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Merkwürden Anton

pfarrer betrugEine angeblich bedürftige Frau, ein gutgläubiger Pfarrer, der aber kein Opfer eines Betrugs wurde. Am Landesgericht ergeht das Urteil zur Causa um die 150.000 Euro, die in der Kasse der Pfarre Mühlwald fehlten.

von Thomas Vikoler

Wenn das mutmaßliche Opfer selbst kaum zur Aufklärung eines Kriminalfalles beitragen kann, dann wird es schwierig. Schwierig für einen Einzelrichter, eine Straftat festzustellen. Und so bleibt, wie so häufig, ein kleines Nebendelikt übrig.

Wie in diesem Fall. Nämlich das Sich-Ausgeben als eine andere Person nach Strafrechtsartikel 494. Richter Oswald Leitner, der zum Jahresende vom Landesgericht in den Staatsrat wechselt, verurteilte  die 38-jährige Stella Gabrielli wegen dieses Delikts zu fünf Monaten Haft.

Zum Hauptanklagepunkt – Betrug – wurde die Frau hingegen ebenso freigesprochen wie ihr Ehemann, der 37-jährige Luca Iemma. Für ihn hatte selbst Staatsanwalt Axel Bisignano einen Freispruch beantragt, für Gabriella hingegen eine Haftstrafe von zwei Jahren wegen Betrugs.

Doch Betrug hat es für Richter Leitner in diesem bemerkenswerten Fall keinen gegeben. Dies, obwohl vom Konto der Pfarre Mühlwald 150.000 Euro verschwunden sind.

Dass das Geld bei Stella Gabrielli landete, ist sehr wahrscheinlich. Sie und ihr Ehemann kauften sich damit, so brachten die Ermittler in Erfahrung, u.a. ein stattliches Auto.

Die für die Erfüllung des Tatbestandes notwendigen „Vorspiegelungen und Täuschungen“ konnten im Prozess am Bozner Landesgericht aber nicht nachgewiesen werden. Einzig der Umstand, dass sich Stella Gabrielli gegenüber dem Mühlwalder Pfarrer Anton Auer als eine andere Person ausgab. Sie nannte sich Anna Baldi.

Als Anna Baldi überzeugte sie Pfarrer Auer zwischen 2003 und 2012 wiederholt, ihr wiederholt größere Geldbeträge auszuhändigen. Geld vom Konto der Pfarre Mühlwald, das zum Großteil aus einer Erbschaft stammte: Eine Bürgerin hatte der Pfarre 150.000 Euro für die Restaurierung einer Kapelle vermacht.

Die genauen Beweggründe für seine Großzügigkeit konnte der Pfarrer bei seiner Einvernahme als Zeuge nicht nennen. Er sei Opfer seiner eigenen Gutgläubigkeit geworden, gestand Anton Auer, nicht ganz freiwillig, der Pfarrgemeinde beim Hochamt zu Maria Himmelfahrt des Jahres 2012.

Stella Gabrielli, die im Prozess von der Widums-Häuserin auf einem Foto als regelmäßige Besucherin des Pfarrhauses identifiziert wurde, erhielt die Geldspenden u.a., um eine angebliche Erbschaft antreten zu können . Auch um eine vermeintliche Abtreibung vorzunehmen, was Pfarrer Auer, wie er aussagte, ausdrücklich missbilligte.

Auf jedem Fall sind die 150.000 Euro nach dem Freispruch vom Freitag definitiv futsch. Die Staatsanwaltschaft wird aller Voraussicht nach das Urteil nicht anfechten.

Stella Gabrielli war 2003 am Landesgericht wegen eines mehr oder weniger identischen Falles zusammen mit ihrer Schwester zu jeweils zwei Jahren Haft wegen Betrugs verurteilt worden. In jenem Fall war der damalige Pfarrer von Goldrain, Franz Eberhöfer, das Opfer.

Gegenüber ihm hatte sich die in Lana wohnhafte Nomadin als „Soja“ ausgegeben

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