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Abgerissenes Geschenk

Der russische Graf Aleksej Alekseevic Bobrinskoj schenkte der Gemeinde Kastelruth in den 1930iger Jahren ein Haus in Seis. Mit der Bedingung, dass es für einen „sozialen Zweck“ verwendet würde. Nun ist es abgerissen worden.

Von Thomas Vikoler

Ältere Gebäude haben in Seis – im wahrsten Sinne des Wortes – einen schweren Stand. 2013 ließ die Gemeindeverwaltung von Kastelruth am Dorfplatz das alte Schulhaus abreißen. Dies, obwohl der ehemalige Schuldirektor Rainer Seberich herausgefunden hatte, dass die Pläne für das in den 1920iger Jahre unter dem Faschismus errichtete Gebäude aus der KuK-Zeit stammten.

Die Landesregierung hatte einen verspäteten Antrag des Landesdenkmalamtes auf Unterschutzstellung der alten Schule unbehandelt gelassen.

Anstelle des abgerissenen Gebäudes wurde inzwischen das architektonisch wenig gelungene Naturparkhaus errichtet, auch eine Bibliothek wurde in dem vom Dach dominierten Neubau untergebracht.

Die Gemeinde Kastelruth muss einen Großteil der Baukosten – rund 2,5 Millionen Euro – selbst tragen, für das Naturparkhaus gibt es keine Landesbeiträge.

Und woher kommt das Geld dafür? Ein Teil davon, rund 600.000 Euro, sind die Einnahmen aus einer Versteigerung zweier Bauparzellen am St.-Oswald-Weg in Seis. Auf einer davon stand bis vor wenigen Wochen ein Gebäude, welches die Gemeinde Kastelruth in den 1930iger Jahren als Geschenk übertragen wurde. Das Bobrinskoj-Haus, in dem einmal der örtliche Kindergarten untergebracht war. Bis zum Jahre 1958 hatte dort die Witwe jenes russischen Grafen gewohnt, der sein Geschenk an die Gemeinde an die Bedingung geknüpft hatte, dass es für einen „sozialen Zweck“ verwendet würde.

Gemeint ist Aleksej Alekseevic Bobrinskoj, ein aus Russland eingewanderter Naturforscher, der vormals oberhalb von Seis eine große Villa (heute Schlosshotel Mirabell) besaß. Weil er infolge der Russischen Revolution verarmte, errichtete er das vergleichsweise bescheidene Haus im St.-Oswald-Weg, das er später der Gemeinde vermachte.

Am 2. Mai dieses Jahres stellte Bürgermeister Andreas Colli eine Baukonzession für die „energetische Sanierung mit Erweiterung“ des Bobrinskoj-Hauses aus. Die Baukonzession ist ausgestellt auf den Grödner Anwalt Alfred Mulser, der eine der beiden Baurechte – jene, auf dem sich das Gebäude aus den 1930iger Jahren befindet – ersteigert hatte.

Doch vor einigen Wochen wurde das Gebäude im Alpin-Stil kurzerhand abgerissen.

Warum? „Es hat sich herausgestellt, dass es nicht sanierbar war, auch weil es kein Fundament hatte“, sagt Bauherr Mulser, „es war aber durchaus meine Absicht, das Gebäude zu erhalten“.

Die Gemeinde Kastelruth hatte dem Käufer der Immobilie tatsächlich keine Vorgaben über einen Erhalt des Bobrinskoj-Hauses gemacht. Der neue Eigentümer reichte ein Varianteprojekt nach, das den Abbruch und Wiederaufbau des Gebäudes vorsah. Dazu das Gutachten eines Ingenieurs, das die schlechte Bausubstanz des Bestandes bestätigte.

In wenigen Stunden war das Gebäude abgebrochen. Weil das betreffende Areal als archäologische Risikozone eingestuft ist, schaute auch ein vom Amt für Bodendenkmäler beauftragter Archäologe vorbei. Er kam zum Schluss, dass einem Abbruch des Gebäudes nichts im Wege stehe.

Und so endete die Geschichte eines Hauses mit viel Geschichte, das niemand für schutzwürdig erachtete. Und es ist weiterhin zweifelhaft, ob der vom Schenkenden verlangte „soziale Zweck“ von der Gemeinde Kastelruth erfüllt wurde.

Dass bei diesem Schnellabbruch der Umstand eine Rolle gespielt haben könnte, dass er in vielen Verwaltungsgerichts-Verfahren die Gemeinde Kastelruth als Anwalt vertritt, bestreitet Bauherr Mulser übrigens: „Alles ist regulär abgelaufen. Ich wollte das Gebäude, wie gesagt, erhalten. Wegen der schlechten Bausubstanz mussten wir es aber abreißen“.

 

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