Angelegenheit geweckt. Nun ist Mals zu einem Wallfahrtsort für Pestizid-Gegner geworden. Sind Sie zufrieden mit den aktuellen Entwicklungen?

Es kommen viele Menschen hierher, weil sie Mals schätzen und sich wünschen würden, dass es in ihrer Region auch so eine Gemeinde gibt, die aufsteht und sich gegen Pestizide zur Wehr setzt. Natürlich sind auch ein paar Aktivisten dabei, aber die ganz große Mehrheit sind normale, vernünftige Menschen, die gesehen haben, dass der Einsatz von Pestiziden unserer Gesundheit schadet. Ja, diese Menschen kommen nach Mals und fühlen sich hier wohl. Wir sind froh, wenn die Leute kommen. Extreme Positionen schaden uns aber mehr, als dass sie uns helfen.

Nun hat sich auch das Münchner Umweltinstitut eingeschaltet. Gab es eine Zusammenarbeit? 

Die letzten Aktionen, wie das Plakat in München oder die Schutzanzüge, teilen wir nicht. Wir waren nicht involviert und wussten nichts davon. Diese Vorgehensweise ist kontraproduktiv, weil sie viel zu aggressiv ist. Wir haben immer einen anderen Weg gewählt – einen Weg der Information und der Sensibilisierung. Wir wollen die Leute einfach darauf aufmerksam machen, welche Konsequenzen der Einsatz von Pestiziden hat.

Landesrat Schuler meint, Sie hätten schon viel früher die Handbremse ziehen müssen…

Ich werde nie die Handbremse ziehen. Ich bin überzeugt davon, dass die Pestizide ein Problem für Südtirol sind. Aus meiner Sicht müssten der Landesrat und der Bauernbund das verstehen. Eigentlich sollten sie einsehen, dass die Vorwürfe berechtigt sind und sie sollten versuchen, etwas zu verändern. Sie können jetzt zwar das Umweltinstitut und alle möglichen Leute verurteilen, die hier aktiv geworden sind. Das ist wahrscheinlich der einfachste Weg. Aber morgen, wenn der Gast nach Südtirol kommt und feststellt, dass das stimmt, was gesagt wird, dann haben sie ein größeres Problem. Sie sollten sich auf den Weg zu einer nachhaltigen Regierung machen. Keiner verlangt, dass das von heute auf morgen passiert.

Wie viel Selbstzweck steckt hinter den Aktionen?

Mir bringt das nichts, außer einen Haufen Probleme mit Südtirols Politik. Ich mache das Ganze aus Überzeugung. Was andere Leute betrifft, kann ich mich nicht dazu äußern, weil ich nicht weiß, ob es stimmt. Ich möchte keinem etwas unterstellen. Wenn Alexander Schiebel aber wirklich hinter den Aktionen steckt, wie einige Leute vermuten, dann liegt auch die Vermutung nahe, dass er persönlich von dem Ganzen profitiert. Er hat vor etwa zwei Jahren schon einmal eine Aktion mit Südtirols Logo gemacht. Dass ein ähnliches Logo jetzt zufällig auch in München wieder auftaucht, ist meiner Meinung nach ein Hinweis dafür, dass Schiebel zumindest über die Aktion informiert war. Bereits damals habe ich ihm gesagt, dass das zu weit geht.

Interview: Alexa Collavo

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • criticus

    Man hätte von Anfang an nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen sollen. Dieser Herr in München hat somit sein Ziel erreicht. Interessant sind die Verbände, machen ein Affentheater und danach ziehen sie sich zurück. Wenn ein Landesrat Schuler von Umwelt spricht, kann ich nur lachen. Vor einem Monat wollte er die Industrieanlage in Sinich retten. Und das mit Hilfe der Wirtschaftsvertreter, nur um Bürgermeister Rösch eins auszuwischen. Schöner Katastrophenlandesrat! Diese Anlage in Sinich wäre bei einem Schadensfall weit aus schlimmer für den Tourismus und die Landwirtschaft als das ganze Theater wegen der Plakate.

  • brutus

    …das Verbot von chemisch syntetischen Pflanzenschutzmittel ändert an der Anbauweise im Obstbau nichts. Hagelschutznetze, Insekteneinhausungen und Folienüberdachungen sind im biologischen Anbau noch notwendiger als im Konventionellen. Auch muss dem Laien bewusst sein dass im Bioanbau ebenfalls Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und man Aufgrund des schnellen Abbauverhaltens viel öfter eingesetzt werden müssen. Die Giftigkeit gewisser natürlicher Mittel (natürliche Perytroide gegen Überträger des Besenwuchses) unterscheiden sich beim Ausbringen kaum vom der Giftigkeit der Syntetischen, sie bauen sehr viel schneller ab und müssen deshalb im Bioanbau alle zwei bis drei Tage um die Blüte eingesetzt werden. Das gleiche gilt für gewisse Fungizide, wobei diesen eine Geruchsbeästigung einhergeht (Schwefelverbindungen riechen oft unangenehm nach faulen Eiern). Ob diese natürlichen unangenehmen Nebenwirkungen die Bevölkerung tolleriert oder auch diese als nächsten Schritt verbieten will lass ich einmal dahingestellt.

  • morgenstern

    Apropos Selbstzweck, Veith wäre als BM längst über seine Sozialabgaben Affäre gestolpert wäre da nicht der rettende Pestizid Anker an den er sich festklammern kann. Und ich wage zu behaupten dass zur Zeit kein BM in unserem Land fester im Sattel sitzt als er.

  • andreas

    Hat jemand eine Ahnung wieviel Pestizide Südtirol im Verhältnis zu anderen Anbaugebieten einsetzt?
    Veith tut ja fast so als wären wir die Einzigen.

    Dass er sich jetzt von Schiebel und den bayrischen Fundis distanziert ist fragwürdig, war es doch er, welcher sie in Mals empfangen und mit ihnen posiert hat.

  • brutus

    …Herr BM Veith! Ich war ein einmal bei einem Vortrag, wo sie die pflanzenschutzfreie Gemeinde vorstellten. Ich wähle bewusst den Begriff Pflanzenschutz da dieser übergreifend ob der Anbauweise ist, in Bioanbau wird auch Oflsnzenschutz betrieben. Sie verwendeten dabei Bilder von wogenden Getreidefelder, blühenden Wiesen, von malerischen Waalen durchzogen, wenn möglich soll ein Bauer mit der Sense Futter für sein Stück Vieh mähen und mit dem Korb in einen urigen Stade nach Hause tragen. Dieses ist ihr Wunschbild einer Biogemeinde. Leider wird das so nicht funktionieren, wenn sie wollen dass Familien in Zukunft von Landwirtschaft unabhängig von Bio oder nicht leben können. Ein landwirtschaftlicher Betrieb will von seinen Produkten leben können, und hier zählen eben auch die nackten Zahlen die unterm Strich bleiben. Der Vinschgau hat heute schon den größten Anteil an Biobetrieben und es wir vieleicht einmal der Wunsch von 100% ereicht werden, aber wenn wir solche Bilder von einer Bioregion Vinschgau im Kopf haben degradieren sie die Betriebe zu Folklorevereinen und Landschaftsgärtnern, das wird nicht funktionieren …und davon kann man nicht leben!

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