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Die Wirtinnen

anni-lellaSie sind beide seit mehr als 50 Jahren in der Gastronomie. Sie haben die Ritterbar in Bozen zum Treff eines kuriosen Völkchens gemacht. Nun gehen sie in Rente: Anni Zeni und Lella Benini.

von Arnold Tribus

In Südtirol gehört es zur guten Sitte und Tradition, dass man fast täglich ins Gasthaus geht, nicht nur, weil man dort sein Gläschen trinkt oder einen Aperitif – der Veneziano ist immer noch hoch im Kurs –, sondern vor allem, um dort Leute zu treffen, mit denen man einen Ratscher machen kann.

Jeder wählt sich da den Ort seines Geschmacks.

Die Ritterbar in der Bozner Silbergasse war so ein Ort der besonderen Art, der im Laufe der langen Jahre ein sehr buntes, vielfältiges und kurioses Völkchen angezogen hat, weil die Athmosphäre gemütlich ist, sagen wir familiär. Da verkehrten Deutsche genauso wie Italiener, Adelige genauso wie Proletarier, angesehne Freiberufler genauso wie Angestellte und Putzfrauen.

Und Journalisten.

Jeder Kunde war mit den beiden Wirtinnen per Du, man kennt sich einfach, man fühlt sich wohl.

Das Lokal ist für den heutigen Geschmack ein bisschen altmodisch, und gerade das ist das Schöne, die Bar ist ein Überbleibsel aus der guten alten Zeit, sie ist noch nicht zu Tode modernisiert worden, sie hat noch die Gemütlichkeit einer Bar der 60er-Jahre.

Heute würde man den Stil der Bar Ritter „Vintage“ bezeichnen, was so viel wie altmodisch, alt, klassisch bedeutet, aber als Begriff durchaus positiv besetzt ist, Vintage-Gegenstände und Vintage-Mode sind heute in.

Und deshalb war auch die Ritterbar in. Natürlich reichen ein paar alte Möbel, ein altes Klo, ein alter Budel und ein hübsches Gärtchen nicht aus, um eine Bar berühmt zu machen, dazu braucht es auch eine gute Führung. Und diese lag nun seit dreißig Jahren in den Händen von Anni und Lella, die dem Lokal ihren Stempel aufgedrückt und ihm eine unverkennbare Seele eingehaucht haben.

In der Bar waltete und schaltete die blonde Anni, sie war für den Publikumsverkehr zuständig, während Lella in der Küche alle Leckereien zubereitete, die die Kundschaft anzogen.

Die Anni machte jeden Tag um sechs Uhr ihre Ritterbar auf und stand dann den ganzen Tag hinter dem Pudel, ging ein und aus, betreute ihre Gäste, die im hübschen Garten mit Laube Platz genommen hatten.

Wer weiß, wie viele Kaffees und Cappuccini sie in den vielen Jahren heruntergelassen hat, und Weiße, wer weiß, wie viele Buttergipfelen zum Kaffee verkauft wurden, denn in der Ritterbar gab es nicht Brioches, sondern Buttergipfelen wie bei Muttern, und die besten Brötchen und Brote, wie das selbstegbackene Ölbrot mit Mortadella. Allein der Gedanke lässt den Speichel im Mund zusammenlaufen.

Die Anni betreute ihre vielen Gäste immer mit viel Liebe und Aufmerksamkeit, hatte für alle ein nettes Wort, und wen sie besonders mochte, der erhielt ihren Sondertitel „Stellina“, Sternchen.

Das waren die Gäste, die sie beonders gerne sah, die sie erfreuten. Es waren auch die, die ihr eine besondere Aufmerksamkeit entgegenbrachten, die sie besonders gern hatten.

Und es gab derer viele, weil sie ein herzlicher und offener Mensch ist.

Denn sie ist eine sehr liebenswürdige und liebenswerte Person, die Anni von der Ritterbar, die seit mehr als 60 Jahren in der Gastronomie tätig war, zuerst als Angestellte, dann als Selbständige, immer unermüdlich, ein Arbeitstier, das sich im Sommer grad mal eine Woche Urlaub in Caorle gönnte, weil sie so gerne im Meer schwamm. Sie ist großherzig und zart.

Die Anni von der Ritterbar gehörte schon seit langem zu den alten Wirtinnen des Zentrums. In ihrem Lokal ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben, ein hübsches altes Lokal mit viel Flair, ohne Stahl und Beton, keine Wine Bar, oder einen Paninothek, nein, eine alte Bar, ein Beisl, würde man in Wien sagen.

Aber was wäre die Anni schon gewesen, wenn sie nicht die Lella an ihrer Seite gehabt hätte, die den ganzen kulinarischen Teil besorgte. Sie war immer hinten in ihrer kleinen Küche, aus der Erstaunliches herausgebracht wurde. Ab und zu traf man sie am Pudel, wo sie mit einer Freundin oder mit einem Gast einen „Bianchetto“ trank, um sich abzukühlen, denn in der Küche gab es natürlich keine Air condition.

Lellas Fleischkrapfln sind in der Stadt berühmt, der Fischaperitif am Freitag ebenso. Und sie hatte ihre Klientel, die Lella, Leute, die eigens in die Ritterbar kommen, weil die Lella mit Geschmack kocht. Als sie die Ritterbar vor 30 Jahren übernommen haben, war sie eigentlich nur eine Bar.

Im Laufe der Jahre haben sie die beiden Frauen auch zu einem Speiselokal ausgebaut, zu einer Trattoria, die mittags täglich 70-80 Essen serviert. Anni und Lella haben schon als junge Mädchen, mit 16, begonnen, in der Gastroniomie zu arbeiten. Als Angestellte, die Anni in Terlan, die Lella als Köchin auf dem Reschenpass, in der Speckstube in der Goethestraße, bei Da Cesare am Autobahnhof.

Ihre Karriere als selbständige Wirtinnen beginnt, als die beiden Damen noch sehr jung den „Caminetto“ in der Goethestraße übernommen haben, ein sehr hübsches Gasthaus mit Holztäfelung, in dem die Bozner gerne speisten.

Natürlich haben sie Aufsehen erregt, die beiden Frauen, die ein Gasthaus übernehmen, und dass gemunkelt wurde, ist auch klar. Aber das konnte ihnen nichts anhaben, sie sind zwei selbstsichere Frauen, und das vor Feminismus und Genderbewegung.

Nach dem Caminetto waren sie einige Jahre im Magdalenerhof, haben dann das Restaurant „Exzelsior“ übernommen in der Bindergasse-Ecke Streitergasse. Das Lokal existiert nicht mehr.

Von dort sind dann in den „Eisenhut“, ein bekanntes, altes, gutbürgerliches Bozner Gasthaus, auch seit Jahren geschlossen. Um es etwas ruhiger zu haben, haben sie dann die Ritterbar in der Silbergasse übernommen, wo sie bis Montag beide wirkten, 30 lange Jahre. Nun sind sie beide in Rente gegangen. Ach Kinder, wie die Zeit vergeht.

Die rote Anna wird es nun weiterführen, und wir hoffen, dass der Lothar Seele und Charakter beibehält.

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