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„Die Kirche kann es“

Florian Kronbichler

Florian Kronbichler

Florian Kronbichler findet: Das Begräbnis von Bischof Karl Golser war die bisher vielleicht größte Kundgebung des zum friedlichen Zusammenleben entschlossenen Südtirols.

Florian Kronbichler findet:

Das Begräbnis von Bischof Karl Golser sei die bisher vielleicht größte Kundgebung des zum friedlichen Zusammenleben entschlossenen Südtirols gewesen.

Der Parlamentarier schreibt auf Facebook:

„Es war gegen Ende der Messfeier im Dom von Brixen.

Inmitten der Körper an Körper stehenden Menschenmenge drehte ich mich zu meinem Nachbarn, einem mir bekannten Italienischlehrer aus Bruneck, und flüsterte ihm zu:

„Un bell’esempio di multilinguità e di buona convivenza, davvero! Riccordiamoci sempre che la convivenza richiede impegno. Se non c’è impegno reciproco, i gruppi linguistici tornano nei propri recinti e si dividono. Perché è più comodo.“

Der Lehrer hat mir zugestimmt. Das überraschte mich nicht.

Zu meiner Überraschung jedoch haben sich zwei vor mir stehende Frauen, die ich nicht stören wollte, die aber offenbar mitgehört haben, umgedreht, und die eine, ältere, hat gesagt: „Sie sprechen uns aus der Seele. Wir danken Ihnen.“ Die zweite, jüngere, nickte zustimmend.

Ich war gerührt von der spontan herzlichen Zustimmung.

Das Bischofsbegräbnis war, vom entschieden wichtigeren religiös-menschlichen Inhalt abgesehen, eine große, in meiner Erinnerung die bisher vielleicht größte, Kundgebung des mehrsprachigen, zum friedlichen Zusammenleben unter bisher verschiedenen Sprachgruppen entschlossenen Südtirols.

Groß, weil nicht nur gut gemeint, sondern auch gekonnt. Deutsch und Italienisch nicht einander doppelnd und wiederholend, sondern sich ergänzend.

Nicht gleich, aber gleichwertig.

image Und beides gleich gut. Und nicht zu vergessen das Ladinische.

Wenn überhaupt, kommt der kleinen Dritten üblicherweise eine ehrende Nennung zu, allenfalls ein Grußwort.

Diesmal fand das Ladinische paritätisch bei den Fürbitten zum Zug und Eingang sogar ins Hochgebet.

Ich hatte das Gefühl, ich wohnte einer gelungenen Mehrsprachigkeits-Aufführung bei.

Mehrsprachige, auch nur zweisprachige „Veranstaltungen“ (wenn Gottesdienste die prosaische Bezeichnung erlauben) haben es im Land weiterhin nicht leicht. Sie erfordern Gespür und Können von den Vortragenden gleichermaßen wie Aufgeschlossenheit und Geduld von den zuhörenden Teilnehmern. Einsatz eben, Impegno. Eine positive Einstellung dazu ist die Grundvoraussetzung.

Die Kirche war in dieser Hinsicht seit Bischof Gargitters Zeiten der Politik voraus.

Das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen war ihr immer Anliegen, und was die Aufwertung des Ladinischen anlangt, gebürt überhaupt der Kirche das Hauptverdienst. Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, bei der Eröffnung eines akademischen Jahres an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Brixen den Gastvortrag zu halten.

Das Engagement der Ortskirche in Sachen friedliches Zusammenleben schien mir etwas zu lahmen, und so ermahnte ich, „die Südtiroler Kirche muss den Ehrgeiz haben, sich einschlägig nicht von der Durnwalder-Politik überholen zu lassen“.

Seit dem Bischofsbegräbnis bin ich wieder zuversichtlich. Es wird politisch weiterhin so viel geschwätzt von Zweisprachigkeit, Interkulturalität und friedlichem Zusammenleben, die Kirche macht’s vor. Und kann es. Man kann nur danken und ihr Vorbild sich zum Vorsatz machen – fürs neue Jahr. Alles Gute!

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