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Lawinenschutz mit Verspätung

jaufenpass_02Der skurrile Rechtsstreit um den Bau einer zwei Millionen Euro teuren Lawinenschutzgalerie auf dem Jaufenpass.

von Heinrich Schwarz

In Passeier wartet man seit Jahren auf eine Lawinenschutzgalerie auf dem Jaufenpass – der direkten Verbindung mit dem Wipptal. Immer wieder kommt es vor, dass der Pass im Winter wegen Lawinengefahr gesperrt werden muss. Wer dann nach Sterzing will, muss die um 80 Kilometer längere Strecke über Bozen in Kauf nehmen.

Im September 2015 kam es schließlich zur Ausschreibung der Bauarbeiten. Drei Monate später erfolgte der Zuschlag.

Fünf Firmen bzw. Bietergemeinschaften (BG) hatten am Wettbewerb teilgenommen, darunter Decobau GmbH zusammen mit Mair Josef KG sowie Alpenbau GmbH zusammen mit Passeirer Bau GmbH und Gasser Markus GmbH.

Der Zuschlag ging an die BG um die Alpenbau aus Terenten mit einem Abschlag von rund einem Prozent. Der Zuschlagsbetrag: 2,175 Millionen Euro.

Die BG Alpenbau erhielt im Rahmen der Qualitätsausschreibung 96,25 Punkte. Maximal 30 Punkte gab es für den Preis, maximal 70 Punkte für die Qualität. Zweitplatzierter wurde die BG Decobau mit 91,10 Punkten.

Der Baubeginn hätte vor einem Jahr erfolgen sollen, doch die unterlegene BG Decobau zog vor das Verwaltungsgericht. Der Rechtsstreit ist inzwischen beendet.

Der TAGESZEITUNG liegen die Urteile des Verwaltungsgerichtes und des Staatsrates vor. Es ist ein skurriler Rechtsstreit mit einer überraschenden Wendung.

Der Grundstücks-Deal

Bevor Decobau und Mair Josef KG ihren Rekurs einreichten, stellten sie bei der Vergabeagentur des Landes einen Antrag zur Annullierung des Zuschlages. Doch der Antrag wurde Ende Dezember 2015 abgewiesen. Kurz darauf folgte schließlich der Rekurs beim Verwaltungsgericht.

Decobau bezichtigte die BG Alpenbau der Falschaussage und verlangte den Ausschluss vom Wettbewerb.

Der Hintergrund:

Ein Bewertungskriterium in der Qualitätsausschreibung waren Vorschläge für die Verkehrsführung während der Bauarbeiten. Dafür wurden maximal 14 Punkte vergeben. Die Standardlösung wäre ein Einbahnverkehr mit einer Ampelanlage gewesen. Decobau und Alpenbau schlugen jedoch eine doppelspurige, provisorische Umfahrung der Baustelle vor, indem der talseits neben der Baustelle liegende Grund bei der Jaufenalm einstweilig besetzt wird.

Das Grundstück ist im Eigentum der Interessentschaft Jaufen. Und Alpenbau erklärte in den Angebotsunterlagen, eine mündliche Zusage vonseiten des Eigentümers für die Nutzung des Grundstückes eingeholt zu haben.

Dieser Umstand rief die BG Decobau auf den Plan: Sie legte dem Verwaltungsgericht eine im September 2015 abgeschlossene Vereinbarung vor, in der sich der Obmann der Alminteressentschaft gegenüber der Firma Mair Josef KG der BG Decobau verpflichtet hatte, den Grund während der Bauzeit exklusiv zur Verfügung zu stellen. Und zwar gegen die Zahlung eines Entgeltes von 20.000 Euro.

Das Verwaltungsgericht Bozen schreibt in der Sachverhaltsdarstellung des Rekurses: „In einer weiteren Erklärung vom 16.12.2015 bestätigte der Obmann der Interessentschaft nochmals, dass er nur an die Firma Mair Josef KG (oder ihrer Bietergemeinschaft) die Genehmigung zur Besetzung erteilt hatte. Alpenbau habe somit die Bewertungskommission getäuscht, da diese davon ausgegangen sei, dass sie über die Fläche verfügte, was aber nicht der Fall gewesen sei. Die Grundparzelle 1693/1 stand nämlich nur der BG Decobau zur Verfügung und niemand anderem, auch nicht der BG Alpenbau.“

Vom Angriff in die Verteidigung

Das Gericht kommt aber zu einem klaren Urteil: „Der Rekurs der BG Decobau ist unbegründet.“ Der Grund: „Entgegen der Meinung der Verteidigung von Decobau war in der Ausschreibung die Verfügbarkeit der Flächen nicht verlangt, auch war diesbezüglich keine Bewertung vorgesehen“, so das Verwaltungsgericht. Mit der einstweiligen Besetzung von Flächen müsse sich erst der Auftragnehmer in der Ausführungsphase beschäftigen.

Was kurios ist: Die BG Alpenbau hat am letztmöglichen Tag einen Anschlussrekurs eingereicht und ihrerseits den Ausschluss der BG Decobau verlangt. Die BG Decobau habe die Prinzipien der Redlichkeit und des korrekten Verhaltens verletzt, als sie dem Obmann der Interessentschaft Jaufen Geld bot, damit diese ihr das Areal exklusiv zur Verfügung stellt.

Das Verwaltungsgericht hat den Rekurs angenommen und die BG Debobau vom Wettbewerb ausgeschlossen. Denn in einer Integritätsvereinbarung hätten sich alle Bieter verpflichtet, niemandem „(…) Geldbeträge oder sonstige Vorteile (…) zu gewähren oder zu versprechen, um die Zuschlagserteilung (…) zu begünstigen“.

„Das Geld wurde geboten, um sich unter Verletzung der ‚par condicio‘ einen unlauteren und unredlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Bietern zu ergattern“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Das Gerichtsverfahren ging beim Staatsrat weiter. Allerdings wurde dabei nicht mehr direkt um den Zuschlag für den Bau der Lawinenschutzgalerie gestritten, sondern vielmehr um den Ausschluss der BG Decobau. Aufgrund des Exklusiv-Deals mit der Alminteressantschaft hätte der Ausschluss nämlich den Einzug der Kaution und eine Meldung an die Antikorruptionsbehörde zur Folge.

Die BG Decobau wollte dies möglichst vermeiden. Vom Angriff in die Verteidigung also. Decobau sah in der Begründung des Verwaltungsgerichtes eine Widersprüchlichkeit: Wenn die Grundverfügbarkeit in der Ausschreibung nicht relevant war, könne der Vertrag mit der Alminteressentschaft auch kein Ausschlussgrund sein.

Der Staatsrat gab diesem Einwand statt und wies den Anschlussrekurs der BG Alpenbau beim Verwaltungsgericht ab.

Mussners Versprechen

Wann Baubeginn ist, weiß man in Passeier aber immer noch nicht. Konrad Pfitscher, Bürgermeister der Gemeinde St. Leonhard, sagt: „Wir sind die leidtragenden Zuschauer, da die Gemeinde im Verfahren nicht involviert ist und die Entscheidungen ausschließlich vom Land getroffen werden. Mich interessiert vor allem die Errichtung der Galerie aus Sicherheitsgründen, auf die wir jahrelang gedrängt haben. Die ständige Verzögerung ist zu bedauern.“

Und der Direktor der Vergabeagentur, Thomas Mathà, erklärt: „Nachdem das Gericht den Zuschlag bestätigt hat, muss der Sieger beweisen, dass er effektiv laut seinem Angebot bauen kann. Als letztes Mittel bleibt immer eine Zwangsbesetzung des Grundstücks.“

Das zuständige Landesamt für Straßenbau West hat für genaue Auskünfte zum aktuellen Stand der Dinge auf Landesrat Florian Mussner verwiesen. Dieser sagte gestern gegenüber der TAGESZEITUNG: „Wir sind dabei, mit der Firma Alpenbau den Vertrag zu unterschreiben. Demnach gehe ich davon aus, dass die Grundverfügbarkeit abgeklärt worden ist. Nach Ostern können die Bauarbeiten also beginnen.“

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