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„Ich bin kein Grüner“

Paul Köllensperger

Paul Köllensperger grenzt sich in Hinblick auf die Landtagswahlen klar von den anderen Oppositionsparteien ab. Er erklärt, warum er zur Zeit nur abwarten und Tee trinken muss. Und er sagt: Die Integration der Flüchtlinge ist nicht möglich.

TAGESZEITUNG Online: Der Parlamentarier Florian Kronbichler warnt seine grünen Freunde: Passt auf, der Paul Köllensperger kann euch bei den Parlaments- und Landtagswahlen gefährlich werden …

Paul Köllensperger: Hat er das gesagt?

So wie Kronbichler buhlen auch Andere um Köllensperger. Alle wollen den Paul …

Ich wusste gar nicht, dass ich so gefragt bin. Ich fand es amüsant, dass die Grünen sich bemüßigt gefühlt haben, Pläne einer engeren Zusammenarbeit zu dementieren, als ob jemals  davon gesprochen worden wäre. Was eine Zusammenarbeit auf einzelne konkrete Themen betrifft, bin ich offen für jeden …

Aber Sie sind kein Grüner?

Nein, ich bin kein Grüner, aber es gibt klare Übereinstimmungen bei Umweltthemen. Und in die klassischen Rechts-Links-Schemen passe ich auch nicht.

Warum treten Sie 2018 nicht mit einer Liste Paul Köllensperger an?

Die 5SB hat momentan einen guten Lauf. Ich bin in der komfortablen Situation, in Südtirol freie Hand zu haben, und gleichzeitig einer Bewegung anzugehören, die laut den jüngsten Umfragen die stärkste Partei in Italien ist. Sollte diese Partei in Rom morgen etwas zu sagen haben, könnte sie den Regionenminister stellen …

Ah, Sie wollen Regionenminister werden?

(lacht) Nein. Aber innerhalb der Bewegung kennt man sich, ich habe einen direkten Draht zu vielen 5-Sterne-Parlamentariern. Das wäre nicht nur für mich, sondern auch für Südtirol ein interessantes Szenario, zumal die Grillini sich bislang immer für den Föderalismus ausgesprochen haben.

Also denken Sie nicht an die Bildung einer Köllensperger-Liste?

Sicher wäre das Potential hier in Südtirol größer, wenn ich mit einer eigenen Bürgerliste antreten würde. Aber solange es keinen triftigen Grund gibt, mit der 5SB zu brechen, wäre es unklug diese Nabelschnur nach Rom einfach zu kappen. Im Leben können sich die Dinge aber oft schnell ändern. Ein Grund, sich zu trennen, wäre, wenn die Bewegung ihre autonomiefreundliche Linie aufgäbe. In so einem Fall könnte ich nicht in der Partei bleiben und würde zurücktreten. Aber es gibt für ein derartiges Szenario keine Anzeichen und deshalb für mich auch keinen Handlungsbedarf. Ich kann abwarten und Tee trinken. Und in die Privatwirtschaft kann ich auch zurück, ich bin glücklicherweise nicht auf den Politikerjob angewiesen.

Sie haben gesagt, das Potential wäre mit einer Köllensperger-Liste größer: weil viele Menschen Berührungsängste in Bezug auf die Grillini und Grillo haben?

Paul Köllensperger und Brigitte Foppa

Richtig! Ich würde vielleicht bei den italienischen Wählern ein paar Stimmen verlieren, wenn ich mit einer neuen Liste antrete. Aber viele deutschsprachige Wähler schauen sich derzeit nach einer seriösen Alternative zu den alteingesessenen Parteien um, nach jemandem, der die konkreten Fragen des Lebens aufgreift, doch sie haben vielfach Berührungsängste mit der 5SB, für die ist meine Zugehörigkeit zu den Grillini zweifelsohne ein Hemmschuh.

Sie könnten ja auch bei den Parlamentswahlen antreten. Da in den Ein-Mann-Wahlkreisen der Kandidaten mit den meisten Stimmen gewählt wird, wäre ein Sieg im Senatswahlkreis Bozen–Unterland …

… rein theoretisch wäre dort ein tolles Resultat drinnen. In diesem Wahlkreis leben 150.000 Einwohner, denen seit vielen Jahren nur leere Versprechungen gemacht werden. Es wäre durchaus ein interessantes Rennen, vor allem dann, wenn für die SVP und den PD Gianclaudio Bressa ins Rennen gehen sollte …

Das wünschen sich SVP-Granden wie Karl Zeller …

So scheint es. So ein Rennen wäre reizvoll, und ich denke, mit der 5-Sterne-Bewegung im Rücken könnte man hier vorne mitspielen. Auf der anderen Seite wäre es schade, die Arbeit hier im Lande mit einer in Rom einzutauschen.

Also bleiben Sie in Südtirol?

Ich denke schon, das Zentrum meines Lebens ist hier, und ich sehe es auch als folgerichtig an, dass ich weiterhin dafür kämpfe, die festgefahrene Situation in Südtirol und die verkrustete Politlandschaft etwas aufzubrechen. Nur wenn die SVP die absolute Mehrheit verliert, kann sich hier was ändern.

Danach sieht es aber derzeit wirklich nicht aus?

Sicherlich ist der Zustand der Opposition derzeit schwach. Wenn auch ich mich aus dem Staub machen würde, würde ich der SVP hierzulande noch zusätzlich einen Gefallen machen. Ich werde wohl der Südtiroler Politik erhalten bleiben.

Nachdem die Freiheitlichen mit der neuen Führung doch einen Schwenk nach rechts gemacht haben, wird ein Vakuum in Südtirol noch größer: Viele Menschen würden sich eine bürgerlich-liberale Alternative wünschen …

Man verspürt hier in Südtirol (und nicht nur) grundsätzlich ein Bedürfnis nach neuen Bewegungen oder Parteien. Wenn die Freiheitlichen statt auf wirtschaftsliberal nun eher auf heimatverbunden machen, öffnen sich neue Räume auch in diesem Spektrum. Wo ich aber genauso einen dringenden Handlungsbedarf sehe, ist im bürgerlichen bis sozialdemokratischen Lager. Wir haben mittlerweile die Situation, dass Familien mit zwei Kindern nicht über die Runden kommen, wenn nicht beide Elternteile in Vollzeit arbeiten. Der Mittelstand hat dramatisch an Kaufkraft verloren, während einige wenige sich immer mehr bereichern. Ich denke also, dass die Verteilungsgerechtigkeit absolut ein Thema für die Südtiroler Politik ist. Aber wie gesagt, mir persönlich liegen Sachthemen und nicht Ideologien. Ich frage mich: Wie wollen wir morgen leben? Was braucht Südtirol, um auch in Zukunft ein so toller Lebensraum zu sein? Oder ein noch besserer?

Die Grillini werden in Südtirol als Ein-Mann-Partei wahrgenommen, als One-Man-Show. Wieso gelingt es Ihnen nicht, die Partei breiter aufzustellen?

Mir kommt eher vor, dass die 5SB als eine rein Bozner Partei wahrgenommen wird, und außerhalb der Stadt ich hingegen von vielen gar nicht als Grillino angesehen werde. Das Problem ist, dass viele Leute in Südtirol einfach Angsthasen sind, viele getrauen sich nicht sich als Unterstützer einer Anti-System-Partei zu outen, weil sie denken was verlieren zu können. Und einer italienischen noch dazu, mit einem Kabarettisten vorne dran, das geht gar nicht. Aber ich arbeite daran.

Eine Zusammenarbeit mit Rechtsparteien kommt für Sie nicht in Frage?

Rechts oder links ist mir egal, mich interessieren konkrete Themen. In einzelnen Sachfragen kann ich theoretisch mit jedem zusammenarbeiten. Etwas was darüber hinausgeht, kann ich mir aber mit diesen Parteien nicht vorstellen, schon gar nicht mit den Rechtsparteien. Ich würde mich auch niemals in deren Hierarchien und Parteilogiken zurechtfinden.

Brigitte Foppa träumt von einer schwarz-grünen Regierung in Südtirol ab 2018 …

Dass die Grünen darauf spekulieren, ist keine Neuigkeit.

Im Schlepptau können Sie sich ja auch der SVP als Partner anbieten?

Im Schlepptau der Grünen? Ich würde nie eine Beteiligung eingehen, wenn ich nicht das Zünglein an der Waage bin. Es hängt alles von den Kräfteverhältnissen im nächsten Landtag ab, so wie die Wähler sie bestimmen werden. Da mich Posten nicht interessieren und man mich damit nicht locken kann,  kommt es dann ausschließlich auf die programmatischen Inhalte an. Ich bin wohl eher nicht der angenehmste unter den möglichen Partnern. Großen Einfluss wir auch die Zusammensetzung der neuen Regierung in Rom haben.  

Wie würden Sie das Einwanderungsproblem lösen?

Südtirol hat hier keine Zuständigkeit, und wir kleine Alpenprovinz lösen gar nichts, sondern können nur das Beste aus der Situation machen. Aber es liegt auf der Hand, dass bei über 80 Millionen neuen Armen die jedes Jahr dazu kommen, wir das Problem nie lösen werden, wenn wir eine Million Migranten in Europa aufnehmen. Ganz abgesehen davon, dass die Ärmsten es ja gar nicht bis hierher schaffen.

Etwas anderes sind die Flüchtlinge, die hier bei uns sind, haben meistens Schlimmes hinter sich und müssen menschlich behandelt werden. Ich würde nie einem Politiker vertrauen, der gegen die Ärmsten der Armen hetzt, nur um sich ein paar Wählerstimmen herauszuschlagen.

Ist Integration möglich?

An die Integration der Flüchtlinge glaube ich nicht, das kann nur gelingen, wenn ganze Familien kommen und nicht nur Männer, und auch dann nicht immer, wenn die kulturellen und religiösen Differenzen zu groß sind. Es wäre ehrlicher, diesen Menschen zu helfen, sie hier arbeiten zu lassen und ihnen auch etwas beizubringen, damit sie in ihrem Herkunftsland morgen ein neues Leben beginnen können. Daher ist das erste Gebot, die Kriege in Nahost und Afrika zu beenden, und mit dem Wiederaufbau dieser Länder zu beginnen. Dazu braucht es gerade die Männer, die zu uns geflohen sind. Einen Marshallplan für die dritte Welt und Nahost. Oder wollen wir Mauern bauen wie der blonde Spinner drüben im Westen? 

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (26)

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  • unglaublich

    Bravo Paul!
    Genau so ist es, Menschen hier ausbilden, damit sie in ihren eigenen Ländern zum Aufbau demokratischer und tragender Gesellschaftssysteme beitragen können. Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe, so wie es auch der Dalai Lama gesagt hat.
    Flüchtlinge aufnehmen (für immer) und den Diktatoren Waffen liefern ist keine Hilfe, das dient ausschließlich den Gewinnmaximierern, die zurzeit auch in der westlichen Welt das Sagen haben.

  • prof

    Herr Köllensperger ein Mann mit klarer Aussage,vieleicht nicht unbedingt in der richtigen Partei, (meiner Ansicht) aber was solls, bei der SVP hätte er zu viele Gegner ( in der Partei) denn jemand wie Köllensperger der die Finger in die Wunde legt und logisch argumentiert ist dort nicht gefragt und sicher unbequem.

  • george

    Seit wann sind Personen, die Menschenrechte respektieren und verteidigen, Grüne? So ein Schwachsinn!

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