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Moral, Drogen & Führerschein

08-führerscheinkontrolleDas Regierungskommissariat entzieht weiterhin Führerschein-Inhabern, die wegen Drogendelikten verurteilt wurden, die Fahrerlaubnis. Ohne Begründung.

Von Thomas Vikoler

Im Bozner Herzogenpalast scheint man das Urteil des Verfassungsgerichts, mit dem 2014 die Gleichstellung von leichten und schweren Drogen aufgehoben wurde, bisher nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

Nicht anders ist es zu erklären, dass die Präfektur weiterhin Führerschein-Inhabern, die wegen Drogendelikten strafrechtlich verurteilt wurden, die Fahrerlaubnis entschied. Automatisch und ohne nähere Begründung, wie ein Urteil des Landesgerichts Trient zeigt.

Bereits im März hatte die TAGESZEITUNG über einen ähnlichen Fall berichtet. Der Bozner Zivilrichter Emanuele Aprile sprach dazu ein bahnbrechendes Urteil, das die Praxis des Regierungskommissariats für rechtswidrig erklärte.

Einem jungen Mann, der wegen des Anbaus von Cannabis einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen hatte (acht Monate Haft auf Bewährung, 1.400 Euro Geldstrafe), musste der abgenommene Führerschein wieder zurückgegeben werden.

Weil kurz darauf die dreijährige Frist ab der Rechtskraft des Strafurteils ablief, innerhalb der das Regierungskommissariat aktiv werden kann, konnte der Cannabis-Pflanzer seinen Führerschein definitiv behalten.

Nun gibt es ein Urteil des Trienter Zivilrichter Marco Tamburrino, welches das Bozner Urteil bestätigt. Wieder geht es um einen jungen Südtiroler, der wegen Drogenbesitzes mit dem Gesetz in Konflikt geriet.

Der 35-Jährige schloss am 6. März 2013 vor dem Bozner Voruntersuchungsrichter einen gerichtlichen Vergleich wegen Verstößen gegen das Drogengesetz.

Rund zwei Jahre später entzog ihm das Bozner Regierungskommissariat per Verfügung den Führerschein. Dies auf der Grundlage von Artikel 120 der Straßenverkehrsordnung, der die „moralischen Voraussetzungen“ für den Besitz eines Führerscheines regelt. Laut Artikel 120 ist der Führerschien etwa Gewohnheitsverbrechern oder Mafia-Zugehörigen zu entziehen.

Seit dem Jahr 2009 auch Personen, die wegen Drogendelikten rechtskräftig verurteilt wurden. Allerdings galt damals die Gleichstellung von leichten und schweren Drogen.

Im Bozner Regierungskommissariat scheint man, wie gesagt, das Verfassungsgerichts-Urteil aus dem Jahre 2014 nicht angekommen zu sein. Denn aus diesem folgerten zahlreiche andere italienische Präfekturen, dass ein Führerschein-Entzug für Personen, die wegen Besitzes von leichten Drogen verurteilt wurden, inhaltlich abzuwägen sei.

Wie der Bozner Richter Emanuele Aprile in seinem Urteil vom März schrieb, sei einzuschätzen, „ob der Besitz eines Führerscheins eine Rehabilitierungsmaßnahme darstellen oder die Gemeingefährlichkeit erhöhen kann“.

Zu berücksichtigen sei auch das Prozessverhalten im Strafverfahren und ein etwaiger Umgang des Verurteilten mit gefährlichen Personen. Kurz: Die Sozialprognose.

In der Verfügung des Bozner Regierungskommissariats zum Entzug des Führerscheins des 35-jährigen Bozners fehlt diese vollends. Die Staatsadvokatur Trient, welche die Bozner Präfektur in dem Verfahren vertritt, beharrt weiter auf der Auffassung, dass eine Abwägung von Gründen für oder gegen einen Führerscheinentzug, gesetzlich nicht möglich sei. Der Führerscheinentzug folglich automatisch.

Der Trienter Richter Marco Tamburrino kam zu einem völlig anderen Schluss – er nahm den Rekurs des Bozners, eingebracht über die Rechtsbeistände Stefania Lionetti und Othmar Walde, an.

Der Kläger bekommt seinen Führerschein zurück.

Das Regierungskommissariat hat nun 60 Tage Zeit, einen Entzug der Fahrerlaubnis detailliert zu begründen.

„Da die strafrechtliche Verurteilung wegen Besitzes von leichten Drogen ausgesprochen wurde, braucht es eine spezifische Begründung für einen Führerschein-Entzug“, heißt es unmissverständlich in dem Trienter Urteil.

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