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„In Sack und Asche laufen“

Der König der Achttausender, Reinhold Messner spricht über den von Hans Kammerlander verursachten Unfall, über die Lügen eines Managers – und über seine Empathie für die Familie des Opfers.

TAGESZEITUNG Online: Herr Messner, Ihr einstiger Bergkamerad Hans Kammerlander will den Manaslu besteigen und eine Kino-Doku über sein Leben machen. Sie haben Kammerlander geraten, den Film mit dem tödlichen Unfall, den er verursacht hat, zu beginnen. Warum?

Reinhold Messner: Ich weiß, dass der Hans unter der Aggression, der er in Südtirol ausgesetzt war, sehr gelitten hat. Wenn ich der Regisseur sein sollte, dann würde ich diesen Unfall nicht ausgrenzen, sondern dazu stehen. Sonst sagen die Leute: Warum sagt er das nicht? Der Unfall war der wohl einschneidendste Moment in Kammerlanders Leben. Er selbst ist mit sich fair umgegangen. Die Aggressionen hat nicht Kammerlander ausgelöst …

… sondern sein Manager Sigi Pircher?

Richtig! Dieser Mann hat ihn in eine fürchterliche Situation gebracht, er hat Kammerlander im Regen stehen lassen. Das war unfair, deswegen habe ich den Hans auch damals verteidigt.

Der Manager hat damals …

… er hat den Unfall um 180 Grad gedreht. Er hat öffentlich erklärt, nur der Andere könne Schuld gewesen sein. Und er hat gesagt, Kammerlander habe den ganzen Tag nur Mineralwasser getrunken. Pircher hat mit diesen Lügen die mit ihm befreundete Presse …

… das Tagblatt der Südtiroler …

… gefüttert, und niemand hat recherchiert.

Und Kammerlander konnte sich nicht wehren?

Richtig. Hans lag in der Klinik. Sein Manager hat Lügen verbreitet, plötzlich stand Hans als der Lügner da.

Wird Hans Kammerlander je wieder in ein normale Leben zurückfinden?

Er muss die Möglichkeit haben, sein Leben weiterzuleben. Er hat einfach ein Recht darauf, nach diesem Unfall sein Leben wieder in die Hand nehmen zu können.

Hans Kammerlander will im Spätherbst seinen Schicksalsberg, den Manaslu, auf dem er zwei seiner besten Freunde verloren hat, bezwingen. Kammerlander sagte wörtlich, er wolle seinen Weg beenden. Wie wirkt dieser Satz auf Sie?

Er hat am Manaslu eine Tragödie erlebt, er will ihn noch besteigen, um solcherart seinen Weg zu beenden. Ich verstehe den Satz so, dass er sich danach in niedrigere Regionen zurückziehen möchte, so wie ich das schon lange getan habe. Gerade im Alter von 60 Jahren spürt man, dass es nicht mehr so leicht geht wie früher.

Ist Kammerlander inzwischen nicht zu alt für den Manaslu?

Nein, den Manaslu kann er schaffen, schließlich hat ein 80-Jähriger den Mount Everest bestiegen, wenn auch nur in einer Kolonne von Leuten. Kammerlander ist nicht mehr auf dem konditionellen Niveau, auf dem er war, als er den Everest in Rekordzeit bestiegen und streckenweise mit den Skiern abgefahren ist, aber es wird für den Manaslu reichen, wenn er nicht Pech mit dem Wetter oder mit Lawinen hat.

Herr Messner, sind Sie und Kammerlander Freunde?

Freunde ist der falsche Ausdruck! Wir waren eine ganz starke Seilschaft, wir haben 100-prozentig aufeinander vertraut. Aber wir haben uns dann notgedrungen auseinanderdividiert, weil Hans nicht bereit war, das Abenteuer Antarktis mitzumachen. Er hatte die Chance gehabt, mitzugehen, doch er wollte nicht, er wollte beim Bergsteigen bleiben. Aber wir haben uns immer wieder getroffen. Ich schätze ihn und weiß: er ist bzw. war konditionell einer der stärksten Bergsteiger der Welt.

Zurück zu Kammerlanders Unfall, bei dem der junge Ahrntaler René Eppacher das Leben verloren hat: Kann Hans Kammerlander gegenüber der Familie des Opfers noch etwas gutmachen?

Ich gehe davon aus und hoffe, dass er getan hat, was er tun konnte. Es ist – denke ich – nicht die Schuld, die ihn belastet. Er trägt die Verantwortung bis an sein Lebensende, das ist ja unser Menschenschicksal, wenn wir bei anderen etwas verursachen. Für die Familie Eppacher war es das Schlimmste, einen jungen Buben zu verlieren. Ich habe Empathie für diese Familie, obwohl ich sie nicht kenne. Aber ich habe auch Empathie für Hans. Er kann nicht sein ganzes Leben lagen in Sack und Asche laufen, er muss sein Leben weiterführen. Das muss die Familie des Opfers verstehen. Und ich glaube, sie versteht das auch. Es sind eher andere im Tal, die ein Problem damit haben.

Wie meinen Sie das?

Es war die Art und Weise, wie Hans’ Manager die Geschichte vermarktet hat, die eine für Kammerlander fatale Dynamik ausgelöst hat. Das war ungut. Es war nicht Kammerlander, der diese Dynamik urausgelöst hat, er hat sie auch nicht verstärkt. Ausgelöst wurde diese Dynamik durch die Falschberichterstattung von zwei Akteuren: von Kammerlanders Manager und einer Zeitung, die nicht die Ihre ist.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • andreas

    Kammerlander hat sich tagelang nicht dazu geäußert, obwohl er die Möglichkeit hatte.
    Sich jetzt hinter den Aussagen des Manager zu verstecken ist mehr als billig. Er hätte diese Aussagen sofort dementieren können, hat er aber nicht.
    Kammerlander ist in diesem Fall kein Opfer, wie Messern anscheinend versucht es darzustellen.

    Die Aggressionen hat also sehr wohl Kammerlander ausgelöst.

  • prof

    Das was Messner sagt ist aus meiner Sicht richtig,Kammerlander hat Fehler gemacht,weis hier jemand ob Herr Kammerlander inzwischen ein Gespräch mit der Familie Eppacher gesucht hat und seine Schuld eingestanden hat? Ob die Familie dies aber abgelehnt hat?

    • andreas

      Er hat den toten Jungen, wider besseren Wissens, wochenlang am medialen Pranger gelassen, ohne sich zu äußern.
      Wäre der Promillewert um die 0,5 gewesen, könnte man es vielleicht verstehen, doch nicht, wenn er im Suff mit 1,5 Promille den Unfall verursacht hat.
      Auch machte er bei seinem ersten Vortrag im Ausland Äußerungen, in welchen er die Schuld nicht eingestand, sondern die Untersuchungen abwarten wollte.
      Wäre nicht Kammerlander diese Schnapsdrossel, welche im Suff einen tödlichen Unfall verursacht, würde ausnahmslos jeder ihn verurteilen.
      Und ich denke auch Messners Verständnis wäre nicht so groß, hätte er eines seiner Kinder totgefahren.

      Wenn du dich erinnerst, waren es Freunde des Jungen, welche gegen die Schuldzuweißungen an ihn protestiert haben, da der Zustand Kammerlanders anscheinend üblich und bekannt war.

  • prof

    Nochmals,weis hier jemand ob Kammerlander bei den Eltern des Toten seine Schuld eingestanden hat,daß es im unendlich Leid tut??
    Wenn schon,muss er es auch über den Medien kundtun?

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