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Die Heiratsschwindlerinnen

 

34088125 - a young couple sitting on a park bench and fightDie Bozner Quästur hält drei marokkanische Schwestern, die Scheinehen zum Zwecke der Familienzusammenführung geschlossen haben sollen, trotz bisher nicht erwiesener Schuld für gemeingefährlich. Und hob deshalb ihre Aufenthaltsgenehmigungen auf.

Von Thomas Vikoler

„Die ganze Sache ist ein Witz“, sagt der Bozner Anwalt Marco Ferretti. Dennoch hat er in den vergangenen Tagen eine juristische Niederlage hinnehmen müssen.

Das Bozner Verwaltungsgericht hat seinen Rekurs gegen eine Maßnahme des mit Jahresende in Pension gegangenen Quästors Lucio Carluccio abgewiesen. Carluccio hatte am 18. Dezember 2013 die Ausweisung von Ferrettis Mandantin, einer Frau aus Marokko, verfügt.

Was war passiert?

Die Polizei verhaftete im Juli jenes Jahres im Rahmen der „Operation „Vacantine“ fünf Personen, darunter drei Schwestern aus Marokko, eine davon ist die Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Der Vorwurf: Verstöße gegen das Gesetz zur Einwanderung. Die drei Schwestern hätten, mit der Hilfe eines Bozners und der Zahlung von 8.000 Euro Prämie, Scheinehen mit Landsleuten abgeschlossen. Der vermeintliche Zweck: Durch die Heirat sollte Männern aus Marokko, über den Weg der Familienzusammenführung, eine reguläre langfristige Aufenthaltsgenehmigung verschafft werden.

Eine Aufenthaltsgenehmigung, die den drei Schwestern von Quästor Carluccio später entzogen wurde. Mit einer Begründung, welche die Anwälte der Frauen für verfrüht und überzogen halten: Die drei Marokkanerinnen wurden nämlich, wegen ihrer Verwicklung in die „Vacantine“-Ermittlung als sozial gefährlich eingestuft. Eine Vorgangsweise, die das Bozner Verwaltungsgericht in ihrer Begründung für die Abweisung des Rekurses von einer der drei Schwestern für rechtmäßig erklärt.

Das Gericht stützt seine Begründung im Wesentlichen auf den Haftbefehl des Voruntersuchungsrichters. Demnach hat die Frau, die seit 2002 in Bozen lebt, im März 2010 in Marokko eine Ehe mit einem 15 Jahre jüngeren Mann geschlossen. Eineinhalb Monate später stellte sie an das Regierungskommissariat in Bozen einen Antrag auf Familienzusammenführung, der am 23. Juni 2010 gewährt wurde. Im Mai 2011 ließ sich das Paar in Marokko einvernehmlich scheiden, Am 7. Febraur 2012 schloss die in Bozen ansässige Frau in Marokko eine neue Ehe und stellte wiederum einen Antrag auf Familienzusammenführung. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich erneut um eine Scheinehe handelte, denn in abgehörten Telefonaten bezeichnete die Frau ihren neuen Gatten als „Sklaven“, den sie möglichst bald wieder loswerden möchte. Außerdem sei sie als Prostituierte tätig gewesen, wie aus mehreren Telefonabhörungen hervorgehe.

Ihr Anwalt Marco Ferretti behauptet hingegen, dass die vermeintliche Scheinehe bis heute gehalten hat, das Paar lebe weiterhin gemeinsam in einer Wohnung in Bozen.

Außerdem: Es fehle bisher die Feststellung der strafrechtlichen Schuld seiner Mandantin. Tatsächlich behängt am Bozner Landesgericht weiter das Hauptverfahren gegen sie, ihre beiden Schwestern und den mutmaßlichen Organisator des Heiratsschwindels.

Für das Verwaltungsgericht ist das kein ausreichendes Argument: Für die Feststellung der sozialen Gefährlichkeit einer Person bedürfte es keines rechtskräftigen Strafurteils, es genüge die polizeiliche Prognose einer Gemeingefährlichkeit bzw. begründete Indizien dafür.

Laut zitierter Rechtsprechung gehört auch ein „nicht regulärer Lebensstil“ dazu. Quästor Carluccio hatte der Frau aus Marokko als erschwerenden Grund vorgehalten, sich nach über zehn Jahren in Bozen „nicht wirklich integriert“ zu haben.

Im laufenden Strafprozess am Landesgericht werden die drei weiter in Bozen lebenden Schwestern von Nicola Nettis vertreten. Er ist überzeugt, dass es dort zu einem Freispruch kommt. Und dass damit die Voraussetzungen für eine Ausweisung aus Italien wegfallen.

 

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