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Die tanzende Anwältin

Die Meraner Anwältin Katharina Zeller über ihre Leidenschaft zum Tanz, die Südtiroler Swing-Szene, das Revival von Lindy Hop und wie es ist, im kleinen Südtirol als Tochter bekannter Politiker aufzuwachsen.

TAGESZEITUNG Online: Frau Zeller, häufig sind Politiker-Kinder froh, wenn sie ihr Leben ohne Öffentlichkeit führen können. Sie gehören nicht dazu?

Katharina Zeller: Ich habe sicher kein Bedürfnis in der Öffentlichkeit zu stehen, aber auch kein Problem damit, ein Interview zu geben. Vor allem, wenn dieses dazu dienen kann, die Swingszene, die mir sehr am Herzen liegt, auch in Südtirol bekannter zu machen.

Womit wir bereits bei Ihrem großen Faible sind: dem Lindy Hop. Erklären Sie uns ein bisschen, woher dieser Tanz kommt?

Lindy Hop ist in den 1920er Jahren im New Yorker Stadtteil Harlem entstanden und kam einer
gesellschaftspolitischen Revolution gleich. Die Afro-Amerikaner wollten zeigen, dass sie mehr als nur ehemalige Sklaven sind, und ihre künstlerischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen. So entstand unter anderem die Swing-Musik, und dazu entwickelten sich die Swing-Tänze wie z.B. der Lindy Hop. In den Ballsälen Harlems – der größte davon hieß Savoy – trafen sich Schwarze und Weiße, um gemeinsam zu musizieren und zu tanzen. Das war damals außergewöhnlich. Die Jugend war fasziniert, es war ein absolut neues Tanz- und Musikgefühl.

Woher kommt der Name Lindy Hop?

Der Name hat mit der Atlantiküberquerung von Charles Lindbergh am 20. Mai 1927 zu tun. Die Schlagzeilen in den Tageszeitungen damals lauteten: „Lindy hops the Atlantic“. Eine Anekdote besagt, dass Jugendliche einmal abends vor einem der Ballsäle auf der Straße getanzt haben. Ein Passant frage sie: Was macht ihr da? Und sie haben geantwortet: Lindy Hop. Damit war der Name geboren.

Ein Hype damals?

Ja, vergleichbar mit der heutigen kommerziellen Musik. Lindy Hop spiegelt stark den damaligen Zeitgeist wider. Dieser Tanz hat etwas Akrobatisches an sich und die Bewegungen reflektieren beispielsweise die Flugbewegungen der Flugzeuge, die damals eben erst zum Einsatz kamen. Der Krieg war vorbei, es herrschte pure Lebenslust.

Warum ist Lindy Hop später in Vergessenheit geraten?

Es hat sich zuerst der Bepop entwickelt, es kam zu einem anderen Rhythmus-Gefühl. Vor allem aber ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.

Nach Europa ist Lindy Hop gar nie übergeschwappt?

Nein. In Europa hat sich in den 1950er Jahren der Boogie-Woogie verbreitet, ein vereinfachtes tänzerischen Derivat des aus schwarzen Wurzeln entstandenen Lindy Hop der 1930er Jahre. In Europa wurde Lindy Hop erst Anfang der 1980er Jahre in alten Filmszenen entdeckt; man hat daraufhin diese alten Schauspieler gesucht und überredet, wieder aufzutreten. Der bekannteste davon war Franky Manning, der völlig verarmt in New York lebte. Nach seiner „Wiederentdeckung“ reiste Manning durch alle Kontinente und brachte den Leuten Lindy Hop bei. Auf Youtube sieht man einiges von diesem „Ambassador of Lindy Hop“. Er ist 2009 verstorben.

Mittlerweile feiert Lindy Hop weltweit ein Revival. Wann sind Sie auf diesen Tanz gestoßen?

Das Revival begann bereits in den 1980er Jahren, richtig gestartet ist es vor drei oder vier Jahren. Ich selbst bin vor vier Jahren in Rom darauf gestoßen. An Lindy Hop gefällt mir die freie Art zu tanzen, die Lebensfreude und die Improvisation, es gibt keine fixen Regeln und keine fixen Partner. Man kann viel solo tanzen, andererseits lernt man auch viele Leute kennen. Ich mag auch diesen sozialen Aspekt. Ich liebe die Musik, großteils wird nach Original-Musik aus den 1930er Jahren getanzt. Mittlerweile spielen jedoch auch viele moderne Bands wieder Swing, auch hier in Südtirol.

Sie und Ihr Partner Emanuele Margiotta haben im Juli 2016 einen Südtiroler Swing-Verein gegründet. Wie groß ist die Community mittlerweile?

Wir zählen an die 150 Mitglieder, großteils kommen sie aus Bozen und Meran, wo wir jeweils zwei Mal pro Woche Lindy-Hop-Schnupperstunden und Tanzkurse anbieten. Die Lindy-Hop-Community weltweit ist groß und es finden regelmäßig Treffen statt, das größte davon im schwedischen Herrang. Es ist ein kleines Dorf, wo bis auf dieses Tanzevent das ganze Jahr überhaupt nichts los ist. Aber während des Festivals wird fünf Wochen lang getanzt, was das Zeug hält. Mittlerweile organisieren wir in kleinerem Rahmen Lindy-Hop-Treffen auch in Südtirol.

Zu Lindy Hop gehört auch ein stylisches Outfit?

Ja, zum Tanzen selbst braucht es lediglich bequeme Schuhe und gute Laune. Es zählen jedoch auch die Haltung, die Mode, die Frisuren. Auf allen Lindy-Hop-Events treten die Tänzer im Stil der 1930er Jahre auf. Es ist ein richtiges Lebensgefühl, das zur Schau gestellt wird.

Wie lange braucht ein durchschnittlich begabter Tänzer, um Lindy Hop zu erlernen?

Das hängt sehr vom Charakter einer Person ab, habe ich festgestellt. Improvisationsfreudige können es schon nach der ersten Tanzstunde, andere brauchen etwas länger.

Sie investieren viel Zeit in die Tanzkurse, arbeiten jedoch hauptberuflich als Anwältin. Hat sich das als Tochter zweier Advokaten so angeboten oder mögen Sie den Beruf?

Ich finde den Anwaltsberuf insgesamt interessant. Ich habe mich in Rom auf Verwaltungsrecht spezialisiert wie mein Vater und arbeite derzeit selbstständig als Anwältin in Meran.

Das Familienrecht interessiert Sie nicht?

Aus juridischer Sicht schon. Es ist mir allerdings emotional zu anstrengend. Man ist im Familienrecht häufig mit Fällen befasst, wo man helfen möchte, ohne dass dies möglich ist. Das kann sehr belastend sein.

Wie haben Sie es als Heranwachsende erlebt, in einem so kleinen Land wie Südtirol Tochter zweier Politiker zu sein, die stets im Rampenlicht stehen? 

Ich habe nicht darunter gelitten, habe es aber auch nicht besonders genossen. Ich bin deshalb gleich nach der Matura nach Rom gezogen, um dort mit meinem Jurastudium zu beginnen. Ich war sehr erleichtert über diese neue Anonymität in einer Großstadt, denn da war ich nicht mehr die „Tochter von“.

Interessiert Sie Politik?

Ja, sehr, auch weil zu Hause viel über Politik gesprochen wurde.

Schon einmal darüber nachgedacht, selbst Politikerin zu werden?

Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Mein Bruder wollte als kleiner Junge immer Politiker werden. Aber dann hat ihn das Kochen doch mehr interessiert und er hat einen anderen Weg eingeschlagen.

Wie würden Sie sich politisch einordnen?

Links-liberal.

Ihre Mutter ist den meisten Südtirolern vor allem als unerschrockene Verfechterin der Frauenrechte in Erinnerung geblieben, womit sie häufig angeeckt ist. Wie haben Sie das als junges Mädchen miterlebt?
Ich habe die Einstellung meiner Mutter immer für gut gehalten und ich habe sie auch immer unterstützt. Insgesamt war ich stets stolz, eine Frau zur Mutter zu haben, die ihre Meinung offen sagt und sich nicht einschüchtern lässt.

Sie sind diplomatischer?

Ja, in diesem Punkt bin ich wohl eher nach meinem Vater geraten.

Braucht es den Feminismus heute noch?

Diese Frage wurde bereits gestellt, als ich noch ein Teenager war. Sicher braucht es den Feminismus noch. Die Frauen haben zwar eine gute Ausbildung und organisatorische Talente, die den Männern oft fehlen, sie sind aber immer noch nicht gleichgestellt und in Entscheidungspositionen unterrepräsentiert. Es wurden in den letzten Jahren Fortschritte in der Gleichstellung zwischen Mann und Frau erzielt, diese mussten allerdings hart erkämpft werden und sollte daher nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden.

Fühlen Sie sich als junge Frau heute noch diskriminiert?

Es gibt immer noch diese subtilen Unterschiede. Das merke ich gerade in meinem beruflichen Umfeld. Während die Männer von vornherein samt und sonders die „avvocati“ sind, bin ich bestenfalls die „dottoressa“, wenn nicht gar die „signorina“.

Interview: Karin Gamper

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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